Hanna W. tot aus der Prien geborgen
09.03.2024 um 19:36Schneewi77chen schrieb:Ich habe diese Frage gestern bereits gestellt, muss sie aber nochmal anbringen, weil es mich nach wie vor verwundert: ist es normal, dass Staatsanwaltschaft (und hier auch die Nebenklage) Erkenntnisse aus dem Prozess im Plädoyer dann trotzdem so verzerrt darstellen?Jede Seite stellt das so dar, wie sie es verstanden und bewertet hat bzw. wie sie es durch das Gericht verstanden und bewertet haben möchte.
Es geht ja darum, die Richter von seiner Auffassung zu überzeugen. Theoretisch kann der Staatsanwalt (oder auch die Verteidigung oder der Nebenklageverteter) auch erklären, es sei erwiesen, dass ein Ufo mit Außerirdischen gelandet wäre, die die Studentin in den Fluss geschlagen und geworfen hätten.
Ob es damit gelingen würde, einen der Richter zu überzeugen, steht dann eben auf einem anderen Blatt.
Die Richter waren ja auch die ganze Zeit im Prozess anwesend und wissen genauso gut, was wie besprochen wurde, wer was gesagt hat und wie ihr Eindruck in dem Moment war.
Es ist z.B. doch ganz normal, dass die Richterin nach der Aussage von M. einen Eindruck und eine Meinung hat, ob sie diese Aussage glaubwürdig findet oder nicht. Das hat mit Voreingenommenheit nichts zu tun, solange sie offen bleibt, diese Meinung zu ändern, wenn sich im Laufe des Prozesses weitere Informationen dazu ergeben, die das widerlegen oder dem zumindest widersprechen.
Insofern kann jede Seite natürlich im Plädoyer übertreiben, untertreiben, eigene Deutungen und Interpretationen einbringen. Es ist halt immer einer Frage, was sie damit an Überzeugung erreicht.
Jemand, der nur übertreibt, krude Zusammenhänge konstruiert und Dinge aus dem Ärmel zieht, die im Prozess gar nicht vorkamen, wird damit eben auch keinen Richter überzeugen. Hinzu kommt, dass das ein schmaler Grad ist, denn solche unglaubwürdigen Details färben ihre Unglaubwürdigkeit halt leicht auch auf andere, durchaus belegbare Sachverhalte ab.
fassbinder1925 schrieb:Holderle hat eine Ahnung. Hat seine Fahrt in den Wald dazu gedient, etwas verschwinden zu lassen? Es würde passen, denn der Angeklagte ist „durchaus ein Stratege.“ auch wenn er sich „zurückhaltend und etwas zurückgesetzt“ gibt. Das beweisen Aussagen von Mithäftlingen, dass er im Gefängnis Schach spielt.
Schneewi77chen schrieb:Puh, diese Schlussfolgerung finde ich schon sehr heftig. Auf der einen Seite wollte das Gericht darauf hinaus, die Intelligenzminderung von der Hausärztin in aller Öffentlichkeit bestätigt zu haben, und nun ist er plötzlich ein Stratege?
Und das alles weil er gerne und gut Schach spielt?
fassbinder1925 schrieb:Die Begründung ist schon fast unabhängig von irgendeiner Intelligenz lustig in dem Zusammenhang.Ich finde das überhaupt keinen Widerspruch, dass jemand intelligenzgemindert und trotzdem eine planende Person ist. Planend zu handeln ist doch eher eine Einstellung, also überlegt man sich vorher, was man wieso und wann tun will?
Wenn jemand, der nicht die hellste Kerze auf dem Kuchen ist plant, kommen halt keine besonders intelligenten Pläne dabei raus. Trotzdem kann er doch planend vorgehen.
Und so abwegig finde ich die Begründung mit dem Schach jetzt auch nicht. Bei dem Spiel geht es ja durchaus darum, sich im Voraus zu überlegen, welche Züge der Gegner als Reaktion auf den nächsten eigenen Zug machen könnte, wie man dann darauf reagieren will und kann und was das dann wiederum für die Position des Gegners bedeutet.