2r2n schrieb:Im weiteren Verlauf des Jahres 2008 gingen Schreiben zwischen Verteidiger und Gutachterin (selbstverständlich über das Ermittlungsgericht) hin und her, infolgedessen die Gutachterin ihre Ergebnisse ergänzen musste, weil die Verteidigung die Plausibilität (zurecht) infrage gestellt hat. Die Argumentation zeugt von hohem Sachverstand, offenbar hatte die Verteidigung fachliche Beratung.
2r2n schrieb:Seps13 schrieb:
Hat die Verteidigung denn wenigstens einen eigenen Sachverständigen geladen (§ 220 StPO)?
Das geht aus den Akten nicht hervor, weil das dann ja im Verfahren geschehen sein muss. Das steht also nicht in den Akten, sondern muss irgendwo in den Terminsberichten, die mir meine Anwältin immer zuschickte, zu finden sein.
Der Verteidiger hatte eine fachliche Beratung durch einen Verwandten. Von dem gibt es mehr als 100 Seiten handschriftliche Stellungnahmen zum LKA-Gutachten. Das war übrigens die erste Information, die ich (von Werner M.) bekam, nachdem ich meine Unterstützung angeboten hatte. Das Gutachten selbst habe ich erst später gesehen.
Hier zwei nur Seiten davon, um deutlich zu machen, wie detailreich die Ausführungen sind. Es geht um die Lautstärke der Hochtonlautsprecher, vor die die Gutachterin ihre Mikrofone aufgebaut hat.
Original anzeigen (0,3 MB)Darin wird hergeleitet, dass die vorderen Lautsprecher allein durch die Beschaltung im Tonbandgerät die B3-Jingles nur mit einem Lautstärkenverlust von 12 dB (Faktor 4) abstrahlen. Diese Argumentation konnte weder der Verteidiger noch das Gericht verstehen. Im Vergleich dazu ist meine Gegendarstellung ausgesprochen grob.
Der Fachmann ist offenbar ein ausgezeichneter Theoretiker, dem allerdings die praktische Erfahrung auf diesem Spezialgebiet fehlt. Zu den 12 dB Lautstärkeverlust durch die Beschaltung kommt nämlich noch der Frequenzgang der typischen Hochtonlautsprecher hinzu, die Töne um 1 kHz und tiefer systembedingt deutlich reduziert wiedergeben, weil sie für Töne über 5 kHz konstruiert sind. Demnach ist es also ziemlich unsinnig, ein Mikrofon 10 cm vor das Tonbandgerät zu stellen.
Die Gutachterin hat diese Argumentation auf ihre typische ausweichende Art entkräftet: Sie hat aus einem Vergleichsgerät die seitlichen Breitbandlautsprecher ausgebaut und vor Gericht so demonstriert, dass auch die Hochtonlautsprecher alleine die B3-Töne wiedergeben. Der drastische Lautstärkenverlust im Vergleich zu den Seitenlautsprechern (die alles übertönen) ist so natürlich nicht erkennbar.
Ein kommerzielles, zweites Gutachten, das das LKA-Gutachten sauber und belastbar widerlegt, schätze ich persönlich auf einen Preis von mindestens 100.000 EUR (falls es mit nur einem Gutachter getan ist). Ich meine mich zu erinnern, dass die Gutachterin allein für Ihre Aussage vor dem Zivilgericht 12.000 EUR in Rechnung gestellt hat.
Trotz zäher Experimente ist es der Gutachterin übrigens nicht gelungen, den leisen 6. Ton des B3-Jingles allein mit der Schrägstellung des Aufnahmekopfes zu erklären. Sie hat außerdem noch eine Schwäche des linken Frontlautsprechers dafür bemüht. Diese hat sie allerdings nie genauer beschrieben.
Wenn sich die Gutachterin nur entfernt mit Elektronik ausgekannt hätte, müsste ihr die Beschaltung der Hochtonlautsprecher sofort auffallen, wie sie in der Service-Anleitung dargestellt ist:
Die Kreisen stellen die Anschlussbuchsen des Gerätes dar. Sie Symbole darunter zeigen die vier Lautsprecher, von denen die Hochtonlautsprecher über Elektrolytkondensatoren angeschlossen sind. Jeder Elektroniker weiß, dass Elektrolytkondensatoren altern und dabei einen Teil ihrer Kapazität verlieren. Wenn also einer der Lautsprecher eine "Schwäche" zeigt, sind zu allererst diese Kondensatoren zu prüfen. Sollte dort tatsächlich ein Kapazitätsverlust feststellbar sein, ist es fast sicher, dass dieser 25 Jahre früher noch nicht bestand. Wer schon einmal Lautsprecherboxen gebaut hat, weiß darüber hinaus, dass die hier verwendeten gepolten Elektrolytkondensatoren für Lautsprecherbeschaltungen ungeeignet sind und besonders schnell verenden.
Aus meiner Sicht ist die Gutachterin Opfer ihrer eigenen unzulänglichen Raumakustik geworden. Meine Untersuchungen am Vergleichsgerät ergeben, dass diese Lautsprecherschwäche für den Effekt überhaupt nicht erforderlich ist.
So hat übrigens die Gutachterin die Lautsprechermessung ausgeführt, allerdings ohne Ergebnisse zu veröffentlichen:
Beachtet bitte, den am linken Rand sichtbaren Handschallpegelmesser. So etwas ist auch in einem Bericht der Computerzeitschrift c't erwähnt. Und zwar als Beispiel, wie man Schallmessungen nicht macht:
Original anzeigen (0,2 MB)Der Auszug stammt aus c' 2017, Heft 12 "Ruhe! Messung läuft! - Wie das c't-Labor Lärm misst"
Hier geht es lediglich um Lärmmessungen an Computerkomponenten, also eher eine untergeordnete Problemstellung.