Andante schrieb:Man muss, wie hier schon mal angesprochen wurde, auch beleuchten, welches Risiko AM mit einem erfundenen Geständnis des ST, garniert mit mit einigem von ST erfahrenen Aktenwissen, eingegangen wäre.
Irgendwie kann ich die Argumente Risiko und Naivität nicht ganz nachvollziehen, denn das Risiko bei einer Falschaussage aufzufliegen, weil einen die Richter durchschauen und deshalb belangt werden zu können, besteht doch immer. Trotzdem gibt es diese doch, sogar ohne offensichtliche Vorteilsnahme. Es ist doch lebensfremd immer nur von wahrheitsgetreuen Zeugenaussagen auszugehen, weil das Risiko zu hoch ist und Richter einen durchschauen könnten.
Zumal gerade die Risikoeinschätzung subjektiv ist, die risikoärmste Variante, sich nicht aus eigenem Antrieb als Zeuge zu melden, hat er schon mal nicht gewählt. Ein risikoscheuer Typ, würde in seiner Überlegung auch berücksichtigen, dass jede Aussage Nachteile mit sich bringen könnte, er kann ja nicht wissen ob ihm geglaubt wird, egal ob er die Wahrheit sagt oder nicht und Beweise aus einem Vieraugengespräch gibt es halt nicht.
Um beurteilen zu können, wie er persönlich das Risiko einschätzt für eine Falschaussage belangt zu werden, müssen meines Erachtens seine Erfahrungen, Persönlichkeitsmerkmale und seine subjektive Vorteilserwartung einbezogen werden.
Aus den uns zur Verfügung stehenden Infos, vermute ich, dass er das Risiko eher gering einschätzt. Da in der Vergangenheit seine Falschaussage vor Gericht nicht geahndet wurde, er sich auch sonst schon häufiger für die risikobehaftetere Unwahrheit entschieden haben dürfte, dadurch auch eine Gewisse Gewöhnung und Kompetenz beim Lügen entwickelt haben könnte und von ST wissen konnte, dass sich dieser nicht einlassen will. Dazu kommen die Kriterien der Borderline und dissozialen PS , wobei ich natürlich nicht weiß, welche Kriterien bei ihm zur Diagnose geführt haben und welchen Subtypen er zugeordnet wurde. Die Diagnostik wäre hier interessant. Es gibt meiner Erfahrung nach schon eine Tendenz Straftätern, auch ohne genauere Diagnostik eine dissoziale PS zu attestieren, da man einige Kriterien ua normabweichendes Verhalten, fehlendes Schuldbewusstsein und Rücksichtslosigkeit gegenüber Gefühlen anderer, allein durch eine Tat schon als gegeben annimmt. Anders bei der Borderline PS, die wird meiner Erfahrung nach eher Frauen attestiert, allerdings gab es in der Literatur die Sichtweise, dass sich die Borderline PS bei Frauen als Dissoziale PS bei Männern zeigt, ist aber meines Wissens nach überholt.
Welche Vorteile er sich versprechen könnte, ist genau so subjektiv. Da fallen mir neben der naheliegenden Hoffnung auf eine Strafminderung auf Anhieb schon noch ein paar andere ein. Natürlich weiß ich nicht ob zutreffend, so könnte er seine Aussage als Chance, sich vor der Richterin und der Öffentlichkeit als netten Menschen darzustellen, gesehen haben, oder er spekuliert irgendwie darauf, falls es ihm hier gelänge glaubwürdig rüberzukommen, dass die Richterin dann in seinem Prozess auch eher zu seiner Version tendieren würde und falls nicht rechnet er sich einen Befangenheitsgrund aus, oder ST hat ihn irgendwie gekrängt und er will sich rächen.
Kann alles oder nichts sein, und mir ist auch klar, dass wir nicht alle Informationen haben. Die mündliche Begründung jedoch macht mir etwas Bauchweh und
ich frage mich, wie mit der Aussage verfahren worden wäre, wenn es mehr Be- oder Entlastendes gegeben hätte.