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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

11.655 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Wald, Entführung, München ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre
2r2n ehemaliges Mitglied

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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

23.02.2018 um 23:00
Der NSU Komplex ist von einer Lösung weit entfernt, das glaube ich auch. Ich denke, es geht bei Ermittlungen, die letztendlich zu juristischen Vorgängen führen, immer auch um die Demonstration des Rechtsstaates, auch wenn sich das im Fall des NSU wie eine Farce anhört. Aber es ist ein Aspekt, der aus meiner Sicht immer das Hintergrundrauschen bei Gerichtsverfahren und im Vorfeld sicherlich auch bei Ermittlungen darstellt. Und da muss ich sagen, bin ich auch stolz, dass in Deutschland die Parameter eines Rechtsstaates gegeben sind. Sie finden zwar nicht immer Anwendung, speziell in Bayern haben wir ja ein Problem mit der Gewaltenteilung, aber im großen und ganzen funktioniert die Sache schon.
Ob in unserem Fall Druck auf die Ermittler ausgeübt wurde, weiß ich nicht. Ich glaube eher, dass viele Altfälle einfach nochmal in den Blick genommen wurden, gerade wegen der immer größer werdenden DNA Möglichkeiten. Ich weiß, dass ich 2005 zum DNA Abgleich gebeten wurde, ein sicheres Zeichen, dass man sich wieder Gedanken machte.
Warum dann Anfang 2007 die Spur 237 (Mazurek) wieder in den Blickpunkt rückte, kann wohl nur das LKA beantworten. Wenn man bedenkt, dass Mitte 2006 der Böhringer Mord war, könnte man spekulieren, dass die DNA Übereinstimmung die Behörden aufgescheucht hat. Die wurde zwar erst im Mai 2007 öffentlich, war aber evtl. vorher schon intern bekannt. Da hat man dann geschaut, wer denn damals schon mal unter Verdacht stand.
Die drohende Verjährung wird immer wieder genannt und die ist dann kein Thema mehr, wenn neue Ermittlungen zu staatsanwaltlicher Tätigkeit führen (auch ohne Gerichtsverhandlung, wenn ich richtig informiert bin). Das ist dann ja auch geschehen. Man hätte aber noch Zeit bis 2011 gehabt, es war 2007 also noch nicht zwingend notwendig, tätig zu werden.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

24.02.2018 um 08:44
@ErwinKöster

Es ist leider schwierig mit Dir zu diskutieren.

Klar kann man sich immer darauf zurück ziehen, dass das Gericht schon alles richtig gemacht haben soll. Mich interessiert aber nicht die juristische Wahrheit, mich interessiert die wirkliche Wahrheit und ich habe mittlerweile schwerwiegende Bedenken, dass sich hier die juristische und wirkliche Wahrheit deckt. Hätte man sich schon immer nur nach der formellen Richtigkeit der juristischen Frage von Urteilen gefragt, hätte es in der Justiz nie einen Fortschritt gegeben, es gäbe heute noch immer Folterungen und Hexenverbrennung, ich denke niemand will das wirklich.

Jedem sollte eigentlich weniger die juristische Wahrheit am Herzen liegen sondern sich fragen, ob sich die juristische Wahrheit mit der wirklichen Wahrheit deckt. Gibt es Zweifel an der juristischen Wahrheit und wie könnte man die Rechtsprechung verbessern. Daran sollte aus meiner Sicht eigentlich jedem gelegen sein.


Du ziehst Dich leider sehr häufig nur auf die reine "juristische" Wahrheit zurück und zählst auf, was ein Richter alles machen darf, ohne Dir die Frage zu stellen, ob das sinnvoll ist oder dem Fall auch gerecht wird.

Denn wenn man genug nachbohrt wird man bei jedem solche "Indizien" finden, man muss einfach nur wollen. In Wirklichkeit ist es – wie Du selber gesagt hast - ein Gedankenspiel, mehr auch nicht. Wenn ein Gericht darin mehr sieht, zeigt es nur seine Voreingenommenheit.

Man kann auch nicht jede beliebige "Denkmöglichkeit" hernehmen und sie als Indiz ansehen. Das würde dazu führen, dass man so gut wie jedem ein Verbrechen anhängen kann, wenn man einfach nur will. Mit Rechtsstaatlichkeit hat das dann aber nicht die Bohne zu tun. Du selber hast zugegeben, selber Zugriff auf die Serie gehabt zu haben. Ich hatte sie 1972 auch, denn auch etwa in dieser Zeit bekamen wir immer diese abgelesenen Hefte als Mittebringe.

Dir selber dürfte klar sein, dass die Wahrscheinlichkeit für Deine Gedankenkonstruktionen äußerst gering ist. Da liegt dann ganz zufällig ein 9 Jahre altes Heft bei einer Bekannten rum, als just in dem Moment M dort war und es gesehen hat und vollkommen ungestört es lesen könnte. Oder er hat sich ausgerechnet diese gebundene Jahresausgabe angesehen? Warum sollte er. Die Wahrscheinlichkeit für ein solches Szenario ist extrem gering. Wenn man das als Indiz sieht macht man aus meiner Sicht einen schweren Fehler. Wenn man das hernimmt und man versucht eine reine Möglichkeit zusätzlich als belastend anzusehen, dann ist das nichts anderes als ein Zirkelschluss, also ein juristischer Fehler.

Daher wird ein Gedankengang erst dann zum Indiz, wenn er von vornherein eine hohe Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit besitzt odem man mittels Zeugenaussagen diese Wahrscheinlichkei ausreichend erhöhen kann. Das ist meines Wissens hier jedoch nicht der Fall.

Im vorliegenden Fall gibt es auch andere deutlich zeitnähere Entführungsfälle, die als Denkanstoß gedient haben könnten. Beispielsweise die Oetker-Entführung. Hier hatte der Täter eine perfide Methode eingesetzt, um das Opfer an Hilferufen zu hindern. Diese Methode hätte Oetker fast das Leben gekostet, sie hatte aber dazu geführt, dass er überlebt hatte und er nicht mehr in der Embryonalstellung sitzen musste, welche schwere Schäden seiner Lunge verursacht hatte und andernfalls zum Tod geführt hätte. Diese Entführung war quasi eine Vorlage, wie man es nicht machen sollte.

Die Täter haben im vorliegenden Fall es leider das Problem der Hilferufe auf eine andere Art zu lösen versucht, die dem Opfer das Leben gekostet hat und haben eine größere Kiste gebaut, so dass das Opfer normal hätte sitzen können.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

24.02.2018 um 11:18
Zitat von ErwinKösterErwinKöster schrieb:Im Allgemeinen ist ein Indiz mehr als eine Behauptung, aber weniger als ein Beweis. Laut BGH eine "Hilfstatsache"
Das deckt sich mit der Definition in Wikipedia:
Wikipedia schrieb:Ein Indizienbeweis in einem Gerichtsverfahren liegt vor, wenn von dem Vorliegen einer oder mehrerer Tatsachen (Indiztatsachen) auf die eigentlich zu beweisende Haupttatsache logisch geschlossen werden kann.[1] Die Indiztatsachen müssen im Prozess voll bewiesen sein, also zur Überzeugung des Gerichts feststehen. Zum Beweis dienen alle herkömmlichen Beweismittel.
Diese Betrachtungsweisen hat eine Nebenwirkung: Mir bleibt die Luft weg.
Zumindest das Tonbandgutachten bzw. das Tonbandgerät ist also in der Tat kein Indiz! Von Hilfs-Tatsache oder Indiz-Tatsache kann beim besten Willen keine Rede sein. Was ist daran schon "voll bewiesen", wenn selbst die Gutachterin lediglich von "wahrscheinlich" spricht? Hat sich hier ein Richter erdreistet, trotz absoluter Ahnungslosigkeit seine Überzeugung über die der Sachverständigen zu stellen?

Auch wenn die Gutachterin sich geweigert hat, ihrem Wort "wahrscheinlich" einen Zahlenwert zuzuordnen, kann sie sich der übliche Darstellungsweise, die auch das BKA in einer Broschüre veröffentlicht hat, nicht verschließen. Es handelt sich um eine Wahrscheinlichkeit von ungefähr 75 %. Aus Sicht einer Phonetik-Expertin. Aus Sicht eines Technikers vom Fach dürfte die Wahrscheinlichkeit in der Größenordnung von 0 bis 1 % liegen. Das ist übrigens nicht allein meine Meinung, in dem Punkt sind sich z.B. die durchwegs sachkundigen Mitglieder eines Tonbandforums (Archiv-Version vom 28.02.2018) einig.

Auch ein Jurist möge sich überlegen, was 75 % Wahrscheinlichkeit bedeuten:
Jedes vierte derartige Gutachten ist falsch. Jedes vierte darauf aufbauende Urteil ist ein Fehlurteil.
Zitat von SCMP77SCMP77 schrieb:Jedem sollte eigentlich weniger die juristische Wahrheit am Herzen liegen sondern sich fragen, ob sich die juristische Wahrheit mit der wirklichen Wahrheit deckt. Gibt es Zweifel an der juristischen Wahrheit und wie könnte man die Rechtsprechung verbessern. Daran sollte aus meiner Sicht eigentlich jedem gelegen sein.
Dem kann ich mich nur anschließen!
Konrad-Adenauer schrieb:Wie mein Freund Pferdmenges unterscheide ich drei Steigerungen der Wahrheit: Die einfache, die reine und die lautere Wahrheit. Ich will Ihnen jetzt die reine Wahrheit sagen...
Adenauer und der Herrmann-Prozess erinnern mich irgendwie an Donald Trumps "Alternative Fakten".

Gruß RoBernd


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

24.02.2018 um 12:11
Im Prinzip läuft es für mich darauf hinaus: eine Person, die in Verdacht geriet, weil sie mit einem Spaten beobachtet wurde, lenkte von sich ab und zeigte mit dem Finger auf Herrn Mazurek.

Damit hätte die Geschichte auch schon zu Ende sein können.

Da die Geschichte aber nicht zu Ende war, wurden jahrelang lauter kleine Hinweise so lange hin und her geschoben, bis sie dann mithilfe eines phonetischen Gutachtens so etwas wie eine Indizienkette darstellten.

Das Gutachten mit dem Tonbandgerät wirkt auf mich jedoch so, als ob man anhand eines Kuchens den Ofen bestimmen wollte, mit dem er gebacken wurde.

Ich würde sagen, ja, man kann auch mit so einem Tonbandgerät diese Tätertonfolge herstellen - wenn man noch andere Geräte hat, die - was bedeutend schwieriger wäre - die Tonhöhen verändern können. Bedauerlicherweise konnten diese Zusatzgeräte nicht identifiziert werden.

Und wenn man sich sicher ist, Herr Mazurek sei der Täter, dann kann man auch sagen, dass dieses Tonbandgerät möglicherweise verwendet wurde. Aber das Tonbandgerät allein sagt meines Erachtens nichts über Mazureks Tatbeteiligung aus.

Da vermutlich der erste Hinweis zu Herrn Mazurek schon falsch war, wäre es schon sehr verwunderlich, wenn er mit der Tat zu tun hatte.

So im Großen und Ganzen sehe ich das.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

24.02.2018 um 19:43
@yasumi

Ich denke, man sollte sich einfach mal von M loesen, einen Schritt zuruecktreten und dann nachdenken, wer sonst noch in Frage kommen koennte. Die Indizien, die gegen M sprechen, koennten auch Zufall sein. Ich hatte mich mal in einen Fall aus den USA eingelesen, in dem es eine Reihe von Zufaellen gab, und alles auf eine Person hindeutete - der war es dann aber erwiesenermassen nicht.

Also, was wissen wir ueber diesen Fall? Der/die Taeter war(en)

- relativ fit, zumindest fit genug ein tiefes Loch auszuheben, eine Kiste in dieses Loch zu verbringen, ein Kind 800m durch den Wald zu tragen
- sehr ortskundig
- mobil, denn die Briefe wurden woanders eingeworfen
- handwerklich geschickt, wenn auch nicht in aussergewoehnlichem Masse
- hatte keine Moeglichkeiten, das Kind im eigenen Haus zu verstecken
- hatte nur eine vage Erfahrung im Umgang mit Kindern
- kein Alibi zur Tatzeit und als die Briefe eingeworfen wurden
- hatte ein Auto, das gross genug war, um die Kiste zu transportieren
- eher unterdurchnittliche Intelligenz
- hatte die Moeglichkeit, die Kiste zu bauen, ohne dass es auffiel

Das Problem ist hier natuerlich, dass es sich durchaus um zwei Personen handeln koennte. M alleine passt meiner Meinung nach nicht wirklich, denn er ist zu dick und unsportlich. Der Alkoholiker passt auch nicht, der haette es mE nicht auf die Reihe gekriegt.

So dicht besiedelt ist die Gegend wohl nicht. Wenn kannte sich in dem Waldstueck aus, haette seine man cave, in der er die Kiste bauen konnte, aber nicht genug Ruhe und Abgeschiedenheit zuhause, um ein Kind zu verstecken? Also entweder eine Frau zuhause oder nur eine Wohnung/ein Reihenhaus, aber dafuer eine abschliessbare, leere Garage oder aehnliches. Wer hat kein Alibi? Wer war fit genug, ein Kind zu tragen, und ein Loch auszuheben? Hatte die kriminelle Energie, auf diese Idee zu kommen, konnte genug planen, um es durchzufuehren, war dann aber doch nicht helle genug, um alles durchzudenken?


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Minzi ehemaliges Mitglied

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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

24.02.2018 um 20:40
Zitat von AnnaKomneneAnnaKomnene schrieb:Ich denke, man sollte sich einfach mal von M loesen, einen Schritt zuruecktreten und dann nachdenken, wer sonst noch in Frage kommen koennte
Da kommt nichts mehr, nach so vielen Jahren. Das wäre ein frommer Wunsch. Selbst wenn sich jetzt jemand melden würde und alles zugeben, er hätte kein Verfahren mehr zu fürchten. Die Verjährungsfrist ist längst überschritten.

Man muss abwarten, was in Sachen Tonbandgerät/Gutachten heraus kommt.
Damit steht und fällt alles.
Die restlichen Indizien sind ziemlich dünn.

Der M. ist halt ein "dankbares" Opfer. Extrem unsympathische Erscheinung/Auftreten und die Sache mit dem Hund würde für nicht wenig Menschen allein für eine lebenslange Haftstrafe reichen.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

24.02.2018 um 22:23
@Minzi

Ich glaube, dass es durchaus Zeugen geben koennte, die nichts gesagt haben. Jemand hat eine Kiste gezimmert, und sie mit einem Auto in den Wald gebracht. Jemand war zu der fraglichen Zeit an dem Ort, in dem die Briefe eingeworfen wurden. Das koennte jemand mitbekommen haben.

Und natuerlich koennte das auch etwas bringen. Man weiss nicht, ob es M wirklich war. Vielleicht laeuft der Moerder noch frei herum. Vielleicht gab es andere Opfer.


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2r2n ehemaliges Mitglied

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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

25.02.2018 um 08:21
Auch wenn einiges an den Ermittlungsergebnissen ziemlich fragwürdig ist, muss man aus meiner Sicht immer noch davon ausgehen, dass Mazurek zum Täterkreis gehören könnte. Ich bin auf jeden Fall nicht von seiner Unschuld überzeugt.
Vielleicht ist es an dieser Stelle mal sinnvoll, die vorliegenden Indizien aus der Urteilsbegründung zu klassifizieren:

Verifizierbare Indizien:

- Motiv Geldnot (Das Wasser stand im zwar nicht bis zum Hals, aber es hat sich schon einiges an Schulden angehäuft)
- Tatortnähe und Ortskenntnis
- Handwerkliche Fähigkeit
- Fahrzeuge
- Zeitliche Machbarkeit
- Gürtelstück an einer Muffe (Größe 105, Mazurek hatte 100)
- Lesestoff (Teile davon kamen seiner Tochter bekannt vor)
- Charakterliche Eigenschaften

Interpretierbare Indizien:

- Alibi (Wer ein Verbrechen plant, kümmert sich als erstes darum. Die mühevolle Rekonstruktion nach einigen Wochen wirkt für mich eher authentisch für Unschuldige. Außerdem werden hier Schleifarbeiten am späten Nachmittag auf dem Hof genannt, eine ziemlich öffentliche Tätigkeit, die niemand nennt, der das nicht wirklich getan hat)
- Stoffteile an den Belüftungsrohren (Es gab einen identischen Stoff - übrigens Massenware - in einer Lagerhalle, zu der Pfaffinger und Mazurek Zugang hatten und der ist im Laufe des Jahres 81 verschwunden. Der Stoff in der Kiste sah zwar gleich aus, war aber nicht wie der in der Lagerhalle mit Diesel verunreinigt)
- Transistorradio (Die Verlegung der Antenne nach außen deutet auf einen Radio- und Fernsehtechniker hin. Oder auf alle andere Menschen, die keine zwei linke Hände haben. Interessante Erkenntnis übrigens: Das Radio war so eingestellt, dass man tagsüber Bayern 3 hören könnt und nachts die Gastarbeiter Sendung)
- Fernglas (Erstaunlicherweise wird in der Urteilsbegründung behauptet, das Fernglas gehöre erwiesenermaßen Mazurek. Das lässt sich aus den Akten nun wirklich nicht herauslesen)
- Erpresserbriefe (Die Zeitungsausschnitte stammen z.T. aus Zeitungen, die im Hause Mazurek auch gelesen wurden. Natürlich trifft das auf Millionen andere auch zu. Eine zusätzliche Frage: warum wurde der ausländische Duktus gewählt?)
- Abhören des Polizeifunks (Das wurde ihm ausgerechnet von zwei vermeintlichen Mittätern vorgeworfen, die wohl nicht umrissen haben, dass ihn das belastet)

Die beiden fragwürdigen Hauptindizien

- Das widerrufene Geständnis
- Das aufgefundene TK 248


Aus meiner Sicht hängt es wesentlich von der Phonetik Expertin ab, ob die Zivilkammer Mazurek eine Schuld zuspricht oder nicht. Wenn es ihr gelingt, die Bedenken von @robernd, @SCMP77, dem Tonbandgeräteforum, mehreren Grundig Ingenieuren, einigen Audio-Akustikern und natürlich auch meine Bedenken zu widerlegen, wird die Zivilkammer die Schuld Mazureks bestätigen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Kammer ihren Kollegen vom Strafverfahren in die Parade fährt, wenn es nicht sehr deutliche Gründe dafür gibt.
Aus meiner Sicht gibt es die, aber ich respektiere die richterliche Hoheit und damit auch ein anders lautendes Ergebnis, falls die Ausführungen aus dem LKA Gutachten für das Gericht plausibel erscheinen.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

25.02.2018 um 09:14
Zitat von AnnaKomneneAnnaKomnene schrieb:Also, was wissen wir ueber diesen Fall?
Mir ist da noch so einiges unklar:

Kann sich jemand von euch einen Reim drauf machen, warum in diesem Brief die Telefonnummer eingefügt wurde? Und warum nicht einfach ein "Wir melden uns telefonisch" stand? Dass man dann bei den Eltern zu Hause anruft, läge ja auf der Hand.

Es sei denn, es gäbe mehrere Möglichkeiten, mehrere Orte, an dem die Eltern auf einen Anruf warten könnten. Könnte das ein Hinweis darauf sein, dass doch ein Kind aus dem Landschulheim entführt werden sollte? Oder sollte nur sicher gegangen werden, dass nichts schief geht, dass jemand am anderen Ende der Leitung ist, auch wenn die Nummer eine falsche gewesen wäre?

Gibt es irgendwo eine Abschrift, ein Foto dieses Briefes, um auch den Kontext sehen zu können? Ich habe das mit den Anrufen, bei denen nur dieser Jingle abgespielt wurde, noch nicht verstanden. Wofür waren die gedacht? Warum bedurfte es überhaupt eines Erkennungszeichens?

Mir ist generell nicht klar, wie sich die Täter das so vorgestellt haben (ich geh jetzt der Einfachheit halber von mehreren aus): Sie nehmen mehr oder weniger zufällig ein Kind. Versuchen dann im Nachhinein herauszufinden, wer das überhaupt ist (hatten sie irgendwo einen "Insider", der ihnen das hätte sagen können? Sowas steht ja nicht unbedingt in der Zeitung - Werden solche Details auch über Polizeifunk besprochen?) Schreiben dann einen Brief, und kündigen einen Anruf an.

Und dann? Bei der Geldübergabe hätten sie verraten, wo die Kiste ist? Warum haben sie es dann nicht durchgezogen? Oder sollte dann nochmal jemand zu Kiste gehen, das Kind befreien? Wie war das vermutlich geplant gewesen? War das überhaupt durchführbar? Warum brach der Kontakt mit den Entführern ab?

Die Kiste mit diesen viel zu vielen Schließ-Riegel, mit der unheimlichen "Ausstattung", ein aufwendig wirkendes Lüftungssystem, das aber unbrauchbar war - hat sich da mal ein Fallanalytiker, ein Profiler dran versucht? Auf mich wirkt das erst mal merkwürdig pedantisch und realitätsfremd. Wir wirkt das auf einen Profi?
Zitat von 2r2n2r2n schrieb:- Tatortnähe und Ortskenntnis
Dass eine Kiste gewählt wurde, könnte auch ein Hinweis darauf sein, dass die Täter nicht ortsansässig waren. Mit der Kiste ist es möglich gewesen, aus der Distanz zu agieren. Und die Entführer hätten dann bei der Geldübergabe nur sagen müssen wo die Kiste vergraben wurde. Möglicherweise haben die Täter nach der Entführung die Gegend für immer verlassen. Und als sie die Kiste vergruben, waren sie vielleicht "Feriengäste" unter vielen.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

25.02.2018 um 10:23
@2r2n

So viel ist das aber wirklich nicht, was man gegen ihn vorbringen kann, und vor allem nicht, wenn man bedenkt, dass das Gestaendnis widerrufen wurde, und dass die Sache mit dem Tonbandgeraet nicht sicher ist, um es mal vorsichtig auszudruecken. Viele der anderen Punkte treffen wahrscheinlich auch genau so auf das halbe Dorf zu.

Gute Indizien sind mE eigentlich nur die Stoffteile, und allenfalls noch die Groschenromane, wobei man die an jedem Kiosk bekommt. Und wenn ich das so ansehe, dann frage ich mich, wer sonst noch Zugang zu dieser Lagerhalle hatte.

Was fuer ein Stoff war das denn? Wurde er bevorzugt an Handwerker vertrieben?

Und dann gibt es eben auch noch einige Fragezeichen. Waere er fit genug gewesen, das Loch auszuheben, die Kiste in das Loch zu stecken und das Kind dorthin zu tragen? Haette er die Kenntnisse gehabt, sie zu betaeuben? Wie haette er sie vom Rad geholt? Gewaltsam? Oder haette er sie durch eine List angehalten? Haette sie fuer ihn angehalten?

Waere es ihm klar gewesen, wie man das Lachgas dosiert und transportiert? Heute ist es eine gelaeufige Droge, die man auf der Strasse kaufen kann, in Luftbalons. War das damals auch so? Auf dem Land wohl ziemlich sicher nicht. Waere er auf die Idee gekommen, Lachgas aus den im Handel erhaeltlichen relativ kleinen Kartuschen in einen Luftbalon umzufuellen, und ihr den Inhalt des Luftbalons ueber eine ueber den Kopf gestuelpte Plastiktuete zu verabreichen? So ginge es am einfachsten.

Haben die Zahnaerzte in der Region damals Lachgas vewendet? Wie waere er auf die Idee gekommen? Heute kann man das im Internet nachschlagen, und in Grosstaedten sieht man es wie gesagt auf der Strasse. Aber haette er damals die Kenntnisse haben koennen?

@yasumi

Ja, das ist schon eine extrem gestoerte Natur, die das getan hat. Lachgas wuerde da eigentlich auch noch hineinpassen, denn es ist in relativ sicheres und schonendes Betaeubungsmittel, das auch Euphorie verursacht. Einerseits gewaltsame Entfuehrung, andererseits maximaler Komfort. Dabei ging dann wohl zu viel intellektuelle Energie in den Komfort, siehe "Tapete" (WTF), Groschenromane und Radio, aber nicht genug in die lebenserhaltenden Systeme.

@2r2n

Ich hatte mich mal in einen Fall aus den USA eingelesen, bei dem Leiche einer Studentin auf einem schwer zugaenglichen Bereich auf dem Land abgelegt wurde, in einem sehr duenn besiedelten Gebiet. Es war klar, das der Taeter einen sehr starken Ortsbezug haben musste, und da wohnten nicht viele Leute. Einer davon war im Alter des Opfers, mehrmals einschlaegig vorbestraft, gewalttaetig, hatte ein Auto, arbeitete unweit der Stelle, an der sie entfuehrt wurde. Er wohnte nur ein paar hundert Meter entfernt und war dort aufgewachsen. Er sah ziemlich harmlos aus, und er waere stark genug gewesen, sie zum Ablageort zu tragen. Er war es aber nachweislich nicht, denn er trug eine elektronische Fussfessel, die DNS stimmte nicht, und der richtige Taeter wurde mittlerweile verurteilt.

Nur mit Indizien kann man leicht den falschen kriegen.


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25.02.2018 um 10:31
@yasumi

Ich finde es interessant, dass die Polizei damals sofort die Suche auf die naehere Umgebung des Tatortes konzentriert hat. Es muss irgendetwas darauf hingedeutet haben, dass UH sich noch in der Naehe des Tatortes befindet. Haben sie von Anfang an nach einer Leiche gesucht? Bei einer Entfuehrung haette man zunaechst doch vermutet, dass er sie mit einem Auto vom Tatort weggebracht haette.

Die Kiste deutet mE vor allem darauf hin, dass das Verbrechen von Anfang an an diesen Ort gebunden war. Er hatte die Gelegenheit, eine Kiste an einem abgelegenen Ort zu vergraben, wo ein paar hundet Meter weiter Kinder alleine vorbeikommen koennten. Es ging ihm mehr um den Ort als um ein bestimmtes Kind.


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2r2n ehemaliges Mitglied

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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

25.02.2018 um 10:48
@AnnaKomnene
Es ist relativ sicher, dass meine Schwester nicht gewaltsam vom Rad geholt wurde, sondern einfach angehalten wurde (Es gab keinerlei Verletzungsspuren). Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass die Täter sich zu erkennen gegeben haben. Das bedeutet, dass sie sich vermummt haben und als nächstes sofort das Lachgas, vermutlich in einer deutlichen Überdosierung, verabreicht haben. Die geschilderte Vorgehensweise mit Luftballons und Plastiktüte erscheint plausibel.
Dass es sich um eine Entführung handelt, war erst am 18.09. klar. Vorher war es nur ein Vermisstenfall.
@yasumi
Ich vermute, die Entführer wollten ihr Opfer durch eine Sprachverbindung in die Kiste (dafür gab es eine Vorrichtung) nach der Identität fragen und sich dann sofort telefonisch bei den Eltern melden. Ein Einschalten der Polizei wollten sie ja auf jeden Fall vermeiden. Das sagt der Erpresserbrief. Das ging dann alles nicht mehr, weil ihr Plan, das Opfer am Leben zu erhalten, schon innerhalb der ersten Stunde gescheitert ist.
So waren sie darauf angewiesen, die Identität der Eltern aus den Medien zu erfahren und deshalb kam der Brief erst am 18.09. bei uns an. Ich denke auch, dass der Entführungsort wichtiger war als das Opfer.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

25.02.2018 um 11:19
Polizeifunk
Mit einem gewissen Schmunzeln oute ich mich als Polizeifunkhörer. Das war allerdings noch zu meiner Berliner Zeit. Ende der 1950er Jahre lief der Polizeifunk bei uns manchmal stundenlang. In einer Großstadt rührt sich eine ganze Menge, deshalb hatte er einen gewissen Unterhaltungswert. Es gab in der Tat damals Radios, die den Polizeifunk ohne Manipulation empfangen konnten. Alle anderen ließen sich dafür fit machen, indem man im Inneren mit einem Schraubenzieher zwei kleine Kondensatoren verstellte. Dafür brauchte man keinen Radiotechniker, der richtige Klassenkamerad hätte meistens ausgereicht. In meiner Klasse hätten das außer mir noch zwei gekonnt. Irgendwann versiegte der Unterhaltungswert, weil die Polizei kaum noch Klartext redete sondern nur noch Einsatzcodes nannte.

In ländlichen Gegenden muss der Polizeifunk ziemlich langweilig gewesen sein. Wahrscheinlich regte sich da kaum etwas. Sicher wurden darüber auch keine für einen Entführer nützlichen Infos verbreitet. Die Polizei wusste ja auch, dass mehrere Leute mithören. Wäre ich z.B. Lokalreporter gewesen, hätte ich sicher regelmäßig mitgehört.

Transistorradio
Die Verlegung der Antenne mag vielleicht auf einen Radiotechniker hindeuten. Ich bezweifele, dass ein auf dem Boden liegender Draht, der auch noch durch das Erdreich geführt wurde, in der Kiste überhaupt einen Radioempfang ermöglicht. Ein Radiotechniker wahrscheinlich auch. Wahrscheinlich hat das niemand ausprobiert. Die Ammersee-Gegend war traditionsgemäß ein Ort mit dem schlechtesten Empfang, deshalb wurde auch die erste Satellitenfunkstation damals in Raisting (Ammersee-Südende) gebaut. Dort gab es nämlich die wenigsten Störungen durch terrestrische Sender.

Belüftungsrohr
Die Polizei hat richtig ermittelt, dass zur Belüftung ein Ventilator erforderlich gewesen wäre. Im Beruf habe ich mich ausführlich mit der Belüftung von Wohnräumen beschäftigt, weil die einen Einfluss auf Radioaktivität (Radon) in der Raumluft hat. Solange ein unterirdischer Raum, z.B. ein Keller kühler ist als die Außenluft gibt es kaum einen Luftaustausch, selbst bei offenem Fenster nicht. Durch irgend ein perforiertes Rohr geht schon gar nichts. Im Winter (Keller wärmer als Außenluft) ist das anders.

Nachdem die Täter festgestellt hatten, dass das Mädchen tot war, werden sie kaum die Absicht gehabt haben, es ordentlich zu beerdigen. Logische Konsequenz wäre, das Verließ zum Grab werden zu lassen und alle Hinweise darauf zu beseitigen. Es wurden wohl auch kleine Fichten aus einer benachbarten Schonung um das Grab herum gepflanzt. Jetzt war es auch zwingend die Lüftungsrohre zu verstopfen, damit Suchhunde nicht doch etwas bemerken.

Lachgas
Als ich von Lachgas gehört hatte, habe ich erst einmal nach Narkoseeinrichtungen gesucht. Für eine Lachgasnarkose braucht man eine sehr hohe Dosierung, die nur im Gemisch mit reinem Sauerstoff realisierbar ist. Wenn die nötige Lachgasmenge gemeinsam mit Luft verabreicht wird, ist bereits Ersticken durch Sauerstoffmangel zu befürchten.

Lachgas gab es in kleinen Patronen in jedem Haushaltswarengeschäft. Es ist das Treibmittel für Schlagsahnebereiter. Im Konditor-Gewerbe wird Lachgas in größeren Behältern verwendet.

Gruß RoBernd


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

25.02.2018 um 11:21
Zitat von yasumiyasumi schrieb:Gibt es irgendwo eine Abschrift, ein Foto dieses Briefes, um auch den Kontext sehen zu können?
Gibt es. Ich kann aber nicht abschätzen, ob es zulässig ist, den zu veröffentlichen.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

25.02.2018 um 12:00
Zitat von 2r2n2r2n schrieb:Ich vermute, die Entführer wollten ihr Opfer durch eine Sprachverbindung in die Kiste (dafür gab es eine Vorrichtung) nach der Identität fragen und sich dann sofort telefonisch bei den Eltern melden. Ein Einschalten der Polizei wollten sie ja auf jeden Fall vermeiden. Das sagt der Erpresserbrief. Das ging dann alles nicht mehr, weil ihr Plan, das Opfer am Leben zu erhalten, schon innerhalb der ersten Stunde gescheitert ist.
So waren sie darauf angewiesen, die Identität der Eltern aus den Medien zu erfahren und deshalb kam der Brief erst am 18.09. bei uns an.
Zitat von roberndrobernd schrieb:Nachdem die Täter festgestellt hatten, dass das Mädchen tot war, werden sie kaum die Absicht gehabt haben, es ordentlich zu beerdigen. Logische Konsequenz wäre, das Verließ zum Grab werden zu lassen und alle Hinweise darauf zu beseitigen. Es wurden wohl auch kleine Fichten aus einer benachbarten Schonung um das Grab herum gepflanzt. Jetzt war es auch zwingend die Lüftungsrohre zu verstopfen, damit Suchhunde nicht doch etwas bemerken.
Ihr meint, die Täter wussten schon, dass ihr Opfer nicht überlebt hat, als sie den Brief losschickten und den ersten Anruf tätigten?

Und sie hielten sich - nachdem sie ihr Opfer in die Kiste verbracht hatten - einen gewissen Zeitraum in der Nähe auf, um das Nachlassen der Betäubung abzuwarten, damit sie dann per Sprachverbindung in die Kiste die Identität ihres Opfers erfragen konnten? Als ihnen dann klar wurde, dass ihr Opfer nicht überlebt hatte, haben sie versucht durch zusätzliche Maßnahmen das Auffinden der Kiste zu erschweren. Ungefähr so?

Was war dann eurer Meinung nach der Grund, warum dann - nach den ersten Anrufen und Briefen - der Kontakt mit den Tätern abbrach?

Wenn ich das richtig verstanden habe, dann riefen die Entführer das erste mal an, bevor der erste Brief ankam. Wurde schon bei diesem ersten Anruf der Verkehrs-Jingel gespielt? Oder kam der erst später, vielleicht weil die Entführer dachten, die Eltern hätten bei dem ersten Anruf nicht gewusst, dass der Anruf von ihnen kam?
Zitat von roberndrobernd schrieb:Gibt es. Ich kann aber nicht abschätzen, ob es zulässig ist, den zu veröffentlichen.
Kein Problem. Dachte, dass dieser Brief vielleicht schon irgendwo veröffentlicht wurde.

Dann versuch ich das so: In den Briefen wurden Forderungen gestellt. Ihre Antworten darauf sollten die Eltern den Entführern bei diesen "Schweigeanrufen" mitteilen. Wie beim Sprechen auf einen Anrufbeantworter: nach dem Signalton.

War das der Sinn dieser Briefe und Anfrufe?


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2r2n ehemaliges Mitglied

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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

25.02.2018 um 13:50
@yasumi
Die Entführer planten laut erstem Erpresserbrief, uns am Donnerstag, also dem 17.09. anzurufen. Das haben sie auch gemacht (sieben mal) und meine Eltern waren verwirrt, weil zum einen der Brief ja erst am Freitag, den 18.09. ankam und zum anderen neben Schweigen nur das B3 Signal zu hören war (nicht bei allen Anrufen). Als dann am Freitag der Brief ankam und weitere vier Schweigeanrufe erfolgten, war klar, dass es sich um eine Entführung handelt.
Das Signal sollte wie bei einem Anrufbeantworter die Aufforderung sein, die Zahlungsbereitschaft mitzuteilen. So die Forderung im ersten Brief. Der zweite Brief wurde am 18.09. in München aufgegeben mit Hinweisen, wie die Lösegeldübergabe erfolgen sollte. Danach hörten wir nichts mehr von den Entführern. Entweder weil die Entführer dann erst merkten, dass ihr Opfer bereits verstorben war, oder, was ich für wahrscheinlicher halte, weil meine Eltern am Telefon ein Lebenszeichen verlangten. Das konnten die Entführer nicht geben, weil sie schon am Dienstag, den 15.09. im Lauf des abends merkten, dass ihr Opfer nicht mehr lebte. Deshalb mussten sie aus meiner Sicht - wie früher schon geschrieben - mit der Aufgabe des ersten Erpresserbriefs warten, bis sie sicher wussten, welche Telefonnummer sie anrufen wollten und an welche Adresse die Briefe gehen sollten.
Wie gesagt, war am 16.09. allgemein bekannt, wer vermisst wird. Es kam sehr oft im Radio. Am Vormittag wohl noch wenig und am Nachmittag immer mehr. Dass der erste Brief erst nach 18.45 Uhr in Landsberg aufgegeben wurde, ist wohl dem Umstand geschuldet, dass sie in Zeitnot mit der Beschriftung des Briefes waren.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

25.02.2018 um 21:56
@robernd

Man muesste mal eruiren, wieviele Kartuschen Lachgas man brauchen wuerde, um ein Kind zu betaeuben, sodass es ausgeschaltet wird, aber nicht am Sauerstoffmangel stirbt.

Eine andere Variante gibt es wohl nicht. Sie werden gute Anhaltspunkte dafuer gehabt haben, dass sie sich nicht mehr bewegt hat, als sie in der Kiste war.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

25.02.2018 um 22:14
Zitat von SCMP77SCMP77 schrieb:Es ist leider schwierig mit Dir zu diskutieren.
Sagt meine bessere Hälfte auch immer - könnte also stimmen! :-D
Zitat von SCMP77SCMP77 schrieb:Dir selber dürfte klar sein, dass die Wahrscheinlichkeit für Deine Gedankenkonstruktionen äußerst gering ist. Da liegt dann ganz zufällig ein 9 Jahre altes Heft bei einer Bekannten rum, als just in dem Moment M dort war und es gesehen hat und vollkommen ungestört es lesen könnte.
Das ist nicht meine Gedankenkonstruktion, sondern eine Aussage von KHK Solon im Zuge des Strafprozesses, die (soweit mir bekannt) auch aktenkundig ist. Inwieweit dieses Indiz in die Urteilsfindung einbezogen wurde weiß ich nicht. Natürlich ist nicht nachgewiesen dass Mazurek ausgerechnet diese Ausgabe gelesen hat. Das für mich entscheidende ist: Auf so eine bizarre Idee kommt nicht jeder von selbst. Und die Ähnlichkeiten der beiden modi operandi sind mir persönlich zu ident, als dass eine "Blaupause" völlig denkunmöglich sein könnte. Außerdem scheint es nicht ungewöhnlich gewesen zu sein, dass Mazurek von Freunden Lektüre zur Ansicht bekam (wobei es bezüglich der ReDi zwei Möglichkeiten gibt wer sie ihm gegeben haben könnte). Aus seiner "Erwiderung zur Anklageschrift":
Als mein Fischkutter auf den Hof kam führten wir Gespräche über Schiffe und Seefahrt. [...] hatte etliche Bücher über Segeljachten und deren Bau.
Bezüglich "juristischer Wahrheit vs. materieller Wahrheit" habe ich mich schon in den oberen Beiträgen geäußert.
Zitat von SCMP77SCMP77 schrieb:Man kann auch nicht jede beliebige "Denkmöglichkeit" hernehmen und sie als Indiz ansehen. Das würde dazu führen, dass man so gut wie jedem ein Verbrechen anhängen kann, wenn man einfach nur will. Mit Rechtsstaatlichkeit hat das dann aber nicht die Bohne zu tun.
https://www.minilex.at/a/merkmale-und-ablauf-des-beweisverfahrens
Es ist auch erwähnenswert, dass jede Beweisführung einer beweisbelasteten Partei grundsätzlich auf tatbestandsrelevante Tatsachen zielen muss. Es kann in einigen Fällen jedoch vorkommen, dass solche Tatsachen nicht unmittelbar und direkt bewiesen werden können, weshalb sodann mit Hilfe von Erfahrungssätzen auf sie geschlossen werden muss. Dies wird als mittelbarer Beweis bzw. als indirekter Beweis bezeichnet. Es ist erwähnenswert, dass sich vor allem innere Tatsachen hauptsächlich mittelbar beweisen lassen.
Bei Unzulänglichkeiten hinsichtlich dieser Grundsätze hätte das Urteil den BGH nicht überstanden.
Zitat von AnnaKomneneAnnaKomnene schrieb:Ich glaube, dass es durchaus Zeugen geben koennte, die nichts gesagt haben.
Zum Beispiel Mazureks Sohn, der sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen hat. Der soll ua beim abendlichen Pilzessen dabeigewesen sein.
Zitat von roberndrobernd schrieb:Polizeifunk
Mit einem gewissen Schmunzeln oute ich mich als Polizeifunkhörer. Das war allerdings noch zu meiner Berliner Zeit.
Sie haben aber nicht den Polizeifunk zu einer Zeit abgehört als es um ein Verbrechen ging dessen Sie verdächtigt wurden? WM hat ja das Hören des Polizeifunks ja auch als Neugierde in Verbindung mit Zeitvertreib dargestellt.
Zitat von roberndrobernd schrieb:Es wurden wohl auch kleine Fichten aus einer benachbarten Schonung um das Grab herum gepflanzt. Jetzt war es auch zwingend die Lüftungsrohre zu verstopfen, damit Suchhunde nicht doch etwas bemerken.
Könnte auch vorher passiert sein, um die Vergrabungsstelle möglichst perfekt zu tarnen.

@2r2n

Zunächst vielen Dank für Ihre aufschlussreiche Aufklärung bezüglich des TK248-Gutachtens. Unter diesen Aspekten war es vollkommen richtig, die Gutachterin für den 21. Juni vorzuladen, um die unklaren Stellen ihres Gutachtens erläutern zu können.

Bezüglich ihrer Einschätzung der bayerischen Gewaltenteilung fällt auf, dass zwei solcher Prozesse (Gustl Mollath und Ulvi Kulac) auf bayerischem Boden stattfanden. Meine Frage habe ich gestellt, weil auf werner-mazurek.de folgende Behauptung aufgestellt wird:
Es war nicht zu übersehen, dass es extremen politischen Druck gab, vor Verjährung des Verbrechens einen Täter zu präsentieren.
https://www.radonmaster.de/werner-mazurek/erklaerungen_werner-mazureks/index.html
Zitat von 2r2n2r2n schrieb:- Tatortnähe und Ortskenntnis
Sie haben gesagt, dass im Bereich des Auffindeorts nicht gejagt wurde weil die Kultur dort noch viel zu dicht war. Mit einem Wort: Der ideale Ort für ein Versteck. Um das zu wissen benötigt man aber Ortskenntnis, oder ist die Stelle vom Weg St2055 nach Eching aus einsehbar?
Zitat von 2r2n2r2n schrieb:- Transistorradio
Auf dem Radio waren die Buchstaben "MA" eingeritzt, das heisst sicher nicht "mit Akku".
Zitat von 2r2n2r2n schrieb:- Fernglas
Ich glaube die Aussage stammte von seiner Frau. Aus einer juristischen Fachzeitschrift, paraphrasiert von einem user:
Ein weiterer Kriminalbeamter wird geladen. Er hatte die Ehefrau und Mitangeklagte im Mai 2008 verhört. Der Aussage zufolge hat Gabriele F.-M. vorübergehend selbst an der Unschuld ihres Mannes gezweifelt. Sie sagte, dass sie es ihm zutraut. In einer Vernehmungspause habe sie geäußert, sie sei so wütend, dass sie nichts essen könne, weil sie sich von ihrem Mann und dessen beiden Alibizeugen "verarscht" fühle. Sie hat wohl mitbekommen, dass verschiedene Umstände für die Täterschaft ihres Mannes sprechen, die dieser ihr verheimlicht hatte. Sie zweifle an dessen Unschuld, obwohl sie das nicht wolle, weil sonst die Welt für sie zusammenbräche. Im weiteren Verlauf der Vernehmung habe Gabriele F.-M sich dann aber doch wieder von der Unschuld ihres Mannes überzeugt gezeigt. Sie meinte bei der Vernehmung, wenn ihr Mann die Kiste gebaut hätte, dann wäre es nicht zu diesem Unfall gekommen, weil dann die Lüftung funktioniert hätte.
Außerdem bestätigte sie, dass Werner M. zum Zeitpunkt der Tat im Besitz eines Fernglases war, das genau dem ähnelte, das in der Nähe des Entführungsortes aufgefunden worden war. In früheren Vernehmungen hatte Werner M. den Besitz eines solchen Fernglases immer bestritten.
http://azxy.communityhost.de/t298189111f354157108-FF-Kripo-Fuerstenfeldbruck-MORDFALL-URSULA-HERRMANN-GEKL-RT-5.html

Folgende Frage hätte ich auch noch: Ich glaube mich erinnern zu können, dass Ihre Verteidigerin in der HV ursprünglich die Anklage auf "Mord" ausgedehnt haben wollte, da die Tathandlung ein derartiges Maß an objektiver Sorgfaltverletzung enthielt, dass "bedingter Vorsatz" anzunehmen wäre. Für wie plausibel halten Sie das?

Dazu habe ich mir folgende Gedanken gemacht:

Es wurde vermutet, dass Ursula mit Lachgas betäubt wurde. Lachgas ist Distickstoffmonoxid und (war) ein weitverbreitetes Betäubungsmittel, das allerdings mit Risiken behaftet ist, vor allem wenn es unsachgemäß und/oder direkt aus Flaschen oder Sahnespendern verabreicht wird: N²O entzieht dem Körper Sauerstoff, und
Ein weiteres Risiko ergibt sich aus der eventuell falschen Mischung von Sauerstoff und Lachgas. Wenn der Anteil des Lachgases in der Atemluft über 90% beträgt, drohen Bewusstlosigkeit und sauerstoffmangelbedingte Hirn- und Organschäden. Bei zu großem Sauerstoffmangel im Blut und in der Atemluft besteht Erstickungsgefahr.
https://drugscouts.de/de/lexikon/lachgas (Archiv-Version vom 05.03.2018)

Lachgas (allerdings ein anderes Derivat) wurde auch im Autozubehörhandel vertrieben und zwar als leistungssteigerndes Mittel für Motoren, es war in Kartuschen zu 15g erhältlich.

Zudem hält die Wirkung bei einer üblichen sachgerechten Dosis, wenn der Patient nicht mit einer Maske beatmet wird, nur ein paar Minuten lang an. Zwei Dinge wären also möglich:

- könnte es also sein, dass eine nicht sachgerecht verabreichte Überdosis letztendlich die letale Hypoxie des Opfers beschleunigt haben könnte? Das wäre ebenfalls eine "auffallende Sorglosigkeit" iSd bedingten Vorsatzes gewesen.
- dass auch aufgrund dieser Vermutung die Verwendung eines Fahrzeugs plausibel wäre, um den Weg möglichst schnell zurückzulegen.

Gruß EK


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2r2n ehemaliges Mitglied

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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

25.02.2018 um 23:15
@ErwinKöster
Die Readers Digest Idee fand keinen Eingang in die Urteilsbegründung. Das was @SCMP77 sagt, stimmt schon. Das ist viel zu vage. Da hätte der BGH vielleicht die Stirn gerunzelt und bei aller berechtigten Kritik muss man dem Urteil attestieren, dass es revisionsfest war. Eine Revision untersucht ja nur mögliche Rechtsfehler und die wurden nicht begangen. Was den Wahrheitsgehalt eines Urteils angeht, muss man sich wohl dem Erfahrungsschatz der Richter unterordnen.

Ob die fehlende Gewaltenteilung in Bayern das Urteilsvermögen einiger Richter trübt, wäre auf jeden Fall eine Diskussion wert.

Die Vergrabungsstelle, wie die komplette Verbrechensplanung, war definitiv das Ergebnis von außerordentlicher Waldkunde. Die Stelle war nicht von außen einsehbar, auch nicht vom Waldweg, der nur 20m dran vorbei führte. Das traut man nur Leuten zu, die sich öfter im Wald herumtreiben. Das wären: Jagdberechtigte, Waldarbeiter, Feriengäste, die nichts anderes tun, als den Wald zu erkunden und Schüler und Ex-Schüler des LEH. Und vielleicht auch Mazurek, wenn er auf dem Weg von Eching nach Utting über die Staatsstraße fährt und an der Aumühle hält. Und das sehr oft, damit er sich die Waldkunde aneignet, die ihm eigentlich für das Verbrechen fehlt. Leider gibt es hierfür keine Zeugen.

Zum Fernglas gibt es verschiedene Aussagen, deshalb ist für mich die Festlegung in der Urteilsbegründung etwas überraschend gewesen.

Der "bedingte Vorsatz", den unsere Nebenklageanwältin ins Feld führte, beruht auf dem Wunsch meiner Eltern, nochmal deutlich zu machen, dass "Entführung mit Todesfolge" verharmlosend wirkt. Das Mordmerkmal wäre juristisch auch plausibel. Aber dann gäbe es keine Verjährung und die Staatsanwaltschaft hätte ein Argument weniger für das Aktivwerden 2007.
Medizinisch ist Ihre Annahme, soweit ich weiß, richtig. Eine Überdosis Lachgas hätte die Hypoxie beschleunigt. Es gibt hierfür auch Anzeichen, aber letztendlich ist es nicht beweisbar.
Auch die Verwendung eines Fahrzeugs ist nicht eruierbar. Eine 19-jährige fuhr zwar eine Viertelstunde später durch den Wald, auch von Schondorf nach Eching, aber sie hat nichts bemerkt.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

26.02.2018 um 09:53
Zitat von 2r2n2r2n schrieb:Die Vergrabungsstelle, wie die komplette Verbrechensplanung, war definitiv das Ergebnis von außerordentlicher Waldkunde. Die Stelle war nicht von außen einsehbar, auch nicht vom Waldweg, der nur 20m dran vorbei führte. Das traut man nur Leuten zu, die sich öfter im Wald herumtreiben. Das wären: Jagdberechtigte, Waldarbeiter, Feriengäste, die nichts anderes tun, als den Wald zu erkunden und Schüler und Ex-Schüler des LEH. Und vielleicht auch Mazurek, wenn er auf dem Weg von Eching nach Utting über die Staatsstraße fährt und an der Aumühle hält. Und das sehr oft, damit er sich die Waldkunde aneignet, die ihm eigentlich für das Verbrechen fehlt. Leider gibt es hierfür keine Zeugen.
Aber war nicht auch ein Mann, der genau über diese Kenntnisse bezüglich des Waldes verfügte damals ins Visier der Ermittler geraten, ein Mann der in unmittelbarer Nähe des Fundortes der Kiste gejagt hatte?

Und war es nicht dieser Mann, der bereits in einem anderen, länger zurückliegenden Mordfall befragt worden war, weil er Kontakte zum Opfer gehabt hatte?

Ich frage, weil ich mir über die Zusammenhänge nicht mehr sicher bin und auch nicht mehr weiss, warum sich die Verdachtsmomente hier nicht erhärteten und fallen gelassen wurden.


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