Sam789 schrieb:Wie erklärst du dir dann, dass WM bereits im März/April an P den Auftrag zum Graben + die Stelle für die Kiste gezeigt haben soll - noch lange bevor Ursula Ende Juni überhaupt erst zur Turnstunde fuhr? Wenn man die Aussage von P in ihrem Kern für wahr nimmt, dann würde das ja bedeuten, dass ursprünglich nicht Ursula Teil des Plans gewesen sein kann.
Richtig, zu dem Zeitpunkt war Ursula mMn. noch nicht im Fokus. Es gab noch kein konkretes Opfer und P. hat ja auch nicht gegraben. Im Frühjahr war Mazurek noch in der allgemeinen Planungsphase. Der Plan war bereits vor der Opferauswahl da. Zuerst überlegte Mazurek, einen Coup zu landen, mit dem man auf einen Schlag zu Geld käme. Im weiteren Verlauf rückte der Gedanke, ein Kind zu entführen und Lösegeld zu erpressen in die engere Wahl. Als Mazurek mit P. darüber sprach, hatte er sich bereits eine vergrabene Kiste als Aufbewahrung für das (noch unbekannte) Entführungsopfer überlegt und passende Lokalitäten ins Visier genommen. Der Weingarten schien ihm geeignet. Vielleicht gab es zwischenzeitlich auch ein anderes (älteres) Mädchen als potenzielles Opfer, das dann aber wieder ausschied.
margaretha schrieb:Wenn er den Erpresserbrief schon nicht vollständig vorbereitet, weil ja Ursula z. B. nach den Ferien nicht mehr zum Turnunterricht geht, warum ließ er dann von KP das Loch buddeln?
Weil ein vorbereitetes Versteck für das Opfer am Tag der Entführung natürlich notwendige Bedingung ist. Man wollte das Kind ja nicht mit nach Hause nehmen oder im Wald so lange mit dem betäubten Kind herumstehen, bis P. das Loch fertig hatte.
margaretha schrieb:Dann hätte er aber auch den Erpresserbrief rechtzeitig abschicken können, weil diese These vorausgesetzt wusste er ja wen er entführt (hat).
Richtig, die Truppe wusste, wen sie da entführt hat. Der Brief sollte aber woanders eingeworfen werden und da J. und W. nach Landsberg zum Krankenhaus fuhren, haben sie das übernommen und verbummelt. Das war dann nicht Mazureks Schuld.
laikaaaaa schrieb:Außerdem wäre es ziemlich unsinnig, jemanden zu entführen, den man kennt (was ja die Spur zu ihm führen könnte), der in der Nähe wohnt und von dem man weiß, dass die Eltern nicht viel Geld haben.
Es gab keine offizielle Verbindung zwischen Mazurek und den Herrmanns. Ihm kam es drauf an, dass die Kiste schnell erreichbar war und das Opfer unbeobachtet abgegriffen werden kann. Für ein Ausspionieren war die Nähe perfekt. Er verließ sich darauf, dass das Geld auch bei einem Opfer aus der Mittelschicht irgendwie organisiert werden würde, was ja auch geschah. Notfalls hätte er sich auch herunterhandeln lassen.
laikaaaaa schrieb:Dies und die Tatsache, dass die Gegenstände in der Kiste eher nicht für ein 10jähriges Mädchen geeignet scheinen
Die Romane wurden vielleicht sogar zuerst selbst noch gelesen, Mazurek wusste und interessierte nicht, was Kinder mögen. Er hat das vom Grabbeltisch gewählt, was er selbst und seine Frau so lesen. Das ist dabei interessant:
2r2n schrieb am 25.02.2018:Teile davon kamen seiner Tochter bekannt vor
____________________________________
robernd schrieb am 22.12.2020:Sonst wäre für das Fahrrad ein Versteck vorgesehen gewesen
Mit dem Fahrrad haben sie das m.E. Bestmögliche getan: Es ein Stück mitgenommen und dann an einer Grabenböschung abgelegt (S. 33 Urteil). Es wurde auch erst um 23.19 Uhr gefunden. Die Täter wollten ja das Opfer so schnell wie möglich zur Kiste bringen und dabei nicht gesehen werden. Ein Auto hatten sie nicht in der Nähe und das Fahrrad in die entgegengesetzte Richtung zu tragen, war erstens zu riskant und dafür war zweitens unten bei der Entführungsstelle am See auch keine Hand frei, wenn dort nur Mazurek und ein weiterer Täter postiert waren.
robernd schrieb:Heute habe ich KPs Skizze der Grabungsstelle gefunden.
Zu dem Zeitpunkt, als diese Skizze erstellt wurde, war P. bereits wieder von seinem Geständnis abgerückt. Er wollte die Ermittler glauben lassen, dass Mazurek ihm zwar einen Auftrag für eine Lochgrabung erteilt und ihm auch eine Stelle im Weingarten gezeigt hat, er das Loch aber nicht gegraben hat. Er wollte nicht als Tatbeteiligter gelten und daher durfte die "Auftragsstelle" nicht identisch sein mit der echten "Grabestelle". So erklärt sich die ganz andere Stelle direkt am Seeweg.
Ich gehe nicht unbedingt konform mit den Ausführungen im Urteil, dass Ps Beschreibungen des Ortes als erlebnisfundiert gewertet werden können (mit Ausnahme der Lochgröße und der Bodenschichten). Es gibt aber bekanntlich anderes, sehr Stichhaltiges, was seine Angaben als verifiziert gelten lässt. Das sind die zu seiner Aussage passenden Zeugenaussagen (einer sah in sogar oben bei der Aumühle mit Mofa und Spaten aus dem Wald kommen, Seite 142) und die Tatsache, dass es keinen Grund gab, Mazurek als Auftraggeber eines Lochs im Weingarten hinzustellen UND ihn später - das ist für mich persönlich ganz ausschlaggebend - den "Haupttäter" zu nennen (Urteil Seite 124), dessen Benennung P. Vorteile verschaffen könnte.
Dieses Wort ist für mich erlebnisfundierter als die Bodenschichten, der Jägerstand und der helle Kistendeckel. Genau das ist mMn. nämlich die Wahrheit und zudem der Antrieb für Ps Aussage. Die Polizei sollte wissen, wer der Haupttäter war, der die Ideen hatte, der alle anderen rückwirkend betrachtet zu einem Schei*Plan überredet hatte und die Instruktionen erteilte. Genauso dachte evtl. auch AW., als er anonym einen Hinweis erteilte. (Seite 37 des Urteils)
Vielleicht gab es schon während der Planungen bei den Mittätern Zweifel am Gelingen, die Mazurek alle beiseitefegte. Nach dem gescheiterten Entführungsprojekt waren die Täter sicher geschockt. M, weil er kein Geld bekam, andere zudem, weil sie den Tod eines Kindes verschuldet haben und diese Schuld zu minimieren versuchten, indem sie in Mazurek den eigentlichen Initiator und Organisator sahen und dies auch irgendwie deutlich machen wollten. Es ist gut möglich, dass AW mit dem anonymen Hinweis sein Gewissen erleichtern wollte.
Pfaffingers Aussage ist jedenfalls ausreichend verifiziert. Er war um den 15.09.81 herum mit einem Spaten am Mofa unterwegs. Er kam beim Weg, der zur Kiste führt, aus dem Weingarten. Entweder ist er der Täter oder er ist nur der Lochgräber/Mittäter und Mazurek der Haupttäter.
Die Argumentation, mit einem Spaten habe man dort nicht graben können, ist in meinen Augen totaler Blödsinn, genauso wie das Argument, dass P. nie derart offensichtlich mit dem Spaten die Straße langgefahren wäre und die Spatenfahrten folglich reiner Zufall seien und harmlose Gründe haben müssten.
Für P. hatten sie einen harmlosen Grund: Er hat ja im Zweifel nur ein Loch für Mazurek gegraben, zum Beispiel für Bundeswehrgeräte (S. 155).
Die Aussage des P. in Übereinstimmung mit den Zeugenaussagen lässt nur den Schluss zu, dass P. ein Loch buddelte und zwar nicht für sich selbst, dafür hatte er nicht das Format und die Kapazitäten. M. als Auftraggeber oder vielmehr Haupttäter ist sehr wahrscheinlich.
Nun hatte man schon zwei Hinweise auf Mazurek, der zudem ein Motiv besaß, und man brauchte weitere tatbezogene Indizien. Die fand man in Form des zur Tätertonfolge passend entarteten TK 248, des Stoffes, des Fernglases, des fachmännisch manipulierten Radios und des Gürtelstücks.
Obendrein hat M. nicht geschwiegen, sondern sich beim Fernglas und beim Tonbandgerät um Kopf und Kragen gelabert und damit seinen Verdächtigtenstatus und die tatbezogenen Indizien nochmal exklusiv aufgewertet.