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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

11.655 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Wald, Entführung, München ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

10.10.2019 um 09:18
@monstra
@JosephConrad

Es muss ja vor der Beauftragung der Gutachterin konkrete Fragen gegeben haben,, die die StA (wenn diese im Ermittlungsverfahren das Gutachten eingeholt hat) oder später das Gericht bzw. StA und Verteidigung an die Gutachterin gerichtet haben. Zu welchen Fragen also sollte das Gutachten Stellung nehmen, was bedurfte nach Meinung der beauftragenden Institution der Klärung? Was also war zunächst überhaupt Inhalt des Auftrags an die Gutachterin?

Diese konkreten Fragen müssten (ob richtig oder falsch), sei an dieser Stelle dahingestellt) im Gutachten beantwortet sein, und zwar müsste in diesem Zusammenhang dort auch die Methodik der Ergebnisfindung beschrieben sein. Zusätzlich können in der Hauptverhandlung weitere Fragen, die sich aus dem Gutachteninhalt für die Prozessbeteiligten ergeben haben, gestellt und beantwortet worden sein.

Ob bei alldem etwas von euren Fragen dabei war und wie die Antwort gelautet hat: Das läßt sich hier wohl nicht abschließend klären.


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10.10.2019 um 09:31
Ein letztes: Wobei die Frage, ob und welche bekannten oder unbekannten Fingerabdrücke bzw. DNA auf dem Gerät, den Spulen oder sonstwo an Teilen des Geräte waren, sicher interessant ist. Diese Frage hat aber die Phonetik-Gutachterin nicht beantworten können, das hätte ein Experte für derartige Dinge machen müssen. Vielleicht gab es Sachverständigenaussagen zu diesem Thema.


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10.10.2019 um 10:35
@HeinzHaferkamp

Das ist natürlich richtig. Interferenzen allgemein führen zu solchen frequenzabhängigen Abschwächungen/Verstärkungen von Tönen.

Ich habe mich bewusst auf das beschränkt, was die Gutachterin im Zivilverfahren zugegeben hat.
Zitat von JosephConradJosephConrad schrieb:Herrn Mazurek Aussage, das Gerät genau bei diesem Flohmarkttermin gekauft zu haben, halte ich für fragwürdig.
Vielleicht hatte er ja nur eine plausible Geschichte gesucht um die Herkunft des Gerätes zu erklären, vielleicht hatte er das Gerät sogar bei der Tat benutzt.
Wenn man unvoreingenommen an die Flohmarkt-Erzählung von M ran geht, ist sie sehr glaubwürdig.

Sie ist gespickt mit vielen Details und zwar Details, die nachzukontrollieren wären. Einige, wie den Standort des Stromaggregats waren nachvollziehbar. Obwohl ich Technik-Affin und ich öfter auf einem Flohmarkt bin, habe ich dann keinerlei Erinnerung mehr, wo irgendwelche Stromaggregate standen. Die fallen einem erst gar nicht auf. Erst wenn sie für einen selbst eine Bedeutung haben, erinnert man sich dran.

Nun zum „ins Gras laufen“. Das ist schon allein eine Beobachtung, auf die man per Phantasie erst kommen müsste. Das ist genauso ungewöhnlich. Und dann noch gespickt mit einem bestimmten Musikstück, die auf die Ablehnung Ms stößt. Eine Erzählung wie aus dem täglichen Leben.

Und nun zu dem rechten Aufwickelteller. Hätte das Gerät Mazurek schon länger in seinem Besitz gehabt, hätte er gewusst, dass es (falls es wirklich so wäre) einwandfrei funktioniert. Es wäre schon extrem außergewöhnlich, ja geradezu absurd, wenn er dann eine solch sehr lebendige Geschichte erfunden hätte.


Und Du vergisst, dass Gerät wurde damals im Freien versucht in Betrieb zu nehmen. Komplett andere Umweltbedingungen als im Labor. Gerade wenn Geräte sehr alt sind und nicht mehr wirklich die vom Hersteller aus der Serviceanleitungen spezifizierten Grenzen einhält (was nach fast 50 Jahren kaum noch der Fall sein wird) ist das nicht sichergestellt. Außerdem sagt M, dass das Band in die Wiese lief. Das deutet darauf hin, dass er das Gerät einfach dahin gestellt hat, wo das Stromaggregat war. Schon der Untergrund wäre dann aber alles andere als eben, das Chassis des Geräts kann sich unter solchen Umständen auch verziehen, auch das ist ein Parameter, der im Labor nicht vorliegt, da steht das Gerät auf einem ebenen Tisch, bei Raumtemperatur und entsprechender Luftfeuchte. Und nicht vergessen, dass Gerät hatte in München schon einen extrem langen Transportweg hinter sich (Rüttelbrett), etwas, was bei dem Versuch Ms in falscher Position war, kann dann in die richtige Lage gerutscht sein, weil sich verharztes Öl gelöst hat. Da gibt es unendlich viel Möglichkeiten.

Eigentlich um diesen Dingen genau auf den Grund zu gehen, müsste man die ganze Maschine zerlegen. Aber auch dann wird man nicht immer ein eindeutiges Ergebnis bekommen. Aber zerlegt wurde es nicht, im Zivilverfahren hat die Gutachterin klar gesagt, dass keine Veränderungen an solchen Geräten durchgeführt werden. Sprich, selbst wenn man erkannt hätte, dass der Bandzug nicht mehr der Spezifikation entspricht, würde man es nicht korrigieren. Aber wie will man dann Aussagen über den Zustand des Gerätes vor 30 Jahren machen? Unmöglich!


Aber hier verzettelt man sich. Die Verwendung des TK248 ist nur eine theoretische Möglichkeit. Die Tastengeräusche passen großteils nicht und die etwas übereinstimmenden sind für eine funktionierende Wiedergabe nicht in der richtigen Reihenfolge. Die Theorie, die da die Gutachterin genannt hat, dass die Geräusche angeblich manipuliert worden sein könnten, ist eben nur eine rein theoretische Möglichkeit. Mit den damaligen Mitteln auch so gut wie unmöglich.


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10.10.2019 um 10:46
Zitat von PhischPhisch schrieb:Können die Kopierechos vom Sekundärgerät kommen, sprich von dem mobilen Rekorder/Diktiergerät, welcher letztlich in den Telefonzellen verwendet wurde? Die Frage ist, wie lange es dauert, bis Kopierechos bei solchen Geräten hörbar werden. Die (mobile) Kassette wurde vermutlich erst zur Tatvorbereitung bespielt. Gibt es da dann relativ schnell Kopierechos? Sonst wären diese ja ein weiterer Hinweis gegen die Verwendung eines großspuligen Tonbandgerätes.
Die im Polizeimitschnitt hörbaren Kopierechos stammen von einer Bandkassette und nicht vom TK 248 und auch nicht vom lange archivierten Polizei-Tonband. Kopierechos entstehen innerhalb weniger Tage. Auch ich habe mich mit diesem Spezialgebiet nicht ausgekannt. Das wurde ausführlich in einem anderen Forum (Archiv-Version vom 27.04.2018) diskutiert.
Zitat von JosephConradJosephConrad schrieb:Herrn Mazurek Aussage, das Gerät genau bei diesem Flohmarkttermin gekauft zu haben, halte ich für fragwürdig.
Vielleicht hatte er ja nur eine plausible Geschichte gesucht um die Herkunft des Gerätes zu erklären, vielleicht hatte er das Gerät sogar bei der Tat benutzt.
Zum Zeitpunkt zu dem Mazurek den Flohmarkt besuchte, ahnte die Polizei nichts von dem Gerät. Ebenso wenig wusste Mazurek, dass sich demnächst irgendwer dafür interessieren wird. Es gab also keinen Grund, sich Einzelheiten des Flohmarkts zu merken. Es sei denn, er hätte das Gerät dort tatsächlich gekauft. Zwischen dem Flohmarktbesuch und der Beschlagnahme lag so viel Zeit, dass M. kein "Alibi" für das alte Gerät hätte basteln müssen. Er hätte es einfach wegwerfen können.
Die Art der im Polizeimitschnitt enthaltenen Schaltgeräusche passt definitiv nicht zum TK 248. Deshalb konnte das TK 248 überhaupt nicht für die Herstellung der Entführeranrufe verwendet worden sein.
Das hatte auch die Gutachterin während der Zivilverhandlung eingeräumt. Sie bot stattdessen die Möglichkeit an, dass die Täter die Schaltgeräusche beliebig hätten zusammenschneiden können. Diese Möglichkeit hat sie auf bemerkenswerte Weise begründet:
Mazurek selbst hätte auf diese Möglichkeit hingewiesen. Siehe Stellungnahme der Gutachterin, Seite 6 unten.
1981 gab es nicht die Möglichkeit, Audioaufzeichnungen im Computer zu bearbeiten. Eine derartige Manipulation wäre nur duch mechanische Schnitte des Bandes und erneutes Zusammenkleben möglich gewesen. Die einzelnen Bandstücke eines TK 248 zum Zusammenkleben wären etwa 0,5 cm lang gewesen. Eine Klebstelle nimmt dabei ungefähr 2 cm ein. Also ein Ding der Unmöglichkeit. Auch wenn M. in seiner Naivität das erwähnt hatte.
Zitat von AndanteAndante schrieb:Nicht nur der Film war es, auch die Aussage der Gutachterin in der Verhandlung. Natürlich wird in einem Urteil nicht das ganze zusätzlich erstattete schriftliche Gutachten, welches dem Gericht vorliegt und welche wegen des Mündlichkeitsprinzips in der Hauptverhandlung verlesen wird, ins Urteil geschrieben/kopiert, dann wäre ein Urteil ja oft mehrere hundert oder tausend Seiten lang. Im Urteilstext wird dann meist nur auf die Seitenzahl der Akten verwiesen, wo das Gutachten im Wortlaut steht.
So einfach war es nicht. Die hier zuletzt diskutierten technischen Details (Funktion der Wickelspulen) sind im Gutachten überhaupt nicht erwähnt. Auch die präzisen Fragestellungen, wie wir sie von Ermittlungsbeamten kennen, gibt es nicht. Das Bayerische LKA hat vor dem Strafprozess auf eigene Initiative das Gerät untersucht.
Ich habe einmal das Inhaltsverzeichnis des Gutachtens und die Fragestellung eingefügt. Die Fragestellung scheint eine unspezifische und LKA-interne zu sein.

Inhaltsverzeichnis 150Original anzeigen (0,2 MB)


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

10.10.2019 um 10:56
Zitat von roberndrobernd schrieb:Ich habe einmal das Inhaltsverzeichnis des Gutachtens und die Fragestellung eingefügt.
Ist das dass Gutachten, auf das sich das Gericht gestützt hat???

Ich stelle nochmals meine Fragen von oben an die Audiophilen bzw. Akustiker:

Liegen die Fehler des Gutachtens im "ob", also in der Beantwortung einer Frage, die technisch gar nicht beantwortet werden konnte? Oder im "wie", also in einer unsystematischen, oberflächlichen, fehlerhaften Untersuchung?
1. Ist es möglich, einen akustischen "Fingerabdruck" eines Tonbandgeräts zu identifizieren? Speziell eines GRUNDIG TK248?

2. Ist das im Grundsatz auch mit über 25 Jahren Zeitabstand möglich?

3. Ist das auch möglich, wenn die Referenzaufnahme wie hier über eine ganze Reihe (mutmaßlicher) Übertragungswege zustande gekommen ist (Tonband -> Telefon -> Diktiergerät -> GRUNDIG -> Quelle)?

4. Was muss man tun (Methodik), um eine Identifikation bestimmen zu können und welche Wahrscheinlichkeitsgrade gibt es?Kurz zusammengefasst: Ist das Gutachten wissenschaftlich-technischer Voodoo oder wurde die Untersuchung fehlerhaft durchgeführt?



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2r2n ehemaliges Mitglied

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10.10.2019 um 12:10
@monstra
Das ist das Gutachten, auf das sich das Gericht gestützt hat.
Audioakustik ist eine hochkomplexe Angelegenheit. Ehrlicherweise muss man sagen, dass die Beantwortung der Frage, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Audiogerät für bestimmtes Audiomaterial, das vor 25 Jahren entstanden ist, ein unlauteres Unterfangen ist. Es wäre generell nur die fünfte Stufe denkbar gewesen ("möglich"), im Falle des TK 248 eher "nicht entscheidbar".
Wenn man sich dennoch an die Aufgabe wagt, ein Audiogeräte mit der Zielsetzung zu untersuchen, ob es für eine vorliegende Aufnahme verwendet wurde, sollte man bestimmte Vorgaben einhalten:
- Ein passendes Vergleichssignal (hier hat die Phonetikerin eines mit einem anderen Obertonspektrum genommen)
- Berücksichtigung aller möglichen räumlichen Situationen (darüber hat sie nicht nachgedacht)
- Berücksichtigung aller möglichen Positionen des aufnehmenden Geräts bzw. dessen Mikrophonposition (das erzeugt den gleichen Effekt, wie die Schrägstellung des Tonkopfs, wenn ein Monosignal über zwei Lautsprecher abgespielt wird)
- noch etliche andere Punkte, über die @robernd schon vielfach geschrieben hat

Also zusammengefasst die Antworten auf die vier Fragen:
1. Nein
2. Noch viel schwieriger
3. Erst recht nicht
4. Das Gutachten ist zwar kein wissenschaftlicher Voodoo aber notgedrungen äußerst lückenhaft und da wo keine Lücken waren, wurden auch noch viele Fehler gemacht

Ich habe jetzt ein Gutachterbüro, das auf solche Fragen spezialisiert ist, gefunden und warte auf Rückmeldung. Hoffentlich fürchten sie sich nicht vor dem bayerischen LKA.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

10.10.2019 um 13:07
@2r2n

Vielen Dank!

Als jemand, der noch im analogen Zeitalter groß geworden ist und diverse Erfahrungen mit Kassetten gesammelt hat, wäre meine erste Frage als Gericht, ob sich überhaupt aus dem Beweismittel Tonbandgerät "GRUNDIG TK248" Rückschlüsse auf eine Tonbandaufnahme eines Telefonanrufs von 1981 ziehen lässt. Ich wäre da erst mal skeptisch.

Ein Gutachter müsste mich also überzeugen, dass das Tonbandgerät einen unabänderlichen oder unveränderten akustischen "Fingerabdruck" erzeugt. Der dürfte auch durch den Transport über mindestens weitere Medien, die technisch bedingt Variablen erzeugen (Rauschen, Frequenzstörungen usw.), nicht verlorengeht:

1. GRUNDIG TK248 - vorhanden
2. Tonband 1981 - nicht vorhanden
3. Diktirgerät 1981 - unbekannt
3. a) Telefonzelle 1981 b) Telefonleitung 1981 c) Telefon 1981 - nicht vorhanden
4. Tonbandgerät Polizei 1981 - vorhanden?
5. Tonband Polizei 1981 - vorhanden

Desweiteren müsste ich überzeugt werden, dass der Gutachter Methoden angewandt hat, die geeignet sind, den "Fingerabdruck" zu identifizieren und in eindeutiger Weise zuzuordnen. Dabei müssten alle Faktoren ausgeschlossen oder wenigstens für unwahrscheinlich gehalten werden, die in 35 Jahren auf die noch vorhandenen Beweismittel (TK 248, Tonband und evtl. Tonbandgerät Polizei 1981) abändernd eingewirkt haben.

Wie die Messmethodik dann im Einzelnen war oder sein müsste (@robernd hat dazu ja viel in seinem Gegengutachten ausgeührt), kann ich nicht mehr beurteilen.

Was wäre also zu erwarten? Jedenfalls müsste unter den gegebenen Umständen nicht ausgeschlossen werden können, dass es das TK248 gewesen ist. OK.

Für einen sicheren Fingerabdruck bräuchte man dagegen das Originalband der Aufnahme (Nr. 2), das es nicht gibt. Und spezifische Eigenschaften des Geräts (Nr. 1), die schon 1981 bestanden und noch immer bestehen. Würde ein Gutachter das vertreten, würde ich inquisitorisch nachfragen, warum er dennoch dieser Ansicht ist.

Und wenn das Ergebnis des LKA-Gutachten ist: „dass es sich bei dem untersuchten Tonbandgerät Grundig TK 248 wahrscheinlich um eines der Geräte handelt, die für den Zusammenschnitt des Tatmaterials verwendet wurden“, dann fragt das Gericht sicher, wie stark diese Wahrscheinlichkeit sei und auf welche Beobachtungen sich denn spezifisch diese "Wahrscheinlichkeit" gründet.

M.a.W.: Warum ist ein GRUNDIG TK146 oder ein Philips 22AR090 unwahrscheinlicher als ein TK248? Oder sind alle drei gleich wahrscheinlich? Das müsste der Gutachter beantworten.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

10.10.2019 um 13:15
Jetzt fürchte ich aber folgendes:

Gutachten werden von Menschen erstellt und bewertet. Schon die Fragestellung "Wurde Gerät xy für den Zusammenschnitt von Tonmaterial verwendet?" ist für den Gutachter angesichts der Sachlage unangenehm. Letztlich müsste er sagen "Weiß ich nicht." Oder "Kann sein, kann aber auch nicht sein."

Wenn nun ein Gutachter des LKA am Werke ist, will er natürlich seinen Kollegen behilflich sein. Es geht um Tatverdächtigen in einem tödlichen Entführungsfall, die Beweislage ist schwierig. Er sucht also nach Anhaltspunkten für einen Zusammenhang. Er stellte etwaige Gemeinsamkeiten (die sich vielleicht nur ergeben, weil das gleiche Ausgangsmaterial - BR3-Jingle - genutzt werden) stärker heraus. Gegenproben, die die These entkräften, unterlässt er. Und schließlich ist er selbst davon überzeugt, dass er etwas gefunden hat.

Nun findet sich das Gutachten in den Ermittlungsakten und ein Gericht, das die Anklage zugelassen hat, steht vor den gleichen Problem wie der Gutachter. Schwierige Beweislage. Aber man GLAUBT doch ein bisschen, dass es sich um den Täter handelt. Spricht ja Einiges gegen ihn. Und lässt sich von der Polizei und dem Gutachter nun ebenfalls überzeugen. Die Fragen, die angesichts der Untersuchungssituation (s.o. Nr. 1 bis 5) ergeben müssten, bleiben ungestellt.


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2r2n ehemaliges Mitglied

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10.10.2019 um 13:26
Zitat von monstramonstra schrieb:Wenn nun ein Gutachter des LKA am Werke ist, will er natürlich seinen Kollegen behilflich sein. Es geht um Tatverdächtigen in einem tödlichen Entführungsfall, die Beweislage ist schwierig. Er sucht also nach Anhaltspunkten für einen Zusammenhang. Er stellte etwaige Gemeinsamkeiten (die sich vielleicht nur ergeben, weil das gleiche Ausgangsmaterial - BR3-Jingle - genutzt werden) stärker heraus. Gegenproben, die die These entkräften, unterlässt er. Und schließlich ist er selbst davon überzeugt, dass er etwas gefunden hat.
So in etwa stelle ich mir das auch vor. Gutachter sind auf jeden Fall auch nur Menschen. Und die Kollegialität innerhalb des LKA spielte sicher auch eine Rolle.
Was mich während des Strafverfahrens nur verstört hat, war die Geradlinigkeit, mit der das Gericht allen Ideen der StA (und damit auch der LKA Gutachterin) gefolgt ist. Und, dass die Idee, ein zweites Gutachten zuzulassen, kein Gehör gefunden hat.


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10.10.2019 um 13:48
Zitat von monstramonstra schrieb:Für einen sicheren Fingerabdruck bräuchte man dagegen das Originalband der Aufnahme (Nr. 2), das es nicht gibt. Und spezifische Eigenschaften des Geräts (Nr. 1), die schon 1981 bestanden und noch immer bestehen. Würde ein Gutachter das vertreten, würde ich inquisitorisch nachfragen, warum er dennoch dieser Ansicht ist.

Und wenn das Ergebnis des LKA-Gutachten ist: „dass es sich bei dem untersuchten Tonbandgerät Grundig TK 248 wahrscheinlich um eines der Geräte handelt, die für den Zusammenschnitt des Tatmaterials verwendet wurden“, dann fragt das Gericht sicher, wie stark diese Wahrscheinlichkeit sei und auf welche Beobachtungen sich denn spezifisch diese "Wahrscheinlichkeit" gründet.

M.a.W.: Warum ist ein GRUNDIG TK146 oder ein Philips 22AR090 unwahrscheinlicher als ein TK248? Oder sind alle drei gleich wahrscheinlich? Das müsste der Gutachter beantworten.
Und dann sagt die Gutachterin, dass bei der Tätertonfolge der 6. Oberton des 6. Tons abgeschwächt ist und dass genau dieser Ton auch bei Aufnahmen dieses speziellen Tonbandgerätes so abgeschwächt ist, weil der Magnetkopf dieses Geräts eine abnormale Fehlstellung hat.

Dann klingt das für dich doch durchaus plausibel, oder?


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2r2n ehemaliges Mitglied

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10.10.2019 um 13:51
Zitat von JosephConradJosephConrad schrieb:der 6. Oberton des 6. Tons
Was meinst du damit?


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

10.10.2019 um 13:54
Zitat von 2r2n2r2n schrieb:Was meinst du damit?
Sorry, ich hatte im Forum recherchiert, war es nicht so im Gutachten dargestellt wie es unten beschrieben ist?
Zitat von SCMP77SCMP77 schrieb am 10.12.2017:Das zeigt aber, dass der 6. Ton (es ist in Wirklichkeit der 6. Oberton des 6. Tons) in einem weiten Bereich gedämpft wird. ...



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10.10.2019 um 14:13
@monstra
Un wenn dann nochmals nachgefragt wird, erfolgt u.g. Antwort. Wie würdest Du als Richter dann das Gutachten einschätzen?
Zitat von ErwinKösterErwinKöster schrieb am 06.12.2017:Auch Nebenkläger Michael Herrmann, der Bruder des Opfers, befragte Dagmar Boss. So sei es für ihn
erstaunlich, dass der Aufnahmekopf des Gerätes, das man bei Werner M. fand, nie rejustiert werden musste. Die Schrägstellung des Aufnahmekopfes war ein zentrales Indiz im Gutachten gewesen. Boss erklärte, dass ein pfleglich behandeltes Gerät durchaus ohne Reparaturen auskommt.[Oder nie wieder verwendet wurde? Anm EK] Auch die Frage nach der möglicherweise verfälschenden Positionierung des Aufnahmegerätes bei der Versuchsanordnung der Ermittler entkräftete die Gutachterin. Die für das Tonbandgerät charakteristischen Normabweichungen seien in einem sehr breiten Positions-Spektrum nachgewiesen worden.



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10.10.2019 um 15:00
Zitat von monstramonstra schrieb:Wenn nun ein Gutachter des LKA am Werke ist, will er natürlich seinen Kollegen behilflich sein. Es geht um Tatverdächtigen in einem tödlichen Entführungsfall, die Beweislage ist schwierig. Er sucht also nach Anhaltspunkten für einen Zusammenhang.
Nein, das wäre ja ein parteiischer Gutachter. Auch bei einem LKA-Gutachter kann man erwarten und voraussetzen, dass er nach bestem Wissen und Gewissen die ihm als Fachmann (oder Fachfrau) gestellten Fragen nicht von einem bestimmten Ergebnishorizont her beantwortet.

Rechtsmediziner sind auch allermeistens Beschäftigte des Bundeslandes, bei dem auch Richter und Staatsanwälte angestellt sind. Trotz dieses gemeinsamen Arbeitgebers wird ein Rechtsmediziner kein bewusstes Parteigutachten abgeben.

Zumal die StA bekanntlich gesetzlich verpflichtet ist, sowohl be- wie entlastende Momente zu berücksichtigen. Sie wird daher keinen Einfluss auf das Gutachten nehmen, und der Gutachter muss nun wahrlich nicht befürchten, aus dem LKA entlassen zu werden, wenn er ein unabhängiges Gutachten erstellt.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

10.10.2019 um 15:09
@JosephConrad

Du hast hier ein schönes Zitat aus der Presse herausgesucht.

Hier sieht man, wie ein Prozessbeobachter offenbar die Situation bewertet hat. Für alles hatte scheinbar die Gutachterin eine Antwort und konnte „Überzeugen“. Das ist eben das große Problem, überzeugen kann auf jeden Fall ein Gutachter, aber ob das, was er sagt stimmt, weiß in der Regel niemand.

Schlimmer noch, wenn man sich etwas mit psychologischen Experimenten auskennt, auch Menschen, welche vorher die in Wirklichkeit zutreffende Ansicht hatten, lassen sich durch entsprechendes Auftreten überzeugen, vom Gegenteil überzeugen.

Außerdem sieht man hier an diesem Pressebericht, wie man wesentliche Dinge nicht wahrnimmt. Die Gutachterin hat in diesem Zusammenhang eben auch noch von dem ersetzen Lack am Wiedergabekopf gesprochen. Diese Aussage steht im krassen Widerspruch zu dem was im Presseartikel steht. Die Gutachterin hat im Gerichtssaal zugegeben, dass das Gerät irgendwann einmal repariert worden ist! Der Beobachter hat dieses Detail offenbar gar nicht wahr genommen. Das ist eben die Schwierigkeit im Strafverfahren, da sagt der Gutachter/Zeuge irgendetwas und die beteiligten Personen machen unabhängig ihre Notizen.

Im Zivilrecht ist das genau anders, da wird in jeder Tatsacheninstanz sowohl von Zeugenaussagen als auch Gutachten ein Wortprotokoll erstellt. Richter/die Parteien können dann später noch im stillen Kämmerlein diese Aussagen nochmals sich ansehen. Im Strafverfahren kann man aber nur über die eigenen Notizen sinnieren und man kann sich nie sicher sein, ob man das wesentliche überhaupt erfasst hat . Der Presseschreiber des obigen Artikels hatte es jedenfalls nicht. Sicher wird der Presseschreiber nicht so genau hinhören als ein Anwalt/Richter/StA, aber die Gefahr bleibt bestehen.

Wenn man dann dieses Detail erst im Urteil liest, ist es zu spät, es gibt bei Kapitaldelikten keine weitere Tatsacheninstanz, wo man genauer zu dieser „Reparatur“ Stellung beziehen kann.

Die Antwort auf diese „Reparatur“ wäre die, dass durch den nachjustierten Wiedergabekopf keine Aussage mehr getroffen werden kann, wie sich das Gerät im Jahre 1981 verhalten hat.

Für mich würde ein Wortprotokoll oder zumindest Tonaufzeichnung in einem Strafprozess einfach dazu gehören, es gibt eigentlich kein wirklich stichhaltiges Argument, keins anzufertigen, insbesondere bei den heutigen technischen Möglichkeiten. Noch viel wichtiger ist ein solches Protokoll, weil es keine weitere Tatsacheninstanz mehr gibt. Für mich ein extremer Fehler in Deutschen Strafrecht.

Hier wurden eigentlich die richtigen Fragen gestellt, durch die Überzeugungskraft und fehlende Protokollierung dürfte das Gutachten dann nicht mehr ausreichend angegriffen worden sein.

Eigentlich zeigt dieser Fall viele der systematischen Fehler im Deutschen Strafprozess.
Zitat von AndanteAndante schrieb:Nein, das wäre ja ein parteiischer Gutachter. Auch bei einem LKA-Gutachter kann man erwarten und voraussetzen, dass er nach bestem Wissen und Gewissen die ihm als Fachmann (oder Fachfrau) gestellten Fragen nicht von einem bestimmten Ergebnishorizont her beantwortet.
Das ist die Theorie.

Wie gesagt, versuch Dich einzulesen, es gibt eben auch die Praxis, welche manchmal anders als die Theorie aussieht.


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10.10.2019 um 15:13
Zumal der Weg ja andersherum ist, also nicht so, wie sich das manche Verschwörungstheoretiker offenbar so vorstellen:

Nicht die StA entscheidet zunächst, Anklage zu erheben, und "bestellt" danach, ironisch gesprochen, ein hübsch passendes Parteigutachten beim LKA oder beim BKA (BKA war involviert in Sachen Schussgutachten im Fall Andreas Darsow).

Sondern die StA lässt etwas von einem unabhängigen Gutachter beantworten und entscheidet erst dann, ob sie aufgrund des Gutachtenergebnisses und anderer Ermittlungsergebnisse überhaupt Anklage erhebt.


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10.10.2019 um 15:16
Zitat von AndanteAndante schrieb:Sondern die StA lässt etwas von einem unabhängigen Gutachter beantworten und entscheidet erst dann, ob sie aufgrund des Gutachtenergebnisses und anderer Ermittlungsergebnisse überhaupt Anklage erhebt.
Ist hier im vorliegenden Fall nicht erfolgt. Die Gutachterin war von Anfang an in die Ermittlungen eingebunden, sie hatte als erste überhaupt das Gerät in der Hand. Wirklich unabhängig war sie eben nicht. Auch ein Fehler des Verfahrens.

Sie hat letztlich ihre eigene Ermittlungsarbeit "begutachtet".


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

10.10.2019 um 15:19
Zitat von JosefK1914-2JosefK1914-2 schrieb:Ist hier im vorliegenden Fall nicht erfolgt. Die Gutachterin war von Anfang an in die Ermittlungen eingebunden, sie hatte als erste überhaupt das Gerät in der Hand. Wirklich unabhängig war sie eben nicht. Auch ein Fehler des Verfahrens.
Für mich hört sich das an, wir haben keine Beweise, dann wird einmal ein Gutachten passend gemacht.


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10.10.2019 um 15:21
Zitat von JosefK1914-2JosefK1914-2 schrieb:sie hatte als erste überhaupt das Gerät in der Hand. Wirklich unabhängig war sie eben nicht. Auch ein Fehler des Verfahrens.
Das will ich doch wohl stark hoffen, dass sie das Gerät zur Untersuchung in der Hand hatte. Warum sie deswegen nicht unabhängig sein soll, erschließt sich mir nicht. Sie ist keine Polizistin, sie ist als Wissenschaftlerin bzw. Phonetikexpertin beim LKA angestellt, wie viele andere Fachleute anderer Fachgebiete auch. Sind die alle parteiisch?
Zitat von SunziChrisSunziChris schrieb:Für mich hört sich das an, wir haben keine Beweise, dann wird einmal ein Gutachten passend gemacht.
Genau das sollst du ja auch glauben.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

10.10.2019 um 15:24
Zitat von SunziChrisSunziChris schrieb:Für mich hört sich das an, wir haben keine Beweise, dann wird einmal ein Gutachten passend gemacht.
Das würde ich nicht unbedingt sagen, ich denke es war so, wie es @monstra vermutet. Man wollte ein Ergebnis und man hat einfach dann nicht mehr die vielen anderen Möglichkeiten beachtet. So etwas passiert einfach, böser Wille steckt nicht dahinter. Diese Dinge sind aber bekannt und das Rechtssystem müsste zu ausgestattet sein, diese Mechanismen zu erkennnen.

Man hätte hier eben wirklich ein unabhängiges Gutachten erstellen müssen. Das war leider nicht erfolgt.

Etwas übertrieben ausgedrückt: Ein Schüler benotet sich doch auch nicht seine eigene Arbeit, aber letztlich ist das genau erfolgt.


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