Rick_Blaine schrieb:Was freilich m.E. unbestritten sein sollte ist, dass das ganze Verfahren ohne den Herrn Pfaffinger nicht stattgefunden hätte. Und umgekehrt: selbst wenn nie ein Tonband gefunden worden wäre, Pf.s Aussage allein, gefolgt von all den Indizien, die daraufhin gefunden und bewertet wurden, die hat den Ausschlag gegeben.
Das schätze ich ganz genauso ein.
Das Problem, das wir hier zusätzlich haben, ist, dass der gesamte Mehrtäterbereich im Urteil zwar mal kurz erwähnt, überwiegend aber ausgeblendet wird, obwohl er zur "historischen Wahrheit" dazugehört. Das hat ja auch M. Herrmann gestört.
Dieser Bereich durfte aber ausgeblendet werden, weil die Mittäter, bis auf Mazureks Frau, aufgrund zu dürftiger Spurenlage nicht mitangeklagt wurden. Im Urteil kam es nur auf die Indizien an, die gegen Mazurek sprechen. Dadurch wirkt das Urteil unvollständig.
Das Urteil ist aber widerspruchsfrei. Die vermeintlichen Widersprüche, die Robernd und andere gefunden zu haben glauben, sind keine. Der BGH hat nichts übersehen.
Beim Umgang mit den Lücken hat man als Wahrheitssuchender zwei Möglichkeiten:
Man erklärt sämtliche Indizien, die gegen WM sprechen, für unwichtig und erdenkt sich eine ganz andere Tätergruppe oder man schaut, ob man die Lücken schließen kann, indem man den Freundeskreis um Mazurek in den vom Gericht lückenhaft festgestellten Sachverhalt einbezieht und auch evtl. weitere, vom Gericht nicht erwähnte Umstände und Hergänge berücksichtigt. Spekulationen sind da natürlich erlaubt, sie sind auch naheliegender als Spekulationen zu anderen Tätern aufgrund von selbsterkannten Baumdiagrammen, vermeintlichen Bitumenexperimenten und fabrikhergestellten Kisten.
Bei dem Freundeskreis von WM handelt es sich um AW, DJ, KP, die Frau von Mazurek und wohl noch eine weitere Person (evtl. Ehefrau).
Man stellt dann fest, dass es mehr Hinweise und Erklärungen gibt, wenn man die (erlaubten aber unbefriedigenden) Lücken im Urteil füllt. Man stößt auf den KH-Besuch in Landsberg, auf den Farbenkauf in München, auf AWs Algerienbezug, man kann Leiter, Schaufel und Tütenmaske ohne Weiteres mit "Team Mazurek" erklären.
Es fügt sich alles zusammen, wenn man wirklich offen für die Möglichkeit ist, dass das Gericht hier Recht gesprochen hat und ich wüsste keinen Grund, warum man sich dieser Möglichkeit versperren sollte.
Es war dann zum Beispiel so:
Der Spaten war nach dem Ausmessen des Lochumfangs und Abstecken der Moosschicht/Grasnarbe am Anfang der Grabearbeiten, als die Baumwurzeln störten, evtl. vorübergehend nicht zweckmäßig und Mazurek hat P. daher geholfen oder ihm Pickel und Hacke geliehen. P. hat seinen eigenen Spaten wieder mitgenommen, das andere blieb am Tatort.
Zu zweit haben sie auch mal gearbeitet, eine Zeugin hat angeblich Grabegeräusche gehört und ein "Pssst".
P. hat nach Überwindung der ersten Bodenschicht dann mit seinem Spaten weitergemacht. Er hat sicherlich die meiste Zeit allein gearbeitet. Das Graben war sein Arbeitsanteil im Team.
Selbstverständlich wurde ein Spaten als Grabewerkzeug hier auch nicht ausgeschlossen, dazu wird
@ErwinKöster noch die vollständigen Unterlagen und Aussagen aller gehörten Sachverständigen/Zeugen nachliefern.
Zu Pfaffinger:
Darüber, dass er mit Spaten unterwegs gesehen werden könnte, hat sich P. vermutlich gar keine Gedanken gemacht. Er handelte oft, ohne ausreichend nachzudenken, das sieht man ja auch an seinem Geständnis und seinen nicht unentdeckt gebliebenen Diebstählen und Betrügereien. Erst später ist ihm dieser Bezug bewusst geworden und er bekam Panik, instruierte seine Schwiegereltern und weinte dort sogar (S. 147).
Er ist wahrscheinlich auch mal im beschriebenen Kamingang aus diesem Loch herausgeklettert. Alle, die behaupten, dies sei unmöglich, müssten das belegen, um das Urteil zu widerlegen. Für einen WA-Antrag wäre aber sogar eine solche (m.E. nicht mögliche) Widerlegung nicht hilfreich, denn es bliebe immer noch die Möglichkeit, dass P. das lediglich erzählt hat, um die Teamarbeit zu verschleiern. Das Urteil steht und fällt nicht mit dem Erlebnisfundierten, sondern mit den Zeugenaussagen zu den Spatenfahrten.
Zum Schluss musste Mazurek evtl. nochmal nacharbeiten und hat die Leiter (evtl. noch schnell zusammengezimmert) und Schaufel (evtl. noch schnell abgesägt) geholt, falls diese Dinge nicht von Anfang an dort waren. Das ist letztlich unwichtig.
Beides verblieb einfach in Tatortnähe, um das verdächtig nach Lochgraben aussehende Gerät nicht zu Hause zu haben oder woanders entsorgen zu müssen.
Noch zwei wichtige Punkte:
P. war wie Mazurek hochverschuldet.
P. entsorgte den Spaten.
Der Spaten war vor der Entführung ein ständiger Wegbegleiter von P., nach der Entführung ist er plötzlich weg. Die Entsorgung des Spatens hat eine zusätzliche hohe indizielle Bedeutung dafür, dass es sich um ein Tatmittel handelt, von dem der Täter sich notgedrungen meinte trennen zu müssen.
Der entscheidende Aspekt in Bezug auf Pfaffinger sind wie gesagt die Sichtungen. Er ist mit einem Spaten am Mofa festgebunden kurz vor der Entführung mehrmals und auch am Entführungstag nach dem Geschehen abends gesehen worden. Durch diese Sichtungen verfestigt sich die Möglichkeit, dass er das Loch grub, zu einer Überzeugung.
Über die Annahme, jemand wie Pfaffinger wolle mit Spatenfahrten pflichteifrig und in Sorge um sein Renommee den Eindruck erwecken, einer Arbeit nachzugehen, kann ich (wie die Richter vermutlich auch) nur den Kopf schütteln. Diese Annahme ist tatsächlich lebensfremd und an diesem Punkt des Erklärungsnotstandes müsste eigentlich jeder merken, wo der Überzeugungsprozess seinen Ausgang nahm. Man kann alles alternativ oder mit Zufall erklären, aber nicht die Spatenfahrten des Geständigen oben an der Aumühle.
Pfaffinger hat das Loch für die Kiste gegraben, daran führt nach den Sichtungen kein Weg vorbei. Diese Sichtung ist der Schlüsselfaktor:
Original anzeigen (0,2 MB)Aus dem Urteil
https://www.radonmaster.de/werner-mazurek/