Tiergarten schrieb:Wie genau man räumliche und zeitliche Nähe definieren und eingrenzen kann, mag ja diskutabel sein - zumal dann, wenn wie in diesem Fall ein Tatortzeuge oder ein Fotonachweis von der Anwesenheit des Angeklagten am Ort des Geschehens fehlt.
Ich bin gespannt, wie dies das Gericht entscheidet.
Lento schrieb:Und, das ist und bleibt ein Problem, es ist und bleibt eine Spekulation.
Was konkret bleibt in Deinen Augen denn eine Spekulation?
Lento schrieb:Das sieht mir nicht danach aus, dass die StA da wirklich die Nähe zum Tatort wirklich ausreichend belegen konnte. Auch die vom Angeklagten eingeräumte Route ist da kein Thema im Plädoyer der StA. Das ist ja hier auch das Problem der letzten Seiten, in Wirklichkeit hat das Plädoyer keine Klarheiten gebracht. Den Phantomzeuge gibt es offenbar nicht, welches Routenstück der Angeklagte wirklich korrigiert hat, auch darüber wird nicht gesprochen.
Sorry, aber Du verwechselst hier leider Deine Situation mit der der Prozessbeteiligten.
Im Laufe des Verfahrens wurden z.B. Karten gezeigt, auf denen für alle Prozessbeteiligten ganz genau nachvollziehbar war, welches Routenstück der Angeklagte im Vergleich zur ersten Vernehmung korrigiert hat. Das Thema ist unter den Beteiligten also unstrittig, denn dazu gibt es die Vernehmungsprotokolle und die Zeichnungen des Angeklagten.
Wenn er sich jetzt im Nachhinein anders erinnert hätte, oder gemerkt hätte, dass er sich damals durch die Angabe eine "geflunkerten" Route in Schwierigkeiten, sprich Tatverdacht, gebracht hat, dann hätte er das im Prozess jederzeit durch eine Aussage - auch eine durch seine Verteidiger verlesene - widerrufen können und müssen.
Da er das aber nicht getan hat, kann der StA das erst mal so annehmen, dass das die Strecke war, die er in der Nacht gelaufen ist. Es wär juristisch schöner und formvollendeter, weitere Zeugen oder Fotos zu haben, die das bestätigen, denn auch Geständnisse oder Zeugenaussagen können ja falsch sein. Aber brauchen tut der StA die nicht wirklich, um überzeugend darzustellen, dass sich der Angeklagte in der Nacht zu einem bestimmten Zeitpunkt, der sich ja durch Zeugensichtungen und Kameraaufnahmen auf dem Rest der Laufroute gut rekonstruieren lässt, dass der Angeklagte zur Tatzeit in umittelbarer Nähe des Tatortes war.
Und weil die "eingeräumte Route" unter den Prozessbeteiligten zum einen bekannt und zum anderen auch unstrittig ist, braucht der Staatsanwalt sie auch nicht lang und breit als Thema in seinem Plädoyer ausbreiten, erklären, begründen, wie er zu dem Schluss gekommen ist, S.T. sei so und nicht anders gelaufen.
Insofern hast Du recht: für uns hat das Plädoyer keine Klarheiten gebracht. Aber Adressat dieser Rede ist auch nicht die allgemeine Öffentlichkeit, die irgendwo im ganzen Land gespannt an ihren Monitoren sitzt, an keinem einzigen Tag selbst im Gericht war und händeringend versucht, sich aus Presseschnipseln ein Bild vom Tatgeschehen und der Beweislage zu machen; sondern die Richter, die der StA mit seinen Argumenten überzeugen muss und auch die Verteidigung, der er möglichst starke Argumente vor die Füße werfen muss, damit es für sie möglichst schwer ist, diese argumentativ zu entkräften.
Lento schrieb:Wir müssen ja hier über die Gedanken des StA nach wie vor rätseln und wenn ein Umweg nötig ist, für denen es jedoch keinen einzigen Zeugen gibt, dann hat das ganze Verfahren nicht in der geringsten Weise eine Aufklärung bzgl. des sogenannten "schwierigste" Thema gebracht. Es ist und bleibt eine Spekulation. Das der Angeklagte dort in der Nähe war, ist nie ein Geheimnis gewesen, ungeklärt ist geblieben, ob er überhaupt in Richtung Tatort gelaufen ist.
Wie gesagt, S.T. dürfte hier der beste Zeuge seiner eigenen Route sein: er weiß von allen Personen auf dieser Welt am besten, wo er lang gelaufen ist und er hat - soweit für uns erkennbar - auch kein Motiv, sich selbst unnötig und falsch zu belasten.
Wenn er in einer späteren Vernehmung (die es ja nicht gegeben hat, weil er ab der Verhaftung mit den Ermittlern nicht mehr gesprochen hat) oder im Prozess keine andere Route mehr genannt und die damals gemachten Angaben auch nicht widerrufen hat, dann kann man erst mal annehmen, dass er damals die Wahrheit gesagt hat.