Peggy Knobloch
31.08.2014 um 11:25@Mao1974
Glückliches Kind oder ständig geprügeltes/misshandelt/missbrauchtes Mädchen?
Die Wahrheit liegt sicher irgendwo dazwischen.
Hab mir mal meine Gedanke zu Peggy gemacht (nach bestem Wissen und Gewissen).
Viel wissen wir wirklich nicht, aber eben auch gar nichts. Sie war gesellig, sportlich, hatte Freunde, war wohl auch anhänglich, offen, zeigte keine Scheu vor Fremden, stromerte gerne rum, musste ein Jahr vor ihrem Verschwinden schon aus einem Erdloch geholt werden, in das sie gestürzt war und allein nicht mehr raus kam. Sie war wohl gerne alleine, ihre Mutter arbeitet zum Zeitpunkt des Verschwindens erst ca. 2 Monate. Zudem war Peggy wohl ein Kind mit eigenem Kopf, wenn man davon ausgeht, dass sie sich dem Umgangsverbot mit Ulvi K. widersetzt hat. Schule war ihr nicht wichtig, wahrscheinlich mochte sie dort vor allem das Zusammentreffen mit ihren Freunden. Sie half freiwillig beim Tafelputzen, spricht also für eine gewisse Art von Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit. Sie war anhänglich und suchte Gesellschaft, auch wenn sie sich auch selbst beschäftigen konnte. Sie wird auch als laut und übermütig beschrieben und eine Mutter behauptete gar, Peggy habe gestohlen, eventuell auch gelogen. Dann gibt es noch diese Angst gegenüber ihrem Stiefvater, die beschrieben wird. Und es gibt ein Foto von ihr, wo sie "erwachsener" wirkt, dünner, fast wie ein Teenager. Und doch war sie noch ein Mädchen, das mit Puppen spielte. Sie hatte in allen Altersschichten Freunde, sowohl 7jährige Erstklässler als auch gleichaltrige Freundinnen und auch Erwachsene. Das spricht für ihr geselliges Wesen.
Ich meines dieses Bild hier auf der BI-Seite:
http://www.ulvi-kulac.de/
Original anzeigen (0,2 MB)
Wenn man sich die ganzen Bilder anschaut dann sieht man ein gepflegtes Mädchen, glücklich lachend, ausgelassen und sich in der Nähe von Mutter und Schwester sichtlich gut fühlend. Dass diese 3 Mädels zusammengehörten und dass diese Gemeinschaft funktionierte ist offensichtlich. Peggy hatte ausreichend Spielzeug, ihrem Älterwerden und den damit verbundenen Wünsche wurde Rechnung getragen durch den Kauf altersentsprechender Kleidung (Plateauschuhe, Fanshirts...).
Peggy suchte hier in dieser Gruppe Schutz, als sie sich vor ihrem Verschwinden veränderte. Sie zog sich zurück, nässte wieder ein, wollte nicht mehr vor die Tür. Vermied es, sich auszuziehen und zu duschen, warf Unterwäsche weg. Diese Veränderungen begannen eher schleichend im Vorjahr ihres Verschwindens, sehr auffällig war das Verhalten aber am Wochenende vor dem Verschwinden. So wollte sie am Tag ihres Verschwindens nicht in die Schule.
Seit ca. 8 Wochen also ging ihre Mutter arbeiten, weil sie vom Amt dazu gezwungen wurde. Das hatte zur Folge, dass sie manchmal nach der Schule alleine zuhause war. Peggy konnte alleine das Haus betreten und verlassen, sie hatte einen Schlüssel, der mit ihr zusammen vermisst wurde. Die übliche Routine sah vor, dass sie nach der Schule nach Hause ging, sich umzog, dort das vorbereitet Essen aß. Hausaufgaben machte sie eventuell nicht immer zuhause, in Frage kommen Freundinnen und/oder 2 Gasthäuser (die Sonne und die Schlossklause). Wenn ihre Mutter Spätschicht hatte, kam sie gegen 20.00 nach Hause, für Peggy das Ziel, wann sie wieder zurück sein musste.
Klingt alles ziemlich normal. Und nun beginnt die Küchenpsychologie:
Dass es in ihrem Leben Menschen und Bereiche gab, die Probleme boten, schliesst das leider nicht aus.
Bis auf den Missbrauch würde ich das erst mal nicht über bewerten. Da können die neue Schule, beginnende Pubertät, Änderungen innerhalb der Familie, Streits zuhause etc. Vieles erklären.
Die Spannungen zwischen ihr und dem Lebensgefährten der Mutter waren sicher nicht außergewöhnlich, zumal wenn sich diese Beziehung der Erwachsenen eh gerade in einer Krise befand.
Für mich besteht eine ziemlich große Unschärfe darin, dass die Geschichten vor Peggys Verschwinden anscheinend keine Rolle gespielt haben, danach aber plötzlich von Allen als sehr dramatisch bemerkt worden waren aber Keiner hatte es für nötig erachtet, was zu unternehmen. Insofern passierte da eine Dramatisierung und die Wahrheit hier herauszufiltern ist sicher nicht möglich.
Schlimm sind die Missbräuche. Hier rutschte das Mädchen, das viel alleine (unterwegs) war, zunächst mal in eine fatale "Beziehung" zu Ulvi K. Einerseits ein erwachsener Freund mit Wohnung und unerreichten finanziellen Möglichkeiten, was für das Mädchen und andere Kinder durchaus verlockend und cool sein konnte. Und andererseits diese "Dinge" und Einschüchterungen, die sie und ihre negativen Gefühle in eine Schattenwelt drängten. Durch das von der Mutter ausgesprochene Umgangsverbot gegen Ulvi K. War sie immer in der Zwickmühle - Rebellion/Missachtung gegen die Mutter, dazugehören wollen, PlayStation spielen zu wollen etc. Außerdem waren manchmal andere Kinder dabei und da war es vielleicht cool, mitzumachen, eine Art Mutprobe. Sich hervorzutun, sich was zu trauen, was die Freundinnen/Freunde nicht machten.
Traurige Wahrheit bei den allermeisten Missbrauchsfällen. Wer mal autobiografische Berichte von Missbrauchsopfern gelesen hat, weiß, wie sehr die sich in ein (von außen nicht nachvollziehbares) Konstrukt aus Verpflichtungen und Ängsten verstricken. Es sind oft Opfer, die scheinbar widersprüchliche Verhaltensweisen an den Tag legen: extrovertiert und nachdenklich, frühreif/kokettierend und schüchtern, freundlich und empfindlich. Ziemlich kompliziert ist das Seelenleben eines kleines Kindes mit Missbrauchserfahrung, es muss viele Ebenen bedienen und aufpassen, die "Freunde" nicht zu verraten, nicht zu verletzten. Und es muss funktionieren, darf keinen Ärger machen. Inwiefern das Alles normal ist - dafür haben sie kein Gefühl. Und dann kommt noch die Scham dazu, sie ahnen, dass etwas nicht richtig ist, wissen aber nicht genau was und geben sich oft selbst die Schuld.
Dann noch eine zweite Missbrauchsschiene, die durch Holger E.. Hier bin ich mir noch nicht sicher, wie weit und wie lange das ging. Fatal war es in jedem Fall.
Die bisherigen Informationen legen für mich nahe, dass das erst am Anfang war. Ohne das verharmlosen zu wollen, sehe ich hier keinen systematischen Missbrauch. Das hätte in der Zukunft sicher eine fatale Entwicklung genommen, ohne Frage, denn Holger E.'s Verbrechen sind einfach nur widerlich.
Um das näher auszuführen mal die bekannten "Fakten": Holger E. ist zum Tatzeitpunkt 17 Jahre alt, besucht seinen Bruder manchmal für ein paar Tage in Lichtenberg und ist dabei, seine unzweifelhaften pädophilen Neigungen in die Praxis umzusetzen. Peggy mag er besonders und nähert sich ihr im Rahmen seiner Möglichkeiten. Und die sind beschränkt, denn die beiden sind nicht oft alleine (Jung sprach von gemeinsamen Spaziergängen zur Ruine) und ein Missbrauchsverhältnis braucht Zeit und aus Sicht des Täters muss er eine Möglichkeit finden, das Opfer durch ein Abhängigkeitsverhältnis oder Drohungen so zu kontrollieren, dass es nichts verrät. Eine Möglichkeit hierzu könnte tatsächlich sein, dass der Täter sich als geheimer Freund etabliert, also ein Geheimnis zwischen ihm und dem Opfer aufbaut (siehe die Telefonnummer im Schulhefte). Und in Peggy traf er ein Mädchen, das vorbelastet war. Sie war offen, genoss eventuell sogar die Aufmerksamkeit eines Siebzehnjährigen. (Nur als Zwischenbemerkung: ich kannte eine Elfjährige, die ohne Missbrauchserfahrung so frühreif war, dass sie mit Sechzehnjährigen schäkerte und sich gerne zeigte bzw auch mal zufasste. Alles in einer Art Übermut, was weder sie noch die beteiligten Jungs in aller Vollständigkeit überblicken konnten). Holger E. gibt zu, Peggy geküsst zu haben und behauptet, sie hätte ihn ohne Aufforderung am Schritt angefasst. Was davon stimmt oder ob das nur die Spitze des Eisberges ist - wer weiß das schon?
Fakt ist aber: ein belastbares Missbrauchsverhältnis aufzubauen braucht Zeit und Gelegenheit, was ich beides nicht sehe. Dass er bei sich schon seine perversen Gedanken weiter spann, das ist durch das Medaillon und die Sammlung von Fotos von Peggy hinreichend belegt. Aber um sie dauerhaft in so weiter Entfernung zu ihm kontrollieren zu können (damit sie nichts verriet), dazu hätte er in kleinen Schritten und über einen langen Zeitraum hin ein entsprechendes Verhältnis aufbauen müssen. Die Anfänge waren gemacht, ganz sicher. Wie weit dieser Missbrauch ging, weiß wohl nur noch er. Die Entwicklungsmöglichkeiten will ich mir gar nicht ausmalen. Es gibt ja zwei Arten von Missbrauch: den eines Triebtäters, der sein Opfer meist zufällig und spontan auswählt (in diesem Rahmen passieren auch diese unfassbaren Morde, die man viel zu oft in den Nachrichten liest). Diese Täter müssen zur Vertuschung morden, weil sie keinerlei Macht über das Opfer haben und einen Verrat befürchten müssen. Anders diese täglichen Missbräuche durch Menschen aus dem Umfeld. Hier suchen und finden die Täter einen Hebel, um das Opfer zu kontrollieren. Ständige Anwesenheit, Drohungen, Beobachtungen, Situationen, in denen sie das Täter-Opfer-Verhältnis zementieren können. Holger E. fällt für mich in die letzte Kategorie. Zumindest wissen wir nur von Opfern aus seinem Umfeld, eines davon hat er über Jahre hinweg kontrollieren können.
Wer war also Peggy? Ein fröhliches, aufgeschlossenes Mädchen an der Schwelle zur Jugendlichen, die in eine unheilvolle Schiene hineingeriet, welche weder sie noch ihre Familie überblickten. Nicht aus Vernachlässigung heraus sondern eher aus Unwissen und Überforderung. Peggy schaffte es wohl gut, Vieles was unangenehm war zu verdrängen oder zu überspielen. Sie funktionierte nach ihren Möglichkeiten. Sie selbst hätte sich sicher nicht als unglücklich bezeichnet, sie suchte sich ihren Spass in Treffen mit Freunden und in der Sportgruppe und zuhause bei Mutter und Schwester. Gegen einige Dinge hätte man was tun können oder auch tun müssen (wie z.B. das Verhältnis zum "Stiefvater"). Andere wie die Missbräuche werden für uns erst im Nachhinein logisch und ersichtlich. Da sehe ich die Versäumnisse auf vielen Seiten, aber nicht bei Peggy und auch nicht ausschliesslich bei ihrer Mutter. Im Nachhinein ist man da immer schlauer.
Wo waren denn Diejenigen, die das heute so genau wissen, was alles war und was man hätte tun können? Diese Frage stell ich mir echt immer.
Glückliches Kind oder ständig geprügeltes/misshandelt/missbrauchtes Mädchen?
Die Wahrheit liegt sicher irgendwo dazwischen.
Hab mir mal meine Gedanke zu Peggy gemacht (nach bestem Wissen und Gewissen).
Viel wissen wir wirklich nicht, aber eben auch gar nichts. Sie war gesellig, sportlich, hatte Freunde, war wohl auch anhänglich, offen, zeigte keine Scheu vor Fremden, stromerte gerne rum, musste ein Jahr vor ihrem Verschwinden schon aus einem Erdloch geholt werden, in das sie gestürzt war und allein nicht mehr raus kam. Sie war wohl gerne alleine, ihre Mutter arbeitet zum Zeitpunkt des Verschwindens erst ca. 2 Monate. Zudem war Peggy wohl ein Kind mit eigenem Kopf, wenn man davon ausgeht, dass sie sich dem Umgangsverbot mit Ulvi K. widersetzt hat. Schule war ihr nicht wichtig, wahrscheinlich mochte sie dort vor allem das Zusammentreffen mit ihren Freunden. Sie half freiwillig beim Tafelputzen, spricht also für eine gewisse Art von Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit. Sie war anhänglich und suchte Gesellschaft, auch wenn sie sich auch selbst beschäftigen konnte. Sie wird auch als laut und übermütig beschrieben und eine Mutter behauptete gar, Peggy habe gestohlen, eventuell auch gelogen. Dann gibt es noch diese Angst gegenüber ihrem Stiefvater, die beschrieben wird. Und es gibt ein Foto von ihr, wo sie "erwachsener" wirkt, dünner, fast wie ein Teenager. Und doch war sie noch ein Mädchen, das mit Puppen spielte. Sie hatte in allen Altersschichten Freunde, sowohl 7jährige Erstklässler als auch gleichaltrige Freundinnen und auch Erwachsene. Das spricht für ihr geselliges Wesen.
Ich meines dieses Bild hier auf der BI-Seite:
http://www.ulvi-kulac.de/
Original anzeigen (0,2 MB)
Wenn man sich die ganzen Bilder anschaut dann sieht man ein gepflegtes Mädchen, glücklich lachend, ausgelassen und sich in der Nähe von Mutter und Schwester sichtlich gut fühlend. Dass diese 3 Mädels zusammengehörten und dass diese Gemeinschaft funktionierte ist offensichtlich. Peggy hatte ausreichend Spielzeug, ihrem Älterwerden und den damit verbundenen Wünsche wurde Rechnung getragen durch den Kauf altersentsprechender Kleidung (Plateauschuhe, Fanshirts...).
Peggy suchte hier in dieser Gruppe Schutz, als sie sich vor ihrem Verschwinden veränderte. Sie zog sich zurück, nässte wieder ein, wollte nicht mehr vor die Tür. Vermied es, sich auszuziehen und zu duschen, warf Unterwäsche weg. Diese Veränderungen begannen eher schleichend im Vorjahr ihres Verschwindens, sehr auffällig war das Verhalten aber am Wochenende vor dem Verschwinden. So wollte sie am Tag ihres Verschwindens nicht in die Schule.
Seit ca. 8 Wochen also ging ihre Mutter arbeiten, weil sie vom Amt dazu gezwungen wurde. Das hatte zur Folge, dass sie manchmal nach der Schule alleine zuhause war. Peggy konnte alleine das Haus betreten und verlassen, sie hatte einen Schlüssel, der mit ihr zusammen vermisst wurde. Die übliche Routine sah vor, dass sie nach der Schule nach Hause ging, sich umzog, dort das vorbereitet Essen aß. Hausaufgaben machte sie eventuell nicht immer zuhause, in Frage kommen Freundinnen und/oder 2 Gasthäuser (die Sonne und die Schlossklause). Wenn ihre Mutter Spätschicht hatte, kam sie gegen 20.00 nach Hause, für Peggy das Ziel, wann sie wieder zurück sein musste.
Klingt alles ziemlich normal. Und nun beginnt die Küchenpsychologie:
Dass es in ihrem Leben Menschen und Bereiche gab, die Probleme boten, schliesst das leider nicht aus.
Bis auf den Missbrauch würde ich das erst mal nicht über bewerten. Da können die neue Schule, beginnende Pubertät, Änderungen innerhalb der Familie, Streits zuhause etc. Vieles erklären.
Die Spannungen zwischen ihr und dem Lebensgefährten der Mutter waren sicher nicht außergewöhnlich, zumal wenn sich diese Beziehung der Erwachsenen eh gerade in einer Krise befand.
Für mich besteht eine ziemlich große Unschärfe darin, dass die Geschichten vor Peggys Verschwinden anscheinend keine Rolle gespielt haben, danach aber plötzlich von Allen als sehr dramatisch bemerkt worden waren aber Keiner hatte es für nötig erachtet, was zu unternehmen. Insofern passierte da eine Dramatisierung und die Wahrheit hier herauszufiltern ist sicher nicht möglich.
Schlimm sind die Missbräuche. Hier rutschte das Mädchen, das viel alleine (unterwegs) war, zunächst mal in eine fatale "Beziehung" zu Ulvi K. Einerseits ein erwachsener Freund mit Wohnung und unerreichten finanziellen Möglichkeiten, was für das Mädchen und andere Kinder durchaus verlockend und cool sein konnte. Und andererseits diese "Dinge" und Einschüchterungen, die sie und ihre negativen Gefühle in eine Schattenwelt drängten. Durch das von der Mutter ausgesprochene Umgangsverbot gegen Ulvi K. War sie immer in der Zwickmühle - Rebellion/Missachtung gegen die Mutter, dazugehören wollen, PlayStation spielen zu wollen etc. Außerdem waren manchmal andere Kinder dabei und da war es vielleicht cool, mitzumachen, eine Art Mutprobe. Sich hervorzutun, sich was zu trauen, was die Freundinnen/Freunde nicht machten.
"Es darf sich jeder ein Plätzchen nehmen, der wo sich auszieht."Sicher nicht einfach diese Situation. Und ihre Reaktion ist verständlich: die bestimmt noch täglichen unangenehmen Übergriffe verschwieg sie bzw teilte sie im Stillen mit Freundinnen und Freunden, die ja auch alle dicht hielten. Vielleicht sah sie da auch eine Mitschuld bei sich und traute sich nicht, das zu berichten.
Traurige Wahrheit bei den allermeisten Missbrauchsfällen. Wer mal autobiografische Berichte von Missbrauchsopfern gelesen hat, weiß, wie sehr die sich in ein (von außen nicht nachvollziehbares) Konstrukt aus Verpflichtungen und Ängsten verstricken. Es sind oft Opfer, die scheinbar widersprüchliche Verhaltensweisen an den Tag legen: extrovertiert und nachdenklich, frühreif/kokettierend und schüchtern, freundlich und empfindlich. Ziemlich kompliziert ist das Seelenleben eines kleines Kindes mit Missbrauchserfahrung, es muss viele Ebenen bedienen und aufpassen, die "Freunde" nicht zu verraten, nicht zu verletzten. Und es muss funktionieren, darf keinen Ärger machen. Inwiefern das Alles normal ist - dafür haben sie kein Gefühl. Und dann kommt noch die Scham dazu, sie ahnen, dass etwas nicht richtig ist, wissen aber nicht genau was und geben sich oft selbst die Schuld.
Dann noch eine zweite Missbrauchsschiene, die durch Holger E.. Hier bin ich mir noch nicht sicher, wie weit und wie lange das ging. Fatal war es in jedem Fall.
Die bisherigen Informationen legen für mich nahe, dass das erst am Anfang war. Ohne das verharmlosen zu wollen, sehe ich hier keinen systematischen Missbrauch. Das hätte in der Zukunft sicher eine fatale Entwicklung genommen, ohne Frage, denn Holger E.'s Verbrechen sind einfach nur widerlich.
Um das näher auszuführen mal die bekannten "Fakten": Holger E. ist zum Tatzeitpunkt 17 Jahre alt, besucht seinen Bruder manchmal für ein paar Tage in Lichtenberg und ist dabei, seine unzweifelhaften pädophilen Neigungen in die Praxis umzusetzen. Peggy mag er besonders und nähert sich ihr im Rahmen seiner Möglichkeiten. Und die sind beschränkt, denn die beiden sind nicht oft alleine (Jung sprach von gemeinsamen Spaziergängen zur Ruine) und ein Missbrauchsverhältnis braucht Zeit und aus Sicht des Täters muss er eine Möglichkeit finden, das Opfer durch ein Abhängigkeitsverhältnis oder Drohungen so zu kontrollieren, dass es nichts verrät. Eine Möglichkeit hierzu könnte tatsächlich sein, dass der Täter sich als geheimer Freund etabliert, also ein Geheimnis zwischen ihm und dem Opfer aufbaut (siehe die Telefonnummer im Schulhefte). Und in Peggy traf er ein Mädchen, das vorbelastet war. Sie war offen, genoss eventuell sogar die Aufmerksamkeit eines Siebzehnjährigen. (Nur als Zwischenbemerkung: ich kannte eine Elfjährige, die ohne Missbrauchserfahrung so frühreif war, dass sie mit Sechzehnjährigen schäkerte und sich gerne zeigte bzw auch mal zufasste. Alles in einer Art Übermut, was weder sie noch die beteiligten Jungs in aller Vollständigkeit überblicken konnten). Holger E. gibt zu, Peggy geküsst zu haben und behauptet, sie hätte ihn ohne Aufforderung am Schritt angefasst. Was davon stimmt oder ob das nur die Spitze des Eisberges ist - wer weiß das schon?
Fakt ist aber: ein belastbares Missbrauchsverhältnis aufzubauen braucht Zeit und Gelegenheit, was ich beides nicht sehe. Dass er bei sich schon seine perversen Gedanken weiter spann, das ist durch das Medaillon und die Sammlung von Fotos von Peggy hinreichend belegt. Aber um sie dauerhaft in so weiter Entfernung zu ihm kontrollieren zu können (damit sie nichts verriet), dazu hätte er in kleinen Schritten und über einen langen Zeitraum hin ein entsprechendes Verhältnis aufbauen müssen. Die Anfänge waren gemacht, ganz sicher. Wie weit dieser Missbrauch ging, weiß wohl nur noch er. Die Entwicklungsmöglichkeiten will ich mir gar nicht ausmalen. Es gibt ja zwei Arten von Missbrauch: den eines Triebtäters, der sein Opfer meist zufällig und spontan auswählt (in diesem Rahmen passieren auch diese unfassbaren Morde, die man viel zu oft in den Nachrichten liest). Diese Täter müssen zur Vertuschung morden, weil sie keinerlei Macht über das Opfer haben und einen Verrat befürchten müssen. Anders diese täglichen Missbräuche durch Menschen aus dem Umfeld. Hier suchen und finden die Täter einen Hebel, um das Opfer zu kontrollieren. Ständige Anwesenheit, Drohungen, Beobachtungen, Situationen, in denen sie das Täter-Opfer-Verhältnis zementieren können. Holger E. fällt für mich in die letzte Kategorie. Zumindest wissen wir nur von Opfern aus seinem Umfeld, eines davon hat er über Jahre hinweg kontrollieren können.
Wer war also Peggy? Ein fröhliches, aufgeschlossenes Mädchen an der Schwelle zur Jugendlichen, die in eine unheilvolle Schiene hineingeriet, welche weder sie noch ihre Familie überblickten. Nicht aus Vernachlässigung heraus sondern eher aus Unwissen und Überforderung. Peggy schaffte es wohl gut, Vieles was unangenehm war zu verdrängen oder zu überspielen. Sie funktionierte nach ihren Möglichkeiten. Sie selbst hätte sich sicher nicht als unglücklich bezeichnet, sie suchte sich ihren Spass in Treffen mit Freunden und in der Sportgruppe und zuhause bei Mutter und Schwester. Gegen einige Dinge hätte man was tun können oder auch tun müssen (wie z.B. das Verhältnis zum "Stiefvater"). Andere wie die Missbräuche werden für uns erst im Nachhinein logisch und ersichtlich. Da sehe ich die Versäumnisse auf vielen Seiten, aber nicht bei Peggy und auch nicht ausschliesslich bei ihrer Mutter. Im Nachhinein ist man da immer schlauer.
Wo waren denn Diejenigen, die das heute so genau wissen, was alles war und was man hätte tun können? Diese Frage stell ich mir echt immer.