@jaska Entschuldige bitte die späte Antwort, aber ich hatte wenig Zeit:
jaska schrieb am 17.11.2020:Absolut Deiner Meinung. Ich kann dem Gericht keine wirklichen Vorwürfe machen.
Diese Formulierung von Dir hier:
jaska schrieb am 08.11.2020:Ich halte von dem Prozess 2014 bzw. der Qualität der damaligen Beweisaufnahme nicht viel.
klang für mich schon nach einem Vorwurf. Schließlich ist das Gericht für die Prozessführung und auch die Beweisaufnahme (letzteres zumindest teilweise) verantwortlich.
jaska schrieb am 17.11.2020:Das Konstrukt Wiederaufnahmeverfahren leidet unter einem sehr systembedingten Problem, soweit ich als absoluter Laie das wahrnehme: die lange Zeit, die zwischen Tat und Wiederaufnahmeverfahren vergangen ist.
Das ist richtig, aber leider unvermeidbar. Allerdings muss dieser Umstand keineswegs immer zu einem Freispruch führen. Meines Erachtens war das auch hier nicht der Fall. Konkrete Zeugen, die etwas beobachtet hätten, das UK unmittelbar belastet, gab es schon im ersten Verfahren nicht. Die Belastungszeugen aus dem ersten Verfahren (hier die Kinder die Peggy zuletzt lebend sahen) sind bei Ihren Aussagen geblieben (bis auf eine, die krankheitsbedingt nicht aussagen konnte). Lediglich der V-Mann hatte seine Aussage teilweise widerrufen. Das hatte aber auch nichts mit dem Zeitablauf zu tun und wie Du selber sagst, war der Zeuge auch im ersten Verfahren nicht ausschlaggebend für die Verurteilung.
jaska schrieb am 17.11.2020:Meine Idee war vor diesem Verfahren, dass es eine neue, gründliche Beweisaufnahme gibt, eine kritische Auseinandersetzung mit den Ermittlungsakten, den Erkenntnissen aus dem 1. Prozess samt Urteil sowie mit allem, was zwischenzeitlich dazukam und dem, was die Wiederaufnahme begründete.
Da hattest Du eine falsche Erwartungshaltung. Das wieder aufgenommene Verfahren ist ein ganz normales Strafverfahren. Das heißt, insbesondere, dass für den Angeklagten die Unschuldsvermutung gilt. Die StA hat wieder - und völlig unabhängig von dem ersten Verfahren - die Schuld des Angeklagten zu beweisen, wenn sie von dessen Schuld überzeugt ist (was im konkreten Verfahren wohl auch nicht mehr der Fall war). Die Erkenntnisse des ersten Prozesses spielen grds. keine Rolle. Insbesondere geht der Angeklagte nicht in das zweite Verfahren mit dem Makel der Schuld belastet zu sein und nun seine Unschuld beweisen zu müssen. Selbstverständlich können die alten Beweismittel aus dem ersten Prozess wieder in das Verfahren eingeführt werden. Welche Erkenntnisse sich aus diesen ergeben, hat aber das erkennende Gericht im wieder aufgenommenen Verfahren zu entscheiden und was das Gericht im ersten Verfahren daraus für Schlüsse zog ist nicht relevant. Und die Gründe für die Wiederaufnahme wurden ja im Prozess zu recht berücksichtigt.
jaska schrieb am 17.11.2020:Es schien von Beginn an der Zweifel an der Schuld festzustehen und die Abarbeitung der Zeugen und Gutachter schien nur dem Zweck zu dienen, diesen Zweifel zu zementieren. Man muss sich das einmal vorstellen: während dieses Verfahrens gab es außer Ulvi K. 3 offiziell Tatverdächtige. Wer hätte da nicht Zweifel???
Um es noch einmal zu betonen: Für UK galt auch für das wieder aufgenommene Verfahren zu Beginn die Unschuldsvermutung. Insofern gab es da nicht Zweifel an seiner Schuld. Seine Unschuld wurde vermutet. Und nun muss seine Schuld wieder bewiesen werden. Und wenn das nicht gelingt, weil es zumindest begründete Zweifel an seiner Schuld gibt, ist eben freizusprechen.
jaska schrieb am 17.11.2020:So sehe ich das nicht. Im ersten Prozess gab es mitnichten nur das Geständnis.
Ohne das Urteil zu kennen, muss ich mich auf die Berichterstattung hierzu verlassen. Aber soweit ich das sehen kann, ist UK ausschließlich auf Basis dieses Geständnisses verurteilt worden. Es gab keine Leiche, keine DNA-Spuren, Blutspuren oder sonstige Spuren und keine Tatzeugen oder überhaupt Zeugen, die UK und Peggy am Tattag zusammen gesehen haben. Soweit ich mich erinnere, sind die grünen Fasern in den Berichten zum Urteil auch nicht thematisiert worden. Ich vermute daher, dass sie im Urteil auch keine Rolle spielten. Völlig unabhängig davon wären diese auch nicht geeignet, das Geständnis von UK zu stützen, da gerade zu diesem Punkt - der Verbringung - es dem Geständnis an jeglicher Konstanz fehlte. UK gab durchgängig verschiedene Verbringer, Verbringungsmethoden und Ablageorte an. Es fehlten ferner Ranzen und Kleidung des Opfers. Ohne das Geständnis hätte UK daher nicht verurteilt werden können. Wäre das Geständnis als nicht glaubhaft eingestuft worden oder hätte man zumindest begründete Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Geständnisses gehabt, hätte UK schon im ersten Prozess freigesprochen werden müssen.
jaska schrieb am 17.11.2020:Es gab das Gutachten aber auch die vielen Fälle an Sexuellem Missbrauch an Kindern, von denen die meisten durch Abgleich der Angaben der Kinder und von Ulvi K. abgeglichen werden konnten, so dass die Taten gerichtlich festgestellt wurden. Das Bild von Ulvi K. war 2003/2004 noch ein gänzlich anderes. Trotz seines Handicaps traute man ihm Entscheidungen, Verschleiern, Planung ... zu. Das Gericht war über seine Lebensumstände, seine Freiheitsgrade, seine Gewohnheiten, seinen Drogenkonsum informiert. Über seine sexuellen Erfahrungen und über die sich kontinuierlich steigernden Missbräuche. Man hatte die Opfer zur Verfügung, deren Aussagen, die Aussagen von Ärzten. Die Videos, die Lügen der Eltern, die völlig schwammigen Alibizeugen.
Das betraf im Wesentlichen die sexuellen Missbräuche an den Kindern. Diese waren nicht Gegenstand des Wiederaufnahmeverfahrens.
jaska schrieb am 17.11.2020:Insgesamt sah das Gericht keinen Zweifel 2004 und verurteilte Ulvi K. wegen Mordes.
Richtig. Aber das hat keine Relevanz für das Verfahren 2014. Die Kammer hatte in diesem Fall begründete Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Geständnisses von UK, die nachvollziehbar sind, wenn man bedenkt, dass der entscheidende Gutachter in diesem Verfahren aufgrund der bislang unbekannten Tathergangshypothese ein falsches Geständnis nicht mehr ausschließen konnte.
Ich hatte noch keine Gelegenheit, mir die Doku anzuschauen, werde das aber aödmöglichst nachholen.
LG,
G.