Ganz am Ende des (oben im Wiki verlinkten) "Weihnachtsbriefs" findet sich auf dem offiziellen Briefpapier des Jens Söring, (incl. Wappen!), eine kleine Genealogie, mit der er seine adlige, ja sogar königliche Abkunft behauptet.
Was auffällt ist das völlige Fehlen konkreter Angaben, es gibt weder Namen, noch Daten, Orte, Ereignisse... nichts.
Ausser "Mutter, Grossmutter, Urgrossmutter" etc. fällt da nur der Name "Schwoon", den ihm seine Großmutter mütterlicherseits nahe gebracht haben soll:
"
Appendix: Proof of my royal ancestory, given to me by my grandmother - relation to me (the noble Schwoons - I think pronounced Shvoan (in english) North German for "Swan" or "Schwan (in German)").
I am/\
Dad Ma
\
Grandma
\
Greatgrandmother (maternal)
\
Greatgreatgrandmother (maternal)
- that's the one! Pure maternal blood
line over 5 or 6 generations!!!
A.. (?) the man , apparent in they did end up a little
better than poor robber-barons though I'm(?)
hon(?) much ..."Das ist in seiner Hohlheit schwer für voll zu nehmen.
Mr.Stielz schrieb am 28.11.2019:Fun fact: Wer nach "Schwoons königlich" oder "Schwoons Adel" sucht, der findet -- exakt nichts! Kann es sein, dass Söring mal wieder fabuliert, um seiner Geliebten blaublütiger Abstammung Ebenbürtigkeit vorzugaukeln?
Eine interessante Frage! Nur zur Vervollständigung: Ich habe grad mal in der Stabi etwas recherchiert.
A) Im
Deutschen Geschlechterbuch Nr. 212 gibt es eine Kurzstammfolge Schwoon, beginnend mit Christian Bernhard Schwoon * Leer 4.4.1877. Der Name Söring fällt nicht, irgendwelche blaublütigen Verbindungen sind weit und breit nicht erkennbar.
B) Das
Biographische Handbuch zur Geschichte des Landes Oldenburg, (Oldenburg 1992) kennt nur den Maler Karl Schwoon, * 1908 der auch bei Wikipedia verzeichnet ist.
C) Wikipedia kennt noch zwei Melchior Schwoon (Opa und Enkel), beide Unternehmer in Bremerhaven. Der ältere * 1809 in Bockhorn (Friesland) als Sohn eines Landwirtes und Holzhändlers
D) Bliebe eine Recherche in der
Oldenburgischen Gesellschaft für Familienkunde. Dort werden in einer Mappe aufbewahrt:
1. Stammlisten der Familie Schwoon 1620 –1923 mit Zeichnung des Familienwappens
2. Family-Tree Schwoon (Swan) 1729 –1858 Germany
3. Schwoon Family of Varel, Oldenburg (Masch.schr., 4 Bl., m. Abb.)
Da hier auf das biogr. Handbuch (B) verwiesen wird, mag ein Bezug zu Karl gegeben sein.
Die zugehörigen Familiennamen lassen nichts königliches durchschimmern:
"Wipsen, Poppehoff, Reiners, Eyfroth, Meinen, Heidkröger, Tapken, Oeljemann, Floren, Borchers, Uhlhorn, Oetjens, Kapels, Behrens, Weidhüner, Kückens, Engelbart, Gerdes, Praß, Börding, Hegemann, Hanrberg, Bloh, Schilling, Reinström, Gramberg, Eyting, Notholt, Busch, Thormählen, Rüthers, Meiners, Wiemken, von der Horst, Janssen, Oetken, Reinders, Hibbeler, Onken, Krause, Clay, Newson"
fuit rana nunc est rex?
Sieht nicht so gut aus für den Realitätsgehalt unseres Möchtegernkönigs.
Aber damit ist diese Geschichte noch nicht zuende. Wichtig ist, was Söring selbst glaubte, oder was er vermitteln wollte.
Nun zeigt das Wappen des Jungritters Söring genau dies: Einen SCHWAN. (Es wäre interessant, herauszufinden, ob es dafür einen Wappenbrief gibt, oder ob es sich nur um ein bürgerliches Phantasiesiegel handelt. Der Siebmacher online kennt jedenfalls weder ein Wappen Söring noch ein Wappen Schwoon.
Hochstapelei muss das nicht sein. Ich tippe da als Antragsteller eigentlich eher auf den Vater, dem so ein Siegelring als Diplomat gut angestanden hätte. So etwas kann man sich ja auch als Bürgerlicher gegen Geld bei jedem anständigen Heraldiker entwerfen lassen...
Dann irritiert aber, dass der Schwan ja eigentlich aus der
mütterlichen Linie stammt. Ein bedeutungsvoller Zufall? Treffen sich da zwei Linien, beide mit dem weissen Zaubervogel?
Oder ist es doch nur ein ätiologisches Märchen?
Jedenfalls sind beide Familien, weder Söring noch Schwoon, Uradel und der tatsächliche Anteil
königlichen Blutes dürfte trotz Luminol die Nachweisbarkeitsgrenze deutlich unterschreiten.
Wie auch immer, entscheidend ist ja, was er selbst glaubte oder vorgab zu glauben: mit dem Schwan verbindet Söring selbst seine angeblich nicht nur adlige, sondern gleich königliche (!) Abstammung. Das muss man erst einmal hinbekommen.
Der Schwan gehört daher imho in die Sammlung literarischer Identifizierungen an vornehmster Stelle mit hinein: JS als der von Gott mit Zauberkraft ausgestattete Schwanenritter.
Der Sohn des Parzival. Der Träger des san graal, des sang real... Lohengrin, das ist Bildungsbürgertum. Die Gralserzählung muss man nicht mitsingen können um von ihr zu wissen. Aber es ist kein Zufall, dass es Hitlers Lieblingsoper war. Es ist der Mythos vom Gottesgnadentum des auserwählten Ritters, der unerkannt bleiben muss, um bei Elsa bleiben zu können.
- Der Schwanenritter siegt im Gottesgericht gegen Elsas fiesen Feind Telramund, (der sie des Verwandtenmordes bezichtigt hatte!)
- Elsa macht L. in der berühmten Hochzeitsnacht (mit dem noch berühmteren Brautmarsch) zum Manne ("Treulich geführt, ziehet nun ein...").
- Der nimmt dann aber wegen Indiskretion mit der Gralserzählung Abschied... (daher die Redewendung: "Mein lieber Schwan!") und singt:
"
Alljährlich naht vom Himmel eine Taube, um neu zu stärken seine Wunderkraft. Es heisst der Gral und selig reinster Glaube erteilt durch ihn sich seine Ritterschaft.
Wer nun dem Gral zu dienen ist erkoren,
den rüstet er mit überirdischer Macht,
vor dem ist jedes Bösen Trug verloren,
wenn ihn er sieht, weicht dem des Todes Macht!
Selbst wer von ihm in ferne Land entsendet,
zum Streiter für der Tugend Recht ernannt,
dem wird nicht seine heil'ge Kraft entwendet,
bleibt als ein Ritter dort er unerkannt..
So hehrer Art doch ist des Grales Segen:
Enthüllt muss er des Laien Auge fliehn...
Des Ritters drum sollt Zweifel ihr nicht hegen,
Erkennt ihr ihn, dann muss er von euch ziehn!
..."Fast sieht es aus wie Zufall: Kurz vor seiner Entdeckung verlässt Schwanenritter Söring fluchtartig das "ferne Land..."
("Nie sollst du mich befragen!")
Soweit mein Ansatz zur mythologischen Identifikation und zum märchenhaften Selbstverständnis des Doppelmörders JS.
Es erklärt nicht seinen tiefsitzenden Hass, der ihn zu dieser Untat befähigte. Aber es erklärt vielleicht ein Stück weit seinen Irrsinn, anstelle von Elsa/Eliza gehandelt zu haben. Denn nicht für Diplomatensöhne, aber für Gralsritter gelten Sonderrechte. Dass er an seinen Diplomatenstatus glaubte ist so gesehen wohl nur eine Schutzbehauptung.