Palio schrieb:Neutral kann er als Schuldiger bezüglich der Hintergründe gar nicht sein, denn die Anrufe haben ja mit der Tat zu tun.
Ich meinte damit eigentlich, wenn
ich neutral bin bezüglich dessen, was MG beabsichtigt haben könnte. So wie ich es formuliert habe, war es zugegeben aber erkenntnistheoretisch ziemlich leer. Daher will ich es konkreter versuchen: Stellen wir uns mal vor, dass diese Anrufe tatsächlich ein abgebrochener Hilferuf gewesen sind und er behauptet hätte, dass er diese Anrufe nicht getätigt hat. Das wäre vermutlich gut gegangen, aber es hätte auch voll nach hinten losgehen können. Stellen wir uns mal vor, er wusste noch ungefähr wann die Anrufe getätigt wurden und behauptet daher, er habe gegen 14:45 Uhr die Wohnung verlassen. Wenn ihn aber jemand um 15:05 oder so in der Nähe der Wohnung oder in der Tiefgarage gesehen hätte, dann hätte er ein Problem gehabt. Denn für die Polizei sähe es dann so aus, dass er noch bis ca. 15 Uhr in der Wohnung gewesen wäre. Er hätte dann also jedenfalls bezüglich des Zeitpunktes gelogen und er hätte erklären müssen, warum er (a) den Anruf durch LK nicht mitbekommen habe (wenn seine Behauptung stimmen würde), oder (b) warum er die Anrufe abgestritten hat.
Ergo: Dinge zu abzustreiten, die nicht unmittelbar stark belastend sind, geht mit einem Risiko einher. Seine Einlassung bezüglich der Anrufe finde ich zwar komisch, aber wären die anderen Indizien nicht da, hätte ihm niemand einen Strick daraus gedreht.
Deshalb stimme ich deiner Aussage
Palio schrieb:Daher wäre es in jedem Falle sinnvoll, sie abzustreiten.
jedenfalls nicht im Allgemeinen zu.
Palio schrieb:Vermutlich meinst du, dass er einmal überrascht gewesen sein könnte, mit den Anrufen konfrontiert zu werden und einmal vorbereitet war?
Das halte ich wiederum nicht für wahrscheinlich. Er war Beschuldigter und wusste, was er alles gemacht hat und was auf ihn zukommen würde. Wahrscheinlicher als spontanes Eingestehen nach einer Überraschung ist mMn. daher eine Zwangslage aus der Vernehmung heraus.
Ja, ich bin davon ausgegangen, dass er überraschend damit konfrontiert wurde. Wenn das aber Thema erst in den Beschuldigtenvernehmungen war, ist dein Einwand nicht unberechtigt. Gleichzeitig weiß ich nicht, was man als Beschuldigter in solchen Situationen für akut hält und was nicht. Es gab ja noch andere Baustellen, zum Beispiel: Fehlende 54.500 Euro, Pelzmäntel, Schlüssel,...
Palio schrieb:Deine Kritik greift nur, wenn Du von einem perfekt planenden und vorausschauenden, stringent handelnden MG ausgehst. Den habe ich dir aber gar nicht vorgesetzt, den hast du erst daraus gemacht. Mein täuschender Täter hatte nur eine grobe Idee von seiner Inszenierung und diese nicht perfekt durchdacht und ausgeführt.
In dem Fall kann ich deine Theorie nicht widerlegen, weil sie nicht widerlegbar ist. Damit kann man alles und nichts erklären.
Palio schrieb:Wenn er aber anrief, wegen der Kurzfristigkeit gar nichts hören konnte und trotzdem auflegte - warum tat er das, wenn er einen Gesprächswillen hatte? Weshalb wartete er nichtmal eine Sekunde ab? Kann man schlecht erklären und hat er auch nicht erklären können.
Ich sehe hier kein Problem mit dem vom Gericht angenommenen Ablauf. Er wollte zunächst Hilfe rufen und hat aus Angst vor Konsequenzen sofort aufgelegt, mit sich gehadert, nochmal angerufen und wieder aufgelegt. Das Problem beginnt nur mit seinem Erklärungsversuch...
Palio schrieb:Bei der Hilferuf-Version im Urteil hatte er Gesprächswillen, dann wieder nicht, dann wieder doch, dann wieder nicht. Ist möglich, aber warum hat er nicht den Notruf gewählt?
Diese Frage stellt sich in deiner Version mindestens genauso, denn wenn man einen Hilferuf seitens LK fingieren will, würde man erst recht den Notruf wählen und nicht die Hausarztnummer. Aber ich weiß, wenn man annimmt, dass MG nicht optimal handelt, kann man wieder alles erklären...
Ich finde unter dem Strich eben deine Version des Ablaufs nicht naheliegend. Zwar würde deine Version mehr Zeit für die Tatausführung ermöglichen (was ja vermutlich Anlass für dich war, alternative Tathergänge zu erörtern), aber da gibt es auch andere Varianten: zum Beispiel könnte er bereits vor den Anrufen fest entschlossen gewesen sein, LK zu töten und hat das Wasser bereits eingelassen und LK ins Bad verbracht (wenn das überhaupt nötig war, denn die Körperverletzung könnte genauso gut im Bad stattgefunden haben, schließlich sei sie ja dort "gegen irgendwas gerumpelt"). Dann, kurz bevor er sie ertränken wollte, packte ihn das schlechte Gewissen und tätigte die Anrufe, um vielleicht doch noch Hilfe zu holen. Mehr noch, während sie in der Badewanne liegt, hätte er Rollos runtermachen, Licht anmachen und Schuhe sowie Gehstock entsprechend hinlegen können (obwohl wenigstens die Schuhe hingeworfen aussahen). Diese Version spart ein paar Minuten Zeit ein, ohne zehnfach um Ecken zu denken, die mir nicht plausibel erscheinen.
Ich betone aber nochmal: ich bin von keiner Version besonders überzeugt und bin froh, dass sich ein Gericht nochmal damit auseinandersetzen wird.