fassbinder1925 schrieb:Aber was hätten der Richter denn vorbringen können, was diese Sicht erschüttert.
Der Richter war ja auf Antrag der Verteidigung da. Da musst Du also die Verteidigung fragen, was sie sich erhofft hat, was er sagen könnte.
fassbinder1925 schrieb:Und ich glaube den Richtern sogar, dass sie davon absolut überzeugt sind und keinen Unschuldigen einsperren wollen. Wenn man aber sich vom Bauchgefühl her sicher ist, fällt es aber auch unbewusst leichter einem wichtigen Zeugen glauben zu schenken, den man vllt bei einer anderen Beweislage so wie Verena behandeln würde.
Genauso wie es einem leichter fällt, wenn man vom Bauchgefühl her sicher ist, einen Zeugen als durch und durch unglaubwürdig einzustufen, anstatt seine Aussagen einzeln auf Glaubwürdigkeit zu untersuchen.
fassbinder1925 schrieb:Und das war auch ein Punkt, warum ich ziemlich geschockt der Verkündung gelauscht habe. Dass sie ihn verurteilen werden, war ja relativ klar, aber ich habe durch den Saal geschaut und habe mich gefragt, könntest nicht genauso du mit diesen Indizien verurteilt werden und habe mir dann vorgestellt, meine Angehörigen würden da im Publikum vor mir sitzen.
Und zu welchem Schluss bist zu gekommen? Dass Du es vielleicht doch besser unterlassen hättest, in den letzten 2 Monaten 5 Leuten aus Spaß zu erzählen, dass du jemanden umgebracht hast?
fassbinder1925 schrieb:Aber das mit dem Wehr ist auch so eine Sache. Die Verteidiger haben nach der Urteilsbegründung auch keine Chance mehr sich zu wehren.
Und genau das ist es doch, was in diesem Prozess wirklich schon an die Grenzen zum Abstoßenden getrieben wurde.
Es geht hier nicht um die Verteidiger, sondern um Rechtssprechung. So eine Prozess ist doch keine Showkampfbühne, wo die Verteidiger sich "wehren" müssen. Gegen wen den? Und wozu?! Welchen Blumentopf wollen die denn am Ende gewinnen, wenn sie sich erfolgreich gewehrt haben?
Dieser Prozess und dieser Gerichtssaal wurden in meinen Augen tatsächlich zum Teil als Showbühne missbraucht und dabei ging es nicht darum, dadurch irgendwas für den Mandanten rauszuholen. Herr Genditzki, Herr Strate und Herr Dr. Stewens dürfen sich selbstverständlich in jede Prozess dieses Landes neben die Familie des Angeklagten setzen, ist ihr gutes Recht.
Aber dann sollen die Verteidiger am Ende auch nicht Mimimi machen, weil sie sich nicht mehr wehren konnten. Dass die Richterin am Ende das letzte Wort hat, dürfte ja schon vorher durchaus bekannt gewesen sein.
Rabunsel schrieb:Ernsthaft, er hat nachweislich im Zeugenstand gelogen, hat diagnostizierte psychiatrische Diagnosen, hat zumindest auf einen Vorteil gehofft und der Inhalt besteht insgesamt aus fehlenden Details und nicht nur fehlenden falschen Details. Gleich vorweg, ich meine auch nicht, dass man frei nach dem Motto wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, aber erhebliche Zweifel sind in der Gesamtschau des Zeugen M mM nach absolut notwendig. Wenn du ihn gerne als Leumundszeuge haben wollen würdest, tätest du ihm sicher einen Gefallen.
Diese Zweifel hatten die Richter ja auch, deshalb wurde die Aussage des M. sehr gründlich auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft. Dazu gehörte ja auch durchaus, dass sich das Gericht über seine Biografie und sein bisheriges Verhalten informiert hat.
So einfach wie Du das hier abtust, ist es eben für das Gericht nicht. Es muss die einzelnen Aussagen auf Glaubwürdigkeit prüfen. Es kann den M. auf Basis der Informationen zu seiner Person nicht einfach pauschal als Lügner abtun und damit alle seine Aussagen als unglaubwürdig beurteilen. Er hat schon einmal in einem Verfahren gelogen, er hat psychiatrisch Diagnosen und er mag sich von der Aussage einen Vorteil erhofft haben. Dass muss vom Gericht alles berücksichtigt werden, aber es ist eben nicht so einfach wie Du es auf doch sehr naive Art darstellst, dass das Gericht dann einfach sagen kann, dass seine Aussagen wahrscheinlich nicht stimmen.
Jemand der einmal als Kind oder Jugendlicher in einem anderen Verfahren gelogen hat, weil vom eigenen Vater im Rosenkrieg mit der Mutter instrumentalisiert und missbraucht wurde, kann in einer anderen Situation und zu einem anderen Zeitpunkt natürlich trotzdem die Wahrheit sagen. Die ganz weit überwiegende Zahl von psychiatrischen Erkrankungen geht nicht mit chronischem Lügen einher und führt auch nicht zu Störungen der Wahrnehmungs- oder Gedächtnisleistung. Und jemand der sich von einer Aussage einen Vorteil erhofft, sagt vielleicht gerade die Wahrheit, weil er davon ausgehen müsste, dass der erhoffte Vorteil ins genaue Gegenteil umschlagen könnte, wenn er dabei erwischt wird, dass er lügt.
Das Gericht hat sehr genau jede einzelne seiner Angaben auf Glaubwürdigkeit überprüft, in dem es gefragt hat, ob es darin Widersprüche zu Ermittlungsergebnissen gibt, ob M diese Info auch woanders als von S. gehabt haben kann und in dem M. seine Aussage mehrmals wiederholen musste (deshalb wurde ja das Video aufgezeichnet).
Wenn das Gericht danach eben zu dem Schluss kommt, dass M. Aussagen glaubwürdig sind, dann muss es sie auch bei der Urteilsfindung berücksichtigen.