VanDusen schrieb:LCW schreibt nichts von einem möglichen Mord und enthält sich jeglicher Spekulationen diesbezüglich. Er lässt lediglich zwei (oder drei, wenn man den ehemaligen Geheimdienstler mitrechnet) Experten zu Wort kommen, die auf gewisse Auffälligkeiten bei der Auffindesituation hinweisen, z. B. fehlenden Backspatter. Auch von diesen Experten legt sich niemand auf einen Mord fest, denn schließlich waren sie nicht direkt an den Untersuchungen beteiligt.
sören42 schrieb:Mit keiner Silbe verdächtigt er "Mr. F.".
Auf diese scheinbare Objektivität von Artikeln und als Doku deklarierte Fernsehproduktionen (vorzugsweise von Netflix) stützt man sich auch in anderen Threads und nimmt sie als Grundlage und Legitimation für weitergehende Spekulationen im Sinne des (unbemerkt) transportierten Narrativs. Es handelt sich aber bei genauem Hinsehen um keine echte Objektivität, denn letztlich steht das Interesse im Vordergrund, eine möglichst fesselnde Geschichte so zu erzählen, dass dem Leser/Zuschauer eine Richtung indoktriniert wird, er dabei aber das Gefühl hat, ehrlich, umfassend und unbeeinflusst informiert worden zu sein und von ganz allein die neuen, interessanten Schlussfolgerungen zum gehörten Sachverhalt gezogen zu haben.
Die Geschichte der JF ist mit der Option Mord nunmal fesselnder als der klare Suizid. Darum werden die ungewöhnlichen Aspekte an dem Suizid besonders herausgestellt und die Informationen selektiv und mit deutlichem Schwerpunkt weitergegeben, so dass sich der beabsichtigte Eindruck formt und festigt. Dieser ist: "Alles ist möglich. Auch die Ermittler hatten Zweifel. Bleiben wir an der Sache dran!"
Die Ermittler hatten jedoch keine Zweifel an den Aussagen der Security-Leute. Danach
kann es sich vorliegend nur um einen Suizid gehandelt haben, denn die Tür war von innen verriegelt, beide Karten befanden sich im Zimmer, die Logdaten passen dazu, ebenso der gehörte Schuss, der wahrgenommene Pulverdampf, die fehlenden Anzeichen von Kampf oder Anwesenheit einer anderen Person, die rechtsmedizinischen Untersuchungsergebnisse. (An dieser Stelle rumort es schon wieder im Hinterkopf: Aber hatten nicht auch die Ermittler doch irgendwie Zweifel? Kann es nicht ganz anders gewesen sein?)
Ein Beispiel für eine tendenziöse Informationsweitergabe ist der Obduktionsbericht.
Was bleibt hängen? Das unverdaute Essen. Nicht die gar nicht weiter ausgeführten anderen Feststellungen zum Todeszeitpunkt. Nur der Umstand, dass sie von dem Essen erst später etwas zu sich nahm. Und nun die Suggestivfrage dazu: Ist die Frau vielleicht früher gestorben? Nein, das ist auszuschließen, der Zeitpunkt der tödlichen Schussabgabe steht nämlich durch zuverlässige Zeugenaussagen in Verbindung mit den Feststellungen des Rechtsmediziners fest.
Aber diese Frage flößt uns Wegner durch seine geschickte Formulierung ein und sie bleibt hängen. Er könnte es auch anders formulieren, nicht als Frage, sondern als Feststellung, dass JF das Essen zunächst nicht anrührte. Das macht er aber nicht, denn es geht ihm um die Zweifel, um das Mysterium.
Das gleiche Spiel bei dem belgischen Gast. Er bekommt ein Kürzel verpasst, ausgerechnet ein F. wie Fairgate. Wozu? Weil er eine feste Rolle in der Geschichte spielen soll. Die des mysteriösen, unkooperativen Unbekannten, der vermutlich etwas zu verbergen hat.
Warum schreibt Wegner nicht, dass der Mann sich schlicht falsch erinnert haben muss, als er meinte, er sei an der Rezeption auf den Tod der Frau angesprochen worden? Warum schreibt er überhaupt davon? Es hat keinerlei Relevanz, wird aber gedehnt und zu angeblich mysteriösem "Wissen" aufgebauscht und das zu Lasten des unbeteiligten Mannes, der bestimmt nicht erwähnt und zitiert werden wollte. (Sofortiger Einsatz des Hinterkopfes: Warum nicht? Hat er etwas zu verbergen?)
Es geht darum, den Leser in eine bestimmte Richtung zu drängen. Der "ominöse Mr. F." ist geboren und hangelt sich als solcher beständig durch den Thread.
Der Schreiber verfolgt ein Ziel und das ist nicht, das Ermittlungsergebnis so eindeutig rüberzubringen wie es letztlich war.
Was Wegner nicht macht, ist, Verdächtigungen klar auszusprechen, denn das darf er nicht. Das überlässt er den Lesern.
Der so gleichsam manipulierte wie inspirierte Leser überlegt sich dann Alternativen zu dem, was die Ermittler herausfanden, was nach "objektiver" Darstellung durch den Journalisten möglicherweise ja nicht das richtige oder endgültige Ergebnis ist. Er freut sich über die selbst gewonnenen Erkenntnisse und verfolgt sein persönliches Narrativ, in dem er fortan bestätigt werden möchte.
Das geht teilweise so weit, dass er sich persönlich angegriffen und beleidigt fühlt, wenn jemand anderes dieses Narrativ nicht teilt.
Was hier offen ist, ist die Identität der Frau. Was nach dem Abschluss der Ermittlungen nicht offen ist, ist, dass sie durch eigene Hand starb.
Die Identität der Frau wird in diesem Thread entgegen allen hoffnungsvollen Aufforderungen und Beteuerungen nicht geklärt werden, nicht auf Seite 3, nicht auf Seite 430 und nicht auf Seite 840. Sie wird auch nicht durch eine Netflix-Doku erhellt werden. Das ist meine persönliche Prognose.
Mit ziemlicher Sicherheit wird aber eines in diesem Thread immer wieder passieren: Es wird geäußert werden, dass JF sich vielleicht gar nicht selbst getötet hat. Dass sie vielleicht umgebracht wurde. Dass es so viele Indizien dafür gibt. Dass da vielleicht etwas initiiert und vertuscht wurde. Dass die Zeugen komisch sind. Dass es Versäumnisse seitens der Ermittler gab. Dann wird das "vielleicht" weggelassen. Man ist sich sicher, dass es Mord war.
Wer könnte da seine Finger im Spiel haben?
Und schon geht es in die nächste Runde...