Rotmilan schrieb:Würde Kurt Werner W. noch leben, wäre die aus den zwei Haaren im PKW gewonnene DNA vermutlich zu dünn, um ihn wegen Totschlags oder Mordes zu juristisch verurteilen.
Zunächst ist es wichtig festzustellen, dass der Spurenträger für den Abgleich mit der DNA Kurt Werner Wichmanns bisher durch die POL Lüneburg nicht bekannt gegeben wurde. Es wurde lediglich davon gesprochen, dass es dem LKA in Hannover gelang, aufgrund neuer Untersuchungsmethoden eine DNA aus dem Spurenmaterial eines der Opferfahrzeuge zu sequenzieren.
Die Medien haben in ihrer Berichterstattung lediglich zwei Punkte zusammengeführt. Da gibt es die zwei Haare, die von Beginn an sichergestellt, aber aufgrund der Wurzellosigkeit nicht untersucht werden konnten und die "neuen Untersuchungsmethoden", von denen die Pressestelle der POL Lüneburg spricht, aufgrund derer die Sequenzierung einer DNA aus Spuren aus einem der Opferfahrzeuge gelang.
Somit lässt sich über den Spurenträger noch keine Aussage treffen. Dass es sich bei den damals gefundenen Haaren nicht um die heutigen Spurenträger handelt, spricht die Tatsache, dass die gefundenen Haare braun sind, Kurt Werner Wichmann jedoch blonde Haare hatte.
Ich gebe Dir recht, dass die derzeitige Spuren-/Beweislage nicht ausreichen würde, um ihn wegen Mordes anzuklagen und schon gar nicht zu verurteilen, sofern er noch leben würde. Totschlag wäre ohnehin außen vor, da dafür die Verjährungsfrist greifen würde.
Die Staatsanwaltschaft sammelt durch die Ermittlungsbehörden Beweise und erstellt basierend darauf eine entsprechende Anklageschrift. Diese Anklage wird von seiten des Gerichts geprüft und muss zur Verhandlung zugelassen werden. Bei der derzeitigen Beweislage (im Göhrde-Fall) würde nicht einmal die StA LG Anklage erheben, weil sie die Beweislage zu dünn ist. Eine gefundene DNA in einem der Opferfahrzeuge ist nichts weiter als ein Indiz. Niemand weiß wann oder wie sie dort hineingelangte und es fehlen bisher jede Art von Spuren, die tatrelevant sind, also die einen unwiderlegbaren Zusammenhang zwischen Wichmann und der Tat oder Tatausführung beweisen.
Rotmilan schrieb:Die DNA beweist ja nur, dass er sich in diesem Fahrzeug aufgehalten haben muss, bzw. eine Situation bestanden haben muss, dass zwei seiner Haare evtl. durch ein Kleidungsstück, eine Mütze, Kappe o.ä. in dieses Fahrzeug gelangt sind.
Die gefundenen DNA Spuren beweisen noch nicht einmal, dass er sich in dem Fahrzeug aufgehalten haben muss. Das kann sein, muss aber nicht. Nur bei einer "Primäranhaftung" hätte er diese DNA Spur selbst aktiv ins Auto gebracht. Möglich ist aber auch eine "Sekundäranhaftung", nämlich wie Du sagst über Gegenstände / Kleidungsstücke oder was auch immer, die zu einer solchen sekundären Übertragung führten. Auch durch die Opfer oder die Opferkleidung selbst, die zuvor Kontakt mit Wichmann hatten. Das setzt natürlich voraus, dass sie sich kannten oder zumindest mindestens einmal Kontakt miteinander hatten.
Rotmilan schrieb:Natürlich ist die Wahrscheinlichkeit sehr, sehr hoch, dass Kurt- Werner, der Göhrde Mörder ist.
Das sehe ich nicht so. Wenn sie sehr sehr hoch wäre, gäbe es weitere oder mehrere tatrelevante Spuren, vielleicht noch immer keine geschlossene Indizienkette, aber zumindest deutlich mehr Anhaltspunkte, die eine Täterschaft nahelegen würden. Gerade für diesen Fall bestehen derart viele offene Fragen, Ungereimtheiten und Widersprüche, dass ich da sehr skeptisch bin.
Cass schrieb:Seine Biografie, seine Neigungen, die gefundenen Indizien (Leiche, Auto mit Blutspuren, Zeitungsausschnitte, Waffen u.v.a.)
und natürlich der Selbstmord lassen klar darauf schließen, dass das ein Verbrecher war.
Jetzt zu behaupten, das sind alles Zufälle, wäre ziemlich ....
Fest steht, dass Wichmann bis 1993 nachgewiesener Maßen in vielerlei Hinsicht straffällig wurde und sicherlich auch zu den Straftätern zählte, der schwere Straftaten beging. Es steht hingegen nicht fest, dass er in den momentan über 100 Fällen, die die Clearingstelle erfasst hat und die eine mögliche Tatverbindung zu Wichmann haben könnten, auch tatsächlich und bewiesener Maßen Täter, Mittäter oder Helfer gewesen ist.
Es mag ja sein, dass wir morgen aufstehen und eine Pressemitteilung der POL LG lesen, die die Aufklärung entsprechender Fälle und deren Beweise liefert. Das wäre im Sinne aller Hinterbliebenen sodann auch wünschenswert. Solange dies jedoch nicht der Fall ist, halte ich es für äußerst bedenklich Wichmann als Täter für bestimmte Taten zu benennen, ohne, dass dies zum momentanen Zeitpunkt bewiesen ist.
Cass schrieb:Das Schräge und Bedauerliche an diesem Fall ist meiner Meinung nach
die Arbeit der Kripo.
Die offensichtlichen Schlampereien haben eben dazu geführt, dass man womöglich die
Verbrechen von KWW niemals mehr vollständig aufklären kann.
Auch hier würde ich den Rahmen weiter fassen. Die polizeilichen Ermittlungsbehörden sind den Staatsanwaltschaften unterstellt und an deren Weisungen gebunden. Wenn man etwaige Fehler im Zeitablauf hinterfragt, gehören die Entscheidungen der StA LG in jedem Fall mit in die Betrachtungen.
Dass es heute möglicherweise in vielen Fällen zu keiner lückenlosen Aufklärung von bisher ungeklärten Tötungsdelikten mehr kommen wird, da bin ich ganz bei Dir. Denn selbst im Zeitalter ausgereifter DNA-Analyse-Technik, nützt die DNA allein noch gar nichts. Wenn die weiteren Ermittlungen keine schlüssigen und passenden, also tatrelevanten Indizien oder Beweise liefern, werden die Ergebnisse vermutlich leider im Konjunktiv bleiben. Denn ohne eine geschlossene Indizien- oder Beweiskette, keine Tatüberführung. Das der ein oder andere dennoch dem Gefühl nach sagen kann oder wird, dass er vermutet, dass es so war, bleibt ja jedem unbenommen. Juristisch betrachtet ist das aber völlig irrelevant.