Das Gericht hat eine Beteiligung von Harald W. ausgeschlossen.
Keine Tatausführung durch Harald W.
Im Rahmen der umfangreichen Beweisaufnahme haben sich keine
Anhaltspunkte für einen anderen Täter als den Angeklagten Mazurek ergeben.
Nach den getroffenen Feststellungen hatte Harald W. gute Ortskenntnisse im Weingartengebiet, da er zum Tatzeitpunkt bereits seit einigen Jahren dort gemeinsam mit dem pensionierten Zahnarzt Dr. M. die Ansitzjagd betrieb.
Auch der Zeuge H. bekundete in seiner verlesenen Vernehmung vom 14.05.1984, dass Dr. M. und Harald W. nur die Ansitzjagd durchgeführt hätten und nicht der Pirschjagd nachgegangen seien.
Wenn man eine Tatbeteiligung von Harald W. vorerst
nicht ausschließt, stellt man sich doch gleich die Frage, wenn wie angenommen, Lachgas im Spiel gewesen war, ob der pensionierte Zahnarzt von Harald W im Laufe eines Gespräches während einer Ansitzjagd oder bei der Autofahrt von München zum Thema Lachgas und einer entsprechenden Dosis für Kinder und wo man sich das besorgen kann, so nebenbei befragt worden war. Der Zahnarzt wäre eine geeignete Auskunftsperson gewesen. Leider gibt es keine weitere Information.
Harald W. hatte in seinen Vernehmungen keine eigene Erinnerung mehr daran, am 15.09.1981 und 16.09.1981 jeweils abends im Revier Weingartengebiet gewesen zu sein. In seiner Beschuldigtenvernehmung vom 23.05.1984 gab er an, dass er nach den Recherchen des Dr. M. am Entführungstag in der Früh im Revier einen Bock geschossen habe. Er selbst könne sich zeitlich nicht mehr daran erinnern und sei sich auch zum Ablauf des Tages nicht mehr sicher.
Dass er zweimal an einem Tag im Jagdrevier gewesen sei, sei seiner Erinnerung nach nie
vorgekommen.
Mit diesem Tag ist der Tattag gemeint.
Auf Vorhalt, dass sein Ford Transit am Abend des 15.09.1981 von Zeugen an einem der von ihm benutzten Abstellplätze gesehen worden sei, erklärte Harald W. in seiner Vernehmung vom
23.05.1984 „Das haut mich um, das gibt’s doch nicht. Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll“ und wollte vor einer Fortsetzung der Vernehmung erst mit seinem Rechtsanwalt sprechen.
Die durchgeführte Beweisaufnahme hat weiterhin ergeben, dass das. Fahrzeug des Harald W., ein manilagrüner Ford Transit Kastenwagen, sowohl am Abend des 15.09.1981 als auch am Abend des 16.09.1981 am Waldrand des Weingartengebiets auf dem von Harald W.in seiner Vernehmung vom 22.05.1984 bezeichneten zweiten Abstellplatz geparkt war, wo die Staatsstraße 2055 von Greifenberg in Richtung Schondorf in einer Rechtskurve vom Wald wegführt. Anschließend suchte Harald W. einige Zeit nicht mehr das Weingartengebiet auf.
Aufgrund der Aussage des glaubwürdigen Zeugen Karl S. geht die Kammer davon aus, dass das Fahrzeug des Harald W. am 15.09.1981 gegen 19.00 Uhr an dem vorbezeichneten Parkplatz abgestellt war. Der Zeuge Karl S. war sich in der Hauptverhandlung sicher, am 15.09.1981 gegen 19.10/19.15 Uhr auf dem „wilden Parkplatz in der Kurve“ ein verwaschenes grau-blaues oder grau-grünes Fahrzeug der Marke Ford Transit gesehen zu haben.
Harald W. wurde als schwerer Alkoholiker bezeichnet, aber er war offensichtlich fähig, sein Auto von München aus bis zum Weingarten zu steuern und sogar Wild zu treffen.
An dieser Stelle drängt sich das Gefühl auf, dass komischerweise mehrere Verdächtige Alkoholiker gewesen sind. Da sind die Eheleute Pfaffinger und jetzt auch noch Harald W.
Am Tattag hat er morgens einen Bock erlegt. Wenn er auch abends dort gewesen wäre, wie ein Zeuge behauptet, sein Auto so in der Zeit zwischen 18.15 und 19.15 Uhr gesehen zu haben, hätte Wilhelm kaum Wild erspähen können, denn die Suchaktion von UH wäre ihm und dem Wild nicht entgangen. Und bei der langen Suche wurde das Fahrrad erst gegen 23 Uhr entdeckt. Ich schätze, dass die Suchenden laut gerufen haben. Daran hätte sich Wilhelm sicherlich erinnert, wenn er dort gewesen wäre. (Als Nicht-Tatbeteiligter wohlgemerkt)
Dass Wilhelm beim Gang zur Kiste zusammengebrochen war, wurde ursächlich dem Alkoholkonsum zugeschrieben und nicht einer möglichen Tatbeteiligung.
Da sich Wilhelm oft und unmittelbar in der Nähe des Vergrabungsortes aufgehalten hatte, mussten die Täter wirklich sehr gut getarnt gewesen sein, sonst Hätte W. wenigstens etwas mitbekommen müssen. Wenn keine Tatbeteiligung vorlag, somit auch keine Absprache zwischen W. und den Tätern, waren die Täter offensichtlich ganz schön auf der Hut gewesen, wenn sie ebenfalls durch die Anwesenheit des Fords Transit wussten, dass W. in der Nähe war. Aber dass die Täter Ursula in die Kiste verbracht haben, zeigt, dass W. nicht dort gewesen sein kann, denn für die Täter bestand an dem Tag seitens der Abwesenheit von W. kein Risiko der Entdeckung, falls Ursula aufgewacht wäre und geschrien hätte.
So gaben eigentlich die Täter dem Harald W. ein Alibi.
Andersrum gesehen wäre Harald W. sofort als einer der ersten Tatverdächtigen angesehen worden, was ihm auch bewusst war. Er war intelligent und sein Bruder hatte einen Doktortitel.
Aber trotzdem sehe ich entgegen der Ansicht der Kammer ein Motiv: Geld. Obwohl Harald W. eine satte Pension von 2.500 DM hatte, verdiente seine Frau zwischen 4.000 und 5.000 DM. So eine Situation könnte für Frust bei Harald W. gesorgt haben. Um sich aus dieser Situation zu lösen und finanziell unabhängig zu werden, kann durchaus ein starkes Motiv sein.
Leitet man daraus eine Tatbeteiligung des Harald W. ab, würde alles gut passen und gegen Harald W. sprechen. Allein der Ausblick vom Hochsitz würde für eine Überwachungsfunktion des Harald W. sprechen, sozusagen als Camouflage für die Ansitzjagd.
JagBlack