@jaska Eine Gefährlichkeitsbegutachtung basiert nur zu einem Teil auf dem persönlichen Gespräch mit dem Pb. Es erfolgt i.d.R. nach Abschluss des Aktenstudiums, was gleichzeitig bedeutet, dass der Prozess der Begutachtung sich meist über mehrere Tage oder auch wenige Wochen hinziehen kann.
Wie bei allen anderen Begutachtungsfragestellungen im forensischen Bereich, wird auch beim Gefährlichkeitsgutachten auf Grundlage empirisch belegter Aspekte einer möglichen Rückfallgefahr begutachtet und mit Wahrscheinlichkeiten gearbeitet (sage ich nur vorbeugend, falls wieder entsprechende Debatten um den Wahrscheinlichkeitsbegriff entflammen
;) )
Prognostisch relevante Aspekte beziehen sich dabei auf:
(1) Täterpersönlichkeit
(2) Delikt, auf Grundlage dessen die Maßregel erfolgte:
- beinhaltet Aspekte der vordeliktischen Bedingungen
- Tatablauf
- Vorgehen bei Tatausübung
- Ausmaß von Gewaltanwendung
- Tatbedingungen (psychotrope Substanzen, Steuerungsfähigkeit, Einsichtsfähigkeit etc.)
- Nachtatverhalten
- ggf. Tatrezidive
(3) soziales Umfeld
- zum Zeitpunkt der Tat
- zum aktuellen Zeitpunkt
- zu erwartende und tatsächliche soziale Ressourcen oder Mangelbedingungen nach Entlassung des Pb
(4) Aspekte des Therapieprozesses im Vollzug
Der Gutachter erhält (oder sollte zumindest) folgende Unterlagen: Ermittlungsakt zur Tat, Gerichtsakt (Aussagen vor Gericht), Therapieakt, verlässliche fremdanamnestische Angaben zum Täter und seinem sozialen Umfeld, medizinisch-psychiatrische Krankengeschichte.
Das Gespräch mit dem Pb als solches dauert i.d.R. mehrere Stunden und kann über mehrere Tage gesplittet werden. Dabei erfolgt eine Befragung des Pb zu allen o.g. Aspekten und ggf. (kann variabel entschieden werden) eine standardisierte Erhebung zu den Prognosefaktoren.
Gutachter sind sich für gewöhnlich bewusst, dass ein Inhaftierter natürlich ein Interesse an einem positiven Bescheid hat und somit auch geneigt ist, sich besonders gut, nett und reflektiert darzustellen. Dadurch ergeben sich oft recht rasch deutliche Diskrepanzen in Bezug auf z.B. Aspekte der tatsächlichen Tatbegehung oder zum Therapieakt oder zugrundeliegenden Störung des Pb. Selbst dann, wenn sich alle Prognoseaspekte als positiv darstellen, ist das Zünglein an der Waage meist der soziale Faktor. Mal ganz platt ausgedrückt (in Realität ist es um Einiges vielschichtiger): Ein Gewaltstrafer, der therapeutisch wunderbar aufgearbeitet hat, aber nach der Entlassung nichts an sozialer Struktur (Familie, Bindungen, Aussicht auf berufliche Anstellung, etc.) vorweisen kann, kann hinsichtlich seiner Gesamtprognose also auch negativ eingeschätzt werden.