Hanna W. tot aus der Prien geborgen
03.11.2023 um 15:12
Also heute lief so weit alles glatt. Ich war schon fünfzehn Minuten vor Öffnung am Gerichtsgebäude und dachte, ich traue meinen Augen nicht. Die standen schon Schlange. Am Eingang war es selbst die ersten zwei Tage, immer ganz gemütlich. Als um 8 Uhr aufgemacht wurde, sind sie dann von zwei Eingängen reingelaufen und bei der Sicherheitskontrolle fast kollidiert. Vielleicht ein bisschen zu übermütig, außerdem machen sie sich das Problem gegenseitig. Würde jeder später kommen, wäre es für alle entspannt, denn in den Saal, kommt man eh ewig nicht. Aber will heißen, Interesse hat nicht abgenommen.
Dann betrat die Kammer den Raum. Die Vorsitzende berichtet von einem gestrigen Rechtsgespräch. Es ging darum, dass die Verteidigung die Akten vom AG Laufen einführen will, wo gegen die Mutter des Mithäftlings verhandelt wurde, um dessen Glaubwürdigkeit zu überprüfen. Die Staatsanwaltschaft war gestern dagegen, da es sich um private Sachen einer fremden Person handelt. Wie ich es verstanden habe, wurde es erstmal zurückgestellt. Auf jeden Fall, wurde nicht mehr viel dazu gesagt.
Nun sollte die Technik für die Zeugenvernehmung getestet werden und jeder Beteiligte an eine Justizbeamtin, die im Verhörzimmer saß, eine triviale Frage stellen. Was zu recht heiterer und gelassener Stimmung führte. Auch der Angeklagte wurde gebeten eine Frage zu stellen. Erst zuckte er leicht zögerlich mit den Achseln, als würde er sich bloß scheuen, eine Frage auszudenken. Aber als die Richterin meinte er solle halt dann „Hallo“ sagen, ging der Anwalt dazwischen und meinte, sie würden ohnehin für ihn die Fragen stellen. Beziehungsweise würde über sie gehen. Wäre sonst vllt für einen Mordprozess irgendwie ein bisschen bizarr gewesen, wenn er, zusammen mit der mütterlichen Aufforderung, eingestiegen wäre. Hätte mich an früher in der Schule erinnert. Wenn man beschämt nachgibt.
Es folgten erstmal 30 Min Unterbrechung. Die Zeugin und Schulfreundin, hat ihre Notizen vergessen und wurde nochmal nach Hause geschickt.
Aber es konnte dann losgehen. Ich dachte mir schon, wenn das technisch glatt läuft, fresse ich ein Besen. Es war auch gerade am Anfang recht holprig, da sich beide Seiten oft nicht verstanden haben und zwischendrin von der Zeugin nur Wortfetzen verstehen zu waren, aber irgendwann ging es. Die Freundin wurde aufgefordert erstmal frei zu erzählen, was sie vom 2,3 und 4.10 noch weiß. Sie entgegnete sie kann was über den 3. und 4. sagen.
Sie schilderte, dass sie sich mit dem Angeklagten, am 3.10 am Parkplatz zum Spaziergang getroffen hat und es schon gedämmert habe. Die Freundin berichtete , dass er mit einem Hoodie und Kapuze auf, auf sie zugekommen ist. Sie schilderte energisch, dass das was absolut neues war, da sie ihn seit der 5. Klasse kennt und sowas noch nie vorgekommen ist. Der Angeklagte sagte wohl sehr zügig, dass in Aschau eine Frau umgebracht wurde. Die Zeugin sagte, dass sie das nicht geglaubt und ins lächerliche gezogen hat. Im selben Atemzug meinte sie, dass sie aber beim Spaziergang Angst hat, da ein Mörder frei rumläuft, weil sie ein ängstlicher Mensch sei.
Sie erzählte von ihrer Angst, woraufhin T. eine Art Klappmesser rausgeholt habe und ihr an den Hals hielt. Sie missbilligte sein Verhalten deutlich. Daraufhin seien sie weiter zu einer Bank spaziert, wo es ihr gefallen habe. Daraufhin hat der Angeklagte auf ihre Bitte hin Fotos von ihr gemacht. Das führten sie in einem Art Auto für Kinder und Touristen, das dort rumstand weiter.
Sie führte dann aus, dass sie auch noch an einem Geschäft vorbeigekommen sind, wo ihr ein Dirndl gefallen habe, was aber nicht ihrem derzeitigen Budget entspricht, woraufhin der Angeklagte sie zum weitergehen aufforderte.
Der Angeklagte wollte dann mit ihr zu einem Bauernhaus oder Panoramahütte gehen, wo man über Aschau blicken kann, es sie aber auch geängstigt hat, da sie es normalerweise hasst Wandern zu gehen, sie ließ sich aber von T. überreden. Dort hörte sie ein Geräusch was sie an ein Wildtier erinnert und auch stark ängstigte, das führte sie ausführlich aus.
Es beschäftigte sie immer noch sehr, warum der Angeklagte, der sonst nie Witze über Schlägereien oder Morde macht und dafür viel zu ein guter Mensch sei, plötzlich so daherredet, gerade weil auch noch ein junges Mädel betroffen ist.
Sie berichtete auch von einem Ablauf. Es war für mich zu verwirrend, ob sie nun vom 3. oder 4. redetet, dass man zusammen zu McDonald’s nach Prien gefahren ist. Es muss aber wohl der 3. vor dem Spaziergang gewesen sein, weil ihr später vorgehalten wurde, dass sie mit dem Treffen am Parkplatz eingesetzt hat. Wobei das auch irgendwie ja nicht passt, wenn man schon unterwegs ist, er am Parkplatz antrabt. Was sie heute überhaupt nicht mehr weiß, dass sie bei der Polizei gesagt hat, sie waren bei McDonald’s in Prien und haben Tischtennis gespielt. Gleichzeitig wusste sie aber, dass sie erst zum Burger King wollten, aber dann Lust auf McDonald’s hatten und den es nicht in Übersee, sondern nur in Prien gibt.
Am 5.10 hat sie zufällig auf TikTok ein Bericht über die Tote entdeckt. Dieses schickte sie sofort Sebastian, der aber nicht mehr wirklich drauf einging.
Auch erzählte sie zwischendrin, dass sie mit ihrer Schwester, dem Angeklagten und dem Freund der Schwester am Tegernsee auf einen Berg gefahren sind und danach in Rottach-Egern im McDonald’s eingekehrt sind, wo davon die Rede war, dass der Angeklagte ein Schaden am Auto hat. Da war der Tag absolut zu verwirrend für mich, aber auf jeden Fall nach dem Todestag. Generell merkte sie an, dass der Angeklagte nach der Tat meistens das Auto seiner Mutter benutzte und nicht seines. Auch erzählte sie ausschweifend, dass der Angeklagte ein „Raser“ sei, in Kurven überholt und lange für seinen Führerschein gebraucht hat.
Dann ging es über zu einer Party, wo er von sich erzählte, dass er sich jetzt bei der Polizei gemeldet hat und Zeuge im Eiskeller-Fall ist. Worauf die Mutter, direkt entgegnete, dass er sich einen Anwalt nehmen soll. Woraufhin er sich zurückgelehnt habe und gesagt hat „Mei, ja gut, dann war ich es halt!“ Dies imitierte sie anschaulich, aber eher in einem saloppen und witzigen Unterton. Sie war aber sehr betroffen, warum er so redet.
Generell meinte sie, sei T. ständig bei ihnen gewesen, als wolle er sich „verstecken.“ Beziehungsweise sie hat es direkt so bezeichnet, dass er sich bei ihnen versteckt habe. Woraufhin der Angeklagte leicht lachte. Hat eher nicht zustimmend gewirkt.
Am Tag vor der Festnahme, haben sie wieder gefeiert und Pfeffi eingekauft, was der Angeklagte gern trinkt. Er habe es wohl aus großen Coca-Cola Werbegläsern getrunken und sei sich erbrechen gegangen. Woraufhin sie an die Badezimmertür klopfte und er sich lange nicht rührte und sie überlegte einen Sanka zu holen. Auch das schilderte sie wieder detailreich. Sie seien dann alle schlafen gegangen und weil T. in diesem Zustand war, habe sie ein Kübel ans Bett gestellt. Auch dass sie sich wegdrehte die ganze Zeit, wohl aus Angst vor neuem Erbrechen, so habe ich es verstanden, wusste sie noch sehr gut.
Am nächsten Tag erzählte ihr der Kumpel der mit ihm in einem Auto danach heimfuhr, dass T. sehr angespannt war und entgegen sonstiger Gewohnheit, keine Musik hörte. Sie wollte ihm dann schreiben, die wa ging aber schon nicht mehr durch.
Es ging dann natürlich wieder drum, ob es wirklich der 3. 10. war, wo er von dem Mord berichtete. Erst glaube ich, konnte sie wieder doch nicht genau sagen, ob es der 3 oder 4. war. Sie legte sich dann aber sicher auf den 3. fest, weil es der Feiertag war und sie sich sonst aufgrund von Berufsschulzeiten nicht hätte treffen können. Ihr fiel ein, dass der Angeklagte sie eigentlich schon am Tag davor treffen wollte. Aber eben aufgrund von Terminen wurde es der 3.
Sie wurde auch gefragt, ob er da schon von „Hanna“ gesprochen hat. Sie war sich aber heute sicher, dass er nur von „einer Frau“ gesprochen hat. Weiter wollte die Richterin wissen, ob das Wort „Missbrauch“ fiel, dass verneinte sie.
Generell meinte sie auf Nachfrage, ob sie bei der Polizei unter- oder übertrieben hat, ihn in Schutz nehmen wollte oder reinreiten wollte, dass sie heute das absolut Richtige sagt, weil sie sich im Rahmen ihrer „Hausaufgaben“ erinnert hat.
Es wurden im Anschluss dringende Nachfragen gestattet. Wobei kaum ein Beteiligter eine hatte. Die Verteidigung meinte, dass man heute abbrechen könnte, da sie an einer Konfliktbefragung nicht vorbeikommen und einen sehr umfangreichen Fragenkatalog haben.
Daraufhin wurde die Zeugin für heute unvereidigt entlassen.
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Die Vorsitzende richtete das Wort an den Angeklagten und meinte es sei jetzt wirklich die letzte Chance und Möglichkeit. Er soll sich überlegen, ob er es der Freundin vllt ersparen will, dass sie durch den Fleischwolf gedreht wird. Sie betont das so oft, da er noch so jung sei und noch nie vor Gericht war. Wenn man mal was schlimmes anstellt, muss man auch manchmal dazu stehen. Außerdem ist die Bandbreite riesig. Vom kaltblütigen Mord bis zu einer Verzweiflungstat. Wenn aber nichts gemacht wurde, was genauso sein kann, dann natürlich nicht. Generell ist es so, dass sie die Widersprüche der Zeugin erkennt, es aber nicht zwingend sein muss, dass die Aussage im Gesamten zum Schluss trotzdem für glaubwürdig gehalten wird. Sie ist sich auch nicht sicher, ob die Zeugin von ihren psychischen Fähigkeiten in der Lage für so eine Befragung ist, das könne sie nicht beurteilen.
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Als Nächstes folgte eine mittelalte Dame, die auf dem Zeugenstuhl Platz genommen hat. Vor dem Angeklagten war eine Tafel als Sichtschutz aufgebaut.
Es handelt sich um die Mutter einer Bekanntschaft des Angeklagten aus einem Pfadfinderlager. Für sie war eigentlich auch der Schutz aufgebaut, da sie Angst hat.
Die Mutter erzählt, dass ihre Tochter den Angeklagten im besagten Pfadfinderlager kennengelernt hat, sie daraufhin wohl nur lose über Chats in Kontakt waren, aber im Herbst 22, genaues Datum konnte sie nicht mehr rekonstruieren, sich bei ihnen zu Besuch ankündigte. Die Zeugen leben im Schwarzwald. Der Angeklagte kam nicht wie gedacht gegen Mittag, sondern erst gegen Abend, da er wohl den Weg unterschätzt hatte.
Sie haben nett zu Abend gegessen und ihm ein Bett im Gästezimmer hergerichtet. Die Zeugin konnte aber nicht sicher sagen, ob er das genutzt hat, oder im Auto geschlafen hat. Am nächsten Tag zeigte ihm die Tochter ihre ehemalige Schule und sie gingen Eis essen. Ihr ist aufgefallen, dass die Tochter danach plötzlich ihre Ruhe wollte und sich auf die Couch gelegt hat. So hat sie sich mit ihm länger im Garten unterhalten. Das Gespräch war angenehm, sie ist aber der Meinung, dass er wohl in einer Gruppe sich eher nicht in den Mittelpunkt stellt, das passt aber, da ihre Tochter genauso ist. Weiter fand sie komisch, dass sich die Tochter n KC hat wie abgemacht, von ihm in die nächste Stadt fahren lassen wollte um eine Freundin zu treffen.
Zum Schluss fragte der Nebenklagevertreter, ob sie weiß, warum ihre Tochter so Angst hat, dem Angeklagten zu begegnen. Sie meint, dass liegt eher an der Psyche ihrer Tochter, als an der Sache.
Nun war die Tochter an der Reihe. Die Mutter durfte für ihre Vernehmung neben ihr sitzen bleiben. Jedoch stimmte die Tochter doch zu, es ohne Sichtschutz zu versuchen.
Sie erzählte mit zaghafter Stimme, dass sie den Angeklagten am letzten Tag des Feriencamps beim Karten spielen kennengelernt hat und sie Nummern getauscht haben. Im Herbst 22 verabredeten sie, dass er sie besuchen kommt. Auch sie berichtete vom Anschauen der Schule und dem Eis essen.
Sie wurde bald damit konfrontiert, da sie ja dann sehr auf Distanz gegangen ist. Sie meinte sie hat ihre Ruhe gebraucht. Dass sie sich nicht mehr von ihm fahren lassen wollte, erklärte sie mit einem undefinierbaren unguten Gefühl. Da wurde weitergebohrt, aber sie konnte es nicht näher beschreiben. Als sie gefragt wurde, ob sie den Angeklagten vllt unsympathisch fand oder er nicht ihr Typ war, meinte sie das könne sie so nicht sagen.
Dann wurde sie direkt gefragt, ob der Angeklagte sie vllt angefasst hat oder was blödes gesagt hat. Das verneinte sie. Worauf die Beisitzerin nachbohrte, dass das ja schon ungewöhnlich ist wenn ein junger Mann 500 km fährt, man aber doch dann einfach so nicht mehr mit ihm auseinandersetzt. Sie meinte, sie kann nicht sagen warum, das hätte sie auch schon bei der Polizei gesagt.
Der Staatsanwalt fragte daraufhin schärfer nach, dass sie es ruhig sagen kann, wenn irgendwas passiert ist. Sie meinte es sei wirklich nichts passiert. Dabei wirkte sie eigentlich sehr klar und bestimmend. Auch davor schon. Deshalb fand ich die Aussage vom Staatsanwalt, wenn auch ruhig gestellt, für meinen persönlichen Geschmack, etwas zu auffordernd. Gerade bei jungen und unsicheren Menschen.
Auch der Verteidiger fragte, ob er ihr vllt unsympathisch oder nicht ihr Typ war. Sie meinte aber sie kann das Gefühl nicht beschreiben.
Sie wurde darum gebeten, doch kurz den Angeklagten anzuschauen, ob er es denn ist. Sie schüttelte den Kopf. Die Richterin fragte warum sie so Angst hat. Sie sagt, sie kann das selbst nicht sagen, sie hat manchmal einfach Angst ohne sagen zu können, warum dem so ist. Sie überwand sich dann kurz.
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Als letztes wurde eine ehemalige Klassenkameradin einer Schwester von T. vernommen. Sie wurde nach dem Schulabschluss von der Schwester angeschrieben, da diese von zuhause ausziehen will, weil die Familienverhältnisse nicht so ideal in ihren Augen sind und die Familie aber nach außen hin sehr glücklich wirken will. Da die Zeugin das Gleiche kennt und so gehandhabt hat, wollte die Schwester wohl Hilfe oder Infos. Auch erzählte sie, dass ihr Bruder wohl nicht sehr nett und manchmal aggressiv zu ihr sei, die Zeugin maß dem aber keine große Bedeutung bei. Sie waren aber nie eng befreundet und der Kontakt riss ab. Erst nach der Verhaftung hat die Zeugin die Schwester nochmal angeschrieben und hat nachgefragt und ihr das Reden angeboten, falls sie das Bedürfnis hat. Der Kontakt riss dann aber wieder schnell ab.
So weit zu heute. :)