robernd schrieb:Im Zusammenhang mit wissenschaftlich-technischen Argumenten lässt sich vor Gericht kein Blumentopf gewinnen. Auch dann nicht, wenn sie präzise und 100 % schlüssig sind. Unter Anwendung der in diesem Urteil üblichen Logik und Betrachtungsweise würden kein Auto und auch kein Computer funktionieren. Wahrscheinlich gäbe es nicht einmal die Pyramiden. Juristen sind so sehr auf ihr Fachgebiet fixiert, dass sie technischen Argumenten nicht folgen können (Ausnahmen bestätigen die Regel).
Ein beeindruckendes Plädoyer hältst Du da, ich kann Deiner Kritik weitgehend nur zustimmen. Möchte aber anmerken, dass Auto, Computer und Pyramiden ohne Juristen wohl nie entwickelt worden wären und auch nur funktionieren, weil es Beamte des Pharaos gab, die StVO oder das Datenschutz- und Internetrecht.
Bei Fällen wie hier haben Juristen nun mal das Problem, in angemessener Zeit und angemessenem Aufwand eine Entscheidung treffen zu müssen. So unvollkommen sie ist. Und juristische Entscheidungen sind nun mal per se unvollkommen und ungerecht. Aber es bleiben lassen ist auch keine Lösung.
robernd schrieb:Auch bei Gutachten geht es kaum um Fakten sondern allein um das Rennomee eines Gutachters. Und dagegen haben Leute wie ich oder auch MH (2r2n) nicht die geringste Chance.
Ich glaube nicht, dass es das Renommee alleine ist. Sondern auch das Ergebnis, das der Gutachter vertritt. Passt es ins Schema, ins anvisierte Ergebnis? Und dann auch das Vertrauen. Luhmann sagt, "Vertrauen ist die Reduktion von Komplexität". Und ein Gericht, das vor einem Berg hochkomplexer Fragen steht, ist froh, wenn da jemand kommt und ihnen Orientierung bietet. Dann auch noch vom LKA, das ist eine sichere Bank.
Sich da noch einmal verunsichern zu lassen, alles, was im Kopf seit dem Eröffnungsverfahren bewusst und unbewusst an Meinungsbildung stattgefunden hat (ja, auch der Hund in der Gefriertruhe, egal ob er im Urteil auftaucht oder nicht entfaltet psychologisch seine Wirkung), das würde einen gewaltigen inneren Ruck, ja Zweifel erfordern. Und es ist nun mal so, dass Gerichte nicht Indizien wie Erbsen zählen, blind in eine Waagschale werfen und dann völlig unbeeinflusst erst am Ende entscheiden. Nein, man vertraut zum Beispiel darauf, dass StA und Polizei ordentlich gearbeitet haben und natürlich ist eine bestimmte Tendenz (von der man sich vielleicht frei zu machen versucht) von Anfang an in einer Geschichte drin.
Und ich behaupte, das ist mit dem Eröffnungsbeschluss ( = Verurteilung ist überwiegend wahrscheinlich) der Fall. Da geht doch kein Gericht dann am ersten Tag in den Saal und denkt sich "Kann sein, kann aber auch nicht sein.", sondern eher mit "Der wird es schon gewesen sein, jetzt sehen wir mal, ob sich das auch bestätigt." Und es ist auch so, dass ein Gericht mit einem bestimmten Ziel verfahrensmäßig ziemlich viel lenken kann. Das ist dann alles sachgerecht, wieder geprägt durch die Vorüberzeugung vor dem Urteilsspruch. Die Ablehnung von Beweisanträgen zeigt das sehr schön (siehe Zahnbissgutachten LG Aschaffenburg).