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Badewannenunfall von Rottach-Egern

7.712 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, 2008, Badewanne ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Badewannenunfall von Rottach-Egern

Badewannenunfall von Rottach-Egern

08.12.2020 um 19:57
Zitat von AndanteAndante schrieb:Bei der kürzlichen Amokfahrt von Trier wird man mit täterbezogenen Mordmerkmalen wie niedrigen Beweggründen möglicherweise nicht weiterkommen, wenn der Beschuldigte sich zu seinen Motiven nicht äußert.
Nachdem man auch in anderen Fällen von objektiven Tatumständen auf subjektive Tatelemente schlussfolgert, würde ich das nicht ausschließen wollen. Von "er steuerte auf so viele Menschen wie möglich zu" und "bei seiner Festnahme zeigte sich der Täter scheinbar zufrieden mit seiner Fahrt" über "er wollte so viele Menschen wie möglich verletzen und töten" ist es nicht weit zu einem niedrigen Beweggrund.

Zudem: Wenn ein Auto ein allgemeingefährliches Mittel ist, dann hier.
Zitat von PalioPalio schrieb:Nun habt ihr über diese Fälle zu entscheiden
Es ist nicht seriös, hier irgendwelche Zahlen in die Luft zu werfen, zumal ich nicht alle Fälle kenne. § 212 bietet einen Strafrahmen von 5 Jahren bis lebenslänglich (besonders schwerer Fall).

http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__212.html

In der Tendenz: Wenn Genditzki getötet hat, weil er eine Körperverletzung verdecken wollte, würde ich den Amokfahrer schwerer bestrafen, in der Tendenz halte ich lebenslänglich für angemessen (die "besondere Schwere der Schuld" lasse ich offen). Aber das ist rein persönlich und ohne Prüfung der Strafzumessungskriterien.


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Badewannenunfall von Rottach-Egern

08.12.2020 um 22:22
Zitat von PalioPalio schrieb:Der Amokfahrer ist in Bezug auf verwerfliche Motivation, kriminelle Energie und Gefährlichkeit noch eine andere Nummer.
Natürlich, jeder Fall ist anders, vergleichen läßt sich das kaum. Es ging, so habe ich es jedenfalls verstanden, ja auch grundsätzlich um Mordmerkmale. Die dürften aber oft nicht das eigentliche Problem sein, sondern eben die Tatsache, dass der Gesetzgeber bei Mord zwingend lebenslängliche Freiheitsstrafe vorsieht, ohne dass das Gericht eine Milderungsmöglichkeit hat (Suchtproblematik und Tatbegehung unter Rauschmitteln jetzt mal außen vor gelassen), was viele für unangemessen halten. Ohne diese Strafandrohung würden die Mordmerkmale, so wie sie derzeit kodifiziert sind, weit eher geschluckt werden. Aber da ist eben der Gesetzgeber gefragt.
Zitat von PalioPalio schrieb:Stellt auch vor, die Mordmerkmale im Strafrecht wären abgeschafft.

Nun habt ihr über diese Fälle zu entscheiden: Genditzki, der Gartenscherentäter, der Todeskampf-Filmer und der Amokfahrer - Welches Strafmaß würdet ihr jeweils festsetzen, (vorausgesetzt ihr seid überzeugt, dass die Angeklagten das, was ihnen vorgeworfen wird, auch getan haben)?
Du meinst, es gäbe nur noch den Totschlagsparagraphen 212 StGB, und die Verwerflichkeit oder Tat bzw. schulderschwerende Gründe wie besondere Grausamkeit etc., also quasi das, was heute Mordmerkmale sind, würde allein bei der Frage der Höhe der Strafe, also der Strafzumessung, geprüft? Kann man ja machen, aber eine Mindestfestlegung durch den Gesetzgeber, wieviel es mindestens und wieviel es maximal an Strafe für die Tötung eines Menschen unter besonderer Berücksichtigung der Umstände, unter denen die Tötung erfolgte, geben soll, sollte schon sein. Ich halte nicht viel von einer allzu weiten Ausdehnung von Richterrecht. Richter sind nicht vom Volk gewählt, und die Gesetzgebung sollten wir schon den vom Volk gewählten Leuten überlassen.

Was deine Frage betrifft: tendenziell würde ich, da ganz dem Bundesverfassungsgericht folgend, Genditzki härter bestrafen als den Gartenscherentäter, weil Genditzki getötet hat, um eine vergleichsweise geringfügige Straftat, nämliche eine einfache (und nicht etwa schwere oder gefährliche) Körperverletzung zu verdecken, unter diesem Aspekt also ein erhebliches Missverhältnis zwischen Motiv und Tötung besteht.

Das lässt sich so einfach beim Gartenscherentäter nicht sagen. Wut ist natürlich auch ein verachtenswerter Anlass für die Tötung eines anderen Menschen. Wenn es eine Wut von der Art war, wie sie der des Mordes Angeklagte Stephan E. im Fall des Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Lübcke schildert, ist das ggf. anders zu bewerten als die Wut eines Ehemannes, der feststellt, dass seine Frau ihn betrügt und daraufhin - nicht im Affekt, sondern nach einiger Überlegung - Ehefrau oder Nebenbuhler umbringt.

Den Amokfahrer von Trier würde ich, Schuldfähigkeit vorausgesetzt, wiederum härter bestrafen als Genditzki. Wie @monstra halte ich nach dem, was bisher bekannt ist, lebenslänglich für angemessen. Hätte er allerdings nur eine einzige Person getötet und wäre dann gleich gefasst worden, müsste man - ganz vielleicht - noch einmal nachdenken und käme dann - vielleicht - auf den Gartenscherenfall zurück.

Aber das sind unvollständige Gedankenspiele. Vollständig würden sie, wie @monstra ebenfalls schon angemerkt hat,
in jedem Einzelfall erst mit den gesetzlich festgelegten und vom Gericht zwingend zu berücksichtigenden Strafzumessungselementen des § 46 StGB.
§ 46
Grundsätze der Strafzumessung

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende,

die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,

das Maß der Pflichtwidrigkeit,

die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,

das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie

sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.



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09.12.2020 um 08:41
Zitat von AndanteAndante schrieb:weil Genditzki getötet hat, um eine vergleichsweise geringfügige Straftat, nämliche eine einfache (und nicht etwa schwere oder gefährliche) Körperverletzung zu verdecken, unter diesem Aspekt also ein erhebliches Missverhältnis zwischen Motiv und Tötung besteht.

Das ist der springende Punkt. Der Wille, sich vor Belastung zu schützen, scheint ihn bei allen Handlungen (auch beim Nachtatverhalten) gesteuert zu haben, was ihm nach dem Verdeckungsaspekt als Mordmerkmal besonders negativ ausgelegt wird.

Das empfinde ich in diesem Fall als nicht angemessen im Vergleich zu viel brutaleren Tätern, die vorrangig den Wunsch haben, einen anderen Menschen (oder mehrere) zu töten, bei denen dieses "Missverhältnis" also gar nicht auftritt, weil sie von vornherein eine entsprechend niedrige Hemmschwelle zur Anwendung von Gewalt mit sich bringen.
Der Mann beispielsweise, der den Todeskampf seiner Frau eine halbe Stunde lang filmte, hat sich an ihrem Leid noch ergötzt, was ich besonders abscheulich finde.
Warum ist die Angst vor Strafverfolgung als Leitmotiv in jedem Fall verwerflicher und höher zu bestrafen als Aggression und Lust an Gewalt? Der aggressive Täter wird leichter wieder in diese Situation geraten als einer wie Genditzki, der ansonsten keiner Fliege etwas zuleide tut. Ich finde, da sollte es Differenzierungsmöglichkeiten geben.

Die Gesamtsituation ist hier außerdem auch interpretationsfähig: Wollte Genditzki ihr Leben retten, als er die Nummer vom Hausarzt wählte? Dachte er evtl. dann, sie sei bereits tot, weil sie nicht wieder zu sich kam, und wollte er evtl. letztlich nur die Umstände ihres Todes verschleiern? Man weiß nicht, was er dachte, geht aber trotzdem von einer Verdeckungstat aus und damit von Mord statt Totschlag.

In diesem Fall finde ich die Höherbestrafung unter Zugrundelegen von Mordmerkmalen schwierig, für mich ist das ein Grenzfall.

Die Anwältin geht übrigens von 22 Jahren Haft aus. Ist das realistisch?
Rick rechnet mit einer Strafdauer von insgesamt 22 Jahren, bevor Genditzki mit einem Straferlass auf Bewährung rechnen kann.
https://www.merkur.de/lokales/region-tegernsee/tegernsee-ort29547/gericht-schmettert-wiederaufnahme-ab-90124228.html


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09.12.2020 um 09:12
Zitat von PalioPalio schrieb:Warum ist die Angst vor Strafverfolgung als Leitmotiv in jedem Fall verwerflicher und höher zu bestrafen als Aggression und Lust an Gewalt?
Das ist eine, wie ich finde, zu wohlmeinende Interpretation. „Angst vor Strafverfolgung“ klingt zu verniedlichend und zu verständnisvoll, wie bei einem kleinen Kind, das etwas Harmloses angestellt hat und nun eine (ungerechte) Bestrafung fürchtet.

Das Mordmerkmal „Verdeckungstat“ heißt aber nicht „Angst vor Strafverfolgung durch böse Ermittler“, sondern es heißt, dass jemand eine STRAFTAT, also per se nicht etwas Harmloses, begangen, und, um sich der für diese Straftat vorgesehenen berechtigten (!) Sanktion zu entziehen, einen Menschen tötet. Er tötet nicht, weil er es muss, weil ihm sonst die Bluthunde von den Strafverfolgungsbehörden auf den Fersen sind und er keine Wahl hat. Nein, man muss schon ganz klar sehen, dass er tötet, weil er zuvor eine Straftat begangen hat, die Strafe dafür nicht auf sich nehmen will und daher den Menschen, der ihn in Gefahr bringen könnte, bestraft zu werden, ohne Wenn und Aber beseitigt. Das ist verwerflich, und wer das anders sieht, sollte seine Perspektive ändern.
Zitat von PalioPalio schrieb:Die Gesamtsituation ist hier außerdem auch interpretationsfähig: Wollte Genditzki ihr Leben retten, als er die Nummer vom Hausarzt wählte? Dachte er evtl. dann, sie sei bereits tot, weil sie nicht wieder zu sich kam, und wollte er evtl. letztlich nur die Umstände ihres Todes verschleiern? Man weiß nicht, was er dachte, geht aber trotzdem von einer Verdeckungstat aus und damit von Mord statt Totschlag.
Natürlich sind die Fragen berechtigt. Beantworten kann sie aber nur der Angeklagte. Da ist die Parallele zum Fall Böhringer, wo der Angeklagte Benedikt Toth auch geschwiegen hat, und wo auch der Staatsanwalt gesagt hat, dass man statt auf Mord auf Totschlag plädiert hätte, wenn der Angeklagte sich eingelassen und eine Situation geschildert hätte, die den Schluss auf Totschlag zuließ. Dasselbe bei Genditzki. Hätte er geredet, wäre ja durchaus eine andere strafrechtliche Bewertung möglich gewesen.


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09.12.2020 um 09:35
PS: Zur Verdeckungstat bei Genditzki: Da ging das Gericht ja von einer dem Ertränken vorangegangenen Körperverletzung aus, belegt durch die beim Opfer festgestelltenHutkrempenhämatome, die laut Gutachten nicht bei einem Sturz in die Wanne entstanden sein können, andererseits aber kurz vor dem Tod des Opfers entstanden sind. Irgendwo müssen die Hämatome also herkommen, sie sind ja nicht aus dem Nichts hergekommen. Natürlich kann nun das Opfer, dieser Riesenpechvogel, an dem Nachmittag zweimal gestürzt sein. Beim ersten Sturz zog es sich die Hämatome am Kopf zu, stand aber beherzt wieder auf, entschloss sich dann, Wäsche in der Wanne einzuweichen und stürzte dann in zweites Mal, diesmal in die Wanne. Das Gericht hat aus verschiedenen Gründen, die im Urteil nachzulesen sind, diese Pechvogelgeschichte nicht geglaubt, und der BGH hat in der Revision keinen Verstoß gegen Denkgesetze oder sonstiges im Urteil gefunden. Man muss dem allen nicht folgen. Man kann aber.


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09.12.2020 um 10:21
Noch mal zum Verdeckungsmord und warum man da nicht verniedlichend von „Angst vor Strafverfolgung“ reden sollte: Das Bundesverfassungsgericht hat ja nun deutlich herausgearbeitet, warum es hier gerade nicht um Selbstbegünstigung geht, die milder zu beurteilen sein könnte.
Zitat von AndanteAndante schrieb:, das Bundesverfassungsgericht zitierend:

Tötung, die eine andere Straftat verdecken soll, beruht auf einer Konfliktsituation des Täters. Eine mildere Beurteilung unter dem Ge- sichtspunkt der straffreien Selbstbegünstigung könnte hier naheliegen. Auf der anderen Seite ist jedoch zu bedenken, daß aus dem Verhalten des Täters nicht nur eine besonders niedrige Gesinnung erkennbar wird, son- dern auch eine hohe Gefährlichkeit. Die Tat wird dadurch charakterisiert, daß die Tötung eines Menschen als Mittel eingesetzt wird, die Aufklä- rung einer Straftat zu verhindern oder die Beute der Straftat zu erhalten, dh also zur Erreichung eines Zieles, das die Rechtsordnung an sich schon mißbilligt. Der Täter zeigt in einem solchen Verhalten eine besonders verwerfliche Gesinnung. Er schreckt nicht davor zurück, auch Menschen- leben zu opfern, sofern sie ihm bei der Durchsetzung seiner kriminellen Ziele im Wege stehen. Der mit der Tat verfolgte Zweck ist der Umstand, der die Tat von den üblichen Fällen des Totschlags abhebt und eine härtere Bestrafung nach der Mordvorschrift rechtfertigt.



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09.12.2020 um 10:38
Zitat von AndanteAndante schrieb:Das Mordmerkmal „Verdeckungstat“ heißt aber nicht „Angst vor Strafverfolgung durch böse Ermittler“, sondern es heißt, dass jemand eine STRAFTAT, also per se nicht etwas Harmloses, begangen, und, um sich der für diese Straftat vorgesehenen berechtigten (!) Sanktion zu entziehen, einen Menschen tötet. Er tötet nicht, weil er es muss, weil ihm sonst die Bluthunde von den Strafverfolgungsbehörden auf den Fersen sind und er keine Wahl hat. Nein, man muss schon ganz klar sehen, dass er tötet, weil er zuvor eine Straftat begangen hat, die Strafe dafür nicht auf sich nehmen will und daher den Menschen, der ihn in Gefahr bringen könnte, bestraft zu werden, ohne Wenn und Aber beseitigt. Das ist verwerflich, und wer das anders sieht, sollte seine Perspektive ändern.
Das ist wohl richtig. Was hier als verwerflich angesehen wird, ist der Egoismus des Täters. Ihm ist das Leben des Opfers weit weniger wert als dass er nicht wegen der zugrundeliegenden Straftat sanktioniert wird. In den USA hat man dafür einen sehr passenden Begriff: der Täter zeigt eine "depraved indifference to the value of human life", also eine verwerfliche, abartige Gleichgültigkeit dem Wert des Lebens gegenüber. Und die wird dementsprechend bestraft.


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09.12.2020 um 10:39
Zitat von AndanteAndante schrieb:Nein, man muss schon ganz klar sehen, dass er tötet, weil er zuvor eine Straftat begangen hat, die Strafe dafür nicht auf sich nehmen will und daher den Menschen, der ihn in Gefahr bringen könnte, bestraft zu werden, ohne Wenn und Aber beseitigt. Das ist verwerflich, und wer das anders sieht, sollte seine Perspektive ändern.
Ich will nichts verharmlosen, nur vergleichen. Nochmal zu dem Aspekt, den ich als paradox empfinde: Hätte er gleich stärker zugeschlagen oder hätte er nicht gezögert und das Tatmittel gewechselt, sondern der Frau gleich im Anschluss noch ein paar Mal auf den Kopf geschlagen, wäre es "nur" Totschlag gewesen. Wäre G. dann weniger gefährlich?
Zitat von AndanteAndante schrieb:Er schreckt nicht davor zurück, auch Menschen- leben zu opfern, sofern sie ihm bei der Durchsetzung seiner kriminellen Ziele im Wege stehen

Das setzt aber ein noch klar erkennbar lebendes und kein schon halbtotes Opfer voraus. Die alte und geschwächte Frau K. ist vermutlich durch die Schläge auf den Hinterkopf bewusstlos geworden. Die Vorstellungen von Manfred Genditzki über ihren Zustand und seine Gedanken und Gefühle sind hier schwer nachzuvollziehen. Gerade die hohe Gefährlichkeit des Täters offenbart sich hier mMn. nicht.


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09.12.2020 um 12:01
Zitat von PalioPalio schrieb:Hätte er gleich stärker zugeschlagen oder hätte er nicht gezögert und das Tatmittel gewechselt, sondern der Frau gleich im Anschluss noch ein paar Mal auf den Kopf geschlagen, wäre es "nur" Totschlag gewesen. Wäre G. dann weniger gefährlich?
Vorweg: Die Gefährlichkeit eines mit Verdeckungsabsicht tötenden Täters ist eine abstrakte, etwas typisches, aber G. muss nicht konkret gefährlicher sein.

Ansonsten drehen wir uns langsam im Kreis: Nicht nur Handlung und Erfolg (objektiver Tatbestand) sind für die Erfüllung eines Straftatbestandes entscheidend, sondern auch der Vorsatz (subjektiver Tatbestand).

Und § 211 StGB hat subjektive Mordmerkmale, hier die Verdeckungsabsicht. Tritt diese hinzu, ist es eben eine besonders verwerfliche Tat.

Man müsste also etwas genauer vergleichen:

1. Täter schlägt dem Opfer mehrmals aus Wut auf den Kopf, um es zu töten.

2. Täter schlägt dem Opfer mehrmals auf den Kopf, um es zu töten - damit es ihn nicht wegen Unterschlagung anzeigt.

3. Täter schlägt das Opfer wütend einmal auf den Kopf. Das Opfer ist bewusstlos. Täter versucht einen Arzt anzurufen, erreicht ihn aber nicht. Täter überlegt. Anschließend schlägt er dem Opfer mehrmals auf den Kopf, um es zu töten - damit es ihn nicht wegen Körperverletzung anzeigt.

Man sieht also, dass der Unrechtsgehalt zwischen 2. und 3. nicht groß unterschiedlich ist, obwohl 2. eine "einstufige" Tat ist.

Du solltest Dich da vom konkreten Fall (G.) lösen.

Denn die Annahmen des Gerichts beruhen auf Annahmen, weder hat sich der Täter entsprechend eingelassen, noch gibt es außer dem Hämatom einen Hinweis auf eine vorhergehende Körperverletzung (keine Spuren, weder im Wohnzimmer noch auf dem Weg ins Bad, auf dem G. sein Opfer getragen haben muss). Ich empfinde diese Annahme zwar nicht "ins Blaue hinein", aber sehr nahe dran. Mir scheint da im Hinterkopf der Richter noch immer die unbewiesene Geldgeschichte rumort zu haben, denn eigentlich haben sie fast nichts in der Hand. Aber das ist meine persönliche Auffassung.


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09.12.2020 um 13:02
Zitat von PalioPalio schrieb:Ich will nichts verharmlosen, nur vergleichen. Nochmal zu dem Aspekt, den ich als paradox empfinde: Hätte er gleich stärker zugeschlagen oder hätte er nicht gezögert und das Tatmittel gewechselt, sondern der Frau gleich im Anschluss noch ein paar Mal auf den Kopf geschlagen, wäre es "nur" Totschlag gewesen. Wäre G. dann weniger gefährlich?
Er hat ja nicht das Tatmittel gewechselt. Man muss fragen, was sein Vorsatz war. Dieser Vorsatz ging nicht von Anfang an aufs Töten. Als er Frau K. im Verlaufe der Auseinandersetzung am Kopf verletzte, wollte er sie keinesfalls umbringen. Der Tötungsentschluss kam erst später und war damit ganz neu, als ihm bewusst wurde, was er durch die Kopfverletzung gemacht hatte, und als er Angst bekam, dass Frau K. ihn anzeigen würde, er deswegen dann seine Arbeitsstelle verlieren würde etc. pp.

Nachdem er sich nun einmal entschlossen hatte, Frau K zum Schweigen zu bringen, musste er überlegen, wie er das anstellen sollte. Er hätte nun Frau K. so lange auf den Kopf schlagen können, bis sie tot gewesen wäre, oder etwas anderes. Er hat sich fürs Ertränken entschieden. Von der Auswechslung eines Tatmittels in Bezug auf die Tat (gemeint hier die Tötung) kann also nicht die Rede sein, sondern allenfalls von der Auswahl der Tötungsart, bezogen auf den Zeitpunkt der Fassung des eigentlichen Tötungsentschlusses.


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09.12.2020 um 13:13
Zitat von PalioPalio schrieb:Die alte und geschwächte Frau K. ist vermutlich durch die Schläge auf den Hinterkopf bewusstlos geworden. Die Vorstellungen von Manfred Genditzki über ihren Zustand und seine Gedanken und Gefühle sind hier schwer nachzuvollziehen. Gerade die hohe Gefährlichkeit des Täters offenbart sich hier mMn. nicht.
Die vom Bundesverfassungsgericht gemeinte Gefährlichkeit eines Täters bei einem Verdeckungsmord beurteilt sich ja nicht danach, ob im konkreten Fall das Opfer stark oder schwach, alt oder jung war.

Sondern sie besteht darin, dass der Täter, um seine von ihm verübte vorangegangene Straftat zu verbergen bzw. die Früchte dieser vorangegangenen Straftat (also zB die Beute) zu behalten, sich über das Lebsnrecht eines anderen Menschen hinwegsetzt und diesen tötet. Die Gefährlichkeit eines solchen Täters besteht also in dessen Bedenkenlosigkeit und Rücksichtslosigkeit zur Sicherung eigener Vorteile, die bis zur Tötung eines anderen Menschen geht.


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14.10.2021 um 08:46
Das Gutachten mit der Computersimulation sei ein "zulässiges neues Beweismittel", erklärten die Oberlandesrichter, und hoben damit den Beschluss des Landgerichts teilweise auf. Allerdings hat das OLG nicht selbst über die Wiederaufnahme des Verfahrens entschieden, sondern die Entscheidung wiederum an das Landgericht München I verwiesen. Dem Gericht wurde aufgegeben, sich eingehend mit dem Inhalt des Gutachtens zu befassen und dazu auch den Sachverständigen, den Stuttgarter Professor Syn Schmitt, anzuhören. Erst danach, so das OLG, könne über die Begründetheit des Wiederaufnahmeantrags entschieden werden. Zuständig dafür ist dieselbe Kammer, die zuvor schon den Wiederaufnahmeantrag als unzulässig zurückgewiesen hatte.
Quelle: link oben.

Das war eine sinnvolle Entscheidung des OLG. Man muss sich schon mal die Mühe machen, sich mit den neuen Argumenten auseinanderzusetzen. Mal sehen, was daraus wird.


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Badewannenunfall von Rottach-Egern

14.10.2021 um 15:45
Finde ich auch prima!

Wenn dann die Wiederaufnahme abgeleht wird,

gehen dem vermeintlichen Justizopfer und seinen Unterstützern

endlich die - unsinnigen - "Beweise", Gegenargumente aus.

Und Herr G. kann dann endlich in Ruhe seine Schuld verarbeiten - immer noch hinter Gittern.


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23.10.2021 um 11:48
Ich lese hier schon länger still mit und gerade der Fall von Manfred Genditzki beschäftigt mich sehr. Tatsächlich halte ich ihn für eines der wenigen tatsächlich "Justizopfer."
Dass das neue Beweismaterial jetzt neu bewertet werden muss gibt Hoffnung auf ein neues Verfahren.
Zitat von A.BoleynA.Boleyn schrieb am 14.10.2021:Finde ich auch prima!

Wenn dann die Wiederaufnahme abgeleht wird,

gehen dem vermeintlichen Justizopfer und seinen Unterstützern

endlich die - unsinnigen - "Beweise", Gegenargumente aus.
Ja, wenn es dann nochmals abgelehnt wird, muss man sich wohl damit arrangieren. Aber diese Chance, den Fall neu zu verhandeln muss Manfred Genditzki, mMn bekommen. Was draus wird, steht auf einem anderen Blatt.
Ich drück jedenfalls die Daumen, dass der Alptraum bald ein Ende hat für ihn und seine Familie.


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10.02.2022 um 07:07
Ein neuer Beitrag des Spiegel-TV. Nicht viel Neues, aber eine ganz gute Zusammenfassung des letzten Standes:

Youtube: Unschuldig hinter Gittern? Wende im Badewannen-Mordfall | SPIEGEL TV
Unschuldig hinter Gittern? Wende im Badewannen-Mordfall | SPIEGEL TV
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Badewannenunfall von Rottach-Egern

18.02.2022 um 17:37
Es scheint voran zu gegen. Hier ein aktueller Artikel:
https://www.sueddeutsche.de/bayern/genditzki-badewannen-mord-wiederaufnahme-1.5526011

Tragisch, dass die wichtige Zeugin mittlerweile verstorben ist...


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Badewannenunfall von Rottach-Egern

18.02.2022 um 22:27
@LaBaLiLaDy

Ich glaube nicht, dass die Zeugin besonderes Gewicht gehabt hätte, da
(i) sie von einer (angeblichen) Gewohnheit (= Einweichen von Wäsche in der Badewanne) von LK in der weiten Vergangenheit berichtet und somit unklar ist, ob dies auch noch im Jahr 2008 eine Angewohnheit vor ihr war;
(ii) meiner Erinnerung nach nicht sicher geklärt werden konnte, ob sich tatsächlich Schmutzwäsche in der Wohnung befunden hat;
(iii) meines Wissens nach sonst niemand von der (angeblichen) Angewohnheit berichtet hat, was ungewöhnlich wäre, wenn es eine Marotte gewesen sein soll.

Davon abgesehen wird die Strafkammer, die sich nochmal mit den Gutachten auseinandersetzen muss, irgendwelche anderen Argumente finden, um ein Wiederaufnahmeverfahren abzulehnen. (Vgl. Fall Rudi Rupp, wo nach Auffinden der Leiche das Fehlurteil manifest wurde, und der erste Antrag auf Wiederaufnahme abgelehnt wurde. Im vorliegenden Fall ist m.E. weiterhin ziemlich viel unklar.)

Ansonsten: Kann mir bitte jemand erklären, wieso die Schuhe von LK so chaotisch im Bad liegen? Wenn sie diese beim Sturz noch an hatte, kann ich mir die Positionen der Schuhe im Bad nicht erklären. Wenn sie diese ausgezogen hat, frage ich mich wozu? Allenfalls um sich die Füße zu waschen, aber dann hätte sie kein Wasser in die Badewanne eingelassen, sondern die Waschschüssel genommen. Und würde eine alte Dame mit Beeinträchtigungen in der Motorik die Schuhe so chaotisch im Bad verstreuen? Es sieht eher so aus, dass die Schuhe schnell hingeworfen wurden.


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19.02.2022 um 09:12
Zitat von kegelschnittkegelschnitt schrieb:Ich glaube nicht, dass die Zeugin besonderes Gewicht gehabt hätte, da
(i) sie von einer (angeblichen) Gewohnheit (= Einweichen von Wäsche in der Badewanne) von LK in der weiten Vergangenheit berichtet und somit unklar ist, ob dies auch noch im Jahr 2008 eine Angewohnheit vor ihr war;
(ii) meiner Erinnerung nach nicht sicher geklärt werden konnte, ob sich tatsächlich Schmutzwäsche in der Wohnung befunden hat;
(iii) meines Wissens nach sonst niemand von der (angeblichen) Angewohnheit berichtet hat, was ungewöhnlich wäre, wenn es eine Marotte gewesen sein soll.
Das sehe ich ganz genauso.

Da wird jetzt mal wieder etwas medial aufgebauscht, was auf ein mögliches WAV bezogen vermutlich eher nebensächlich ist.

Relevanter scheint mir zu sein, ob ein Unfallgeschehen -das ja in der Hauptverhandlung ausgeschlossen wurde- nun doch in Frage kommt und mit den Verletzungen der Frau K. in Einklang zu bringen ist.

Ich gehe davon aus, dass es hier zu keinem WAV (bzw. zumindest zu keinem Freispruch) kommen wird, lasse mich aber gerne überraschen.


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19.02.2022 um 10:34
@Cassandra71
Zitat von Cassandra71Cassandra71 schrieb:ch gehe davon aus, dass es hier zu keinem WAV (bzw. zumindest zu keinem Freispruch) kommen wird, lasse mich aber gerne überraschen.
Genau das dachte ich damals beim Wiederaufnahmeverfahren gegen Ulvi Kulac. Dann kam es völlig anders. Vor dem Prozess waren über Jahre hinweg die Zweifel gestreut worden und die Öffentlichkeit hatte sich schon mit einer vorgefertigten Sicht in den Prozess gegeben. Dazu kam, dass viele Zeugen nach so langer Zeit (das waren 13 Jahre zwischen Tat und Wiederaufnahme) nur noch unpräzise oder widersprüchliche Erinnerungen hatten. Man darf dabei nicht vergessen, dass einige damals beim Verschwinden von Peggy noch minderjährig waren. Selbst ehemalige Ermittler oder Anwälte konnten sich nicht mehr gut erinnern. Die damaligen Ermittlungsergebnisse, Gutachten, Akten spielten im Prozess keine (große) Rolle.
Jedenfalls wurde der Angeklagte mit Rosen und Applaus empfangen. Die Tatrekonstruktionen, die damals noch für Entsetzen gesorgt hatten, wurden nun ausgebuht und belächelt.
Ergebnis ist bekannt: die Richter konnten nicht zweifelsfrei dem Angeklagten einen Mord zuordnen und es folgte konsequent der Freispruch.


So etwas kann ich mir hier ebenfalls vorstellen: die Zeit und die öffentliche Wahrnehmung als Justizirrtum spielen hier für den Angeklagten.


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