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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

11.655 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Wald, Entführung, München ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre
2r2n ehemaliges Mitglied

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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

22.02.2018 um 07:48
Die Vermissung hat sich noch am Abend rumgesprochen und war am nächsten Tag überall bekannt. Es kam auch ständig im Radio, so dass leicht herauszufinden war, aus welcher Familie das Opfer stammt. Der erste Erpresserbrief wurde dann erst um ca. 18.00 Uhr am 16.09. in Landsberg in den Briefkasten geworfen. An diesem Tag wurde auch nachweislich erst unsere Telefonnummer eingesetzt, die leicht herauszufinden war. Die Adresse auf dem Brief wurde falsch geschrieben, es war aber ersichtlich, dass wir gemeint waren. Der Brief kam erst am 18.09. an, weil 18.00 Uhr am 16.09. zu spät war.
Ursula wurde vermutlich mit Lachgas betäubt und konnte deswegen nichts sagen. Aus dieser Betäubung ist nicht mehr aufgewacht.
In dem Erpresserbrief war ausdrücklich "Ihre Tochter" genannt, insofern haben wir hier schon eine Eingrenzung in der Opferauswahl. Der Brief entstand ja schon weit vorher. Aber alle anderen Indizien deuten auf ein Zufallsopfer hin.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

22.02.2018 um 09:15
@2r2n
gab es vielleicht andere Mädchen, die regelmässig auf der Strecke auf der Ursula verschwand unterwegs waren? Könnte es sein, dass es zu einer Verwechslung gekommen ist? Nur so ein Gedanke am Rande. Wurde das damals überprüft?


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2r2n ehemaliges Mitglied

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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

22.02.2018 um 11:13
Es wurde damals sehr viel überprüft, aber der Seeweg war so stark frequentiert, dass man daraus keine Rückschlüsse ziehen konnte, was einzelne Personen betraf. Der Gedanke einer Verwechslung kommt immer wieder auf, aber ich halte das für nicht sehr plausibel. Wieso soll der Täter gerade am 15.09. (mit seinem Komplizen am anderen Ende des Klingeldrahts, obwohl übrigens nur der Weg von Eching nach Schondorf mit dem Draht korrespondiert und nicht der Rückweg) im Gebüsch sitzen und dann sagen "sieht so ähnlich aus, wie unser geplantes Opfer, wegen dem wir schon seit Stunden und vielleicht Tagen im Gebüsch sitzen... das nehmen wir"
Ich halte das für abwegig. Entweder war Ursula bewusst gewählt (von Tätern, die uns zwar genau kannten und deswegen wussten, dass Ursula hier am Abend vorbeiradelt, gleichzeitig aber nicht wussten, dass wir gar kein Geld haben), oder sie war zur falschen Zeit am falschen Ort und wurde gewählt, weil die Chance, evtl. doch ein Kind von reichen Eltern zu bekommen, einfach angenommen wurde. Ich halte das für die sinnvollste Erklärung.
Aber teilt mir bitte eure Gedanken mit, falls ihr noch andere Ideen habt!


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

22.02.2018 um 17:02
Zitat von 2r2n2r2n schrieb:In dem Erpresserbrief war ausdrücklich "Ihre Tochter" genannt, insofern haben wir hier schon eine Eingrenzung in der Opferauswahl.
Es sei denn, die Täter hätten zwei Briefe vorbereitet.

Auf jeden Fall schönen Dank für die vielen Informationen.

Gruß RoBernd


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22.02.2018 um 18:17
@2r2n
Könnte es sein, dass die Täter schon längere Zeit versucht haben ein Kind zu entführen? Die Briefe waren ja schon einige Zeit vorbereitet. Gescheitert ist es dann daran, dass Sommerferien waren und das nicht bedacht wurde.


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2r2n ehemaliges Mitglied

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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

22.02.2018 um 19:10
@Jacksy24
Das könnte sein, allerdings ist zu bedenken, dass die Sommerferien ideal waren, um die Grabungsarbeiten vorzunehmen, denn hier waren alle Waldarbeiter und auch die Jagdberechtigten offiziell in Urlaub. Die Entdeckungsgefahr war hier also wesentlich geringer. Außerdem ist das Datum 15.09.81 insofern auch mit einer Besonderheit versehen, als dass an diesem Tag alle Schüler des Landerziehungsheims angereist sind. Das LEH hat traditionell erst einen Tag später Schule, als die restlichen Schulen Bayerns.
@robernd
Auch das wäre möglich gewesen, allerdings ist es viel einfacher, wenn man, wie beim Datum, das Wort Tochter/Sohn erst aktuell einsetzt. Ich vermute, die Entführer haben ein Mädchen geplant, weil hier eine mögliche Gegenwehr leichter zu kontrollieren ist.
@robernd und @SCMP77
Ich werde meine Gedanken zum aufgefundenen Tonbandgerät später noch mitteilen.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

22.02.2018 um 19:23
Hallo,

ist bekannt ob jemand von den Tatverdächtigen damals bei der Bundeswehr waren? Oder evtl. alle von denen?
Ich frage hier nur, weil mal jemand schrieb, das es schwer gewesen wäre, Ursula H. 800 m dorthin zu transportieren, wo der Fundort der Kiste war. Wahrscheinlich leicht eine Anhöhung hinauf. Muss der Täter (wenn es einer gewesen wäre) fit genug gewesen sein? Ich frage deshalb, da es diesen Rettungsgriff doch bei der Bundeswehr gibt, jemanden über die Schulter nehmen, das wurde doch immer so gelehrt in den 80er Jahren. War nur so eine Idee - wenn es jetzt ein Täter gewesen wäre.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

22.02.2018 um 19:45
@2r2n

Wie ist Ursula eigentlich zur Volksschule nach Schondorf gekommen? Wurde sie von ihrem Vater mit dem Auto mitgenommen, fuhr sie mit den Öffis oder (zumindest in den letzten beiden Jahren, ab 1980) mit dem Rad durch den Weingarten?

Weil es auch diskutiert wurde: War Mazurek eigentlich schon damals so ein Schwergewicht oder hat er erst nachher zugelegt? (Es geht um den Ledergürtel, der an der Kiste gefunden wurde und der einen Umfang von 105 cm sowie die charakteristischen Einwölbungen eines "Hängebauches" hatte).

In seiner Erwiderung auf die Anklageschrift 2009 sagt Mazurek übrigens, dass er (auf Nachfrage) sehr wohl gewusst hat das seine damalige Frau bei Ihnen geputzt hat; er verknüpft das gleich mit der Feststellung, dass er dadurch Ihre Vermögensverhältnisse gekannt haben will (nachdem er in seiner ersten Vernehmung 1982 noch gar nichts gewusst haben will).

Was halten Sie vom Vergleich mit dem Fall Barbara Jane Mackle von 1968 - eine mögliche "Anleitung"? Der Fall wurde auch als Vorlage für eine Szene in "Dirty Harry I" verwendet.

Weil es in der Diskussion naturgemäß hauptsächlich um sie geht - wie war Ursula eigentlich so? Hat sie öfter im Weingarten gespielt? (ich hoffe die Frage ist nicht zu privat).

Gruß EK


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

22.02.2018 um 22:07
@2r2n

Ich glaube, es waere ein ziemliches Risiko gewesen, ein komplett unbekanntes Kind zu entfuehren. Man konnte sich ja schliesslich nicht sicher sein, dass der Name irgendwo im Turnbeutel oder auf einem Heft oder wo auch immer drauf stehen wuerde. Und dann gibt es auch noch Verwechsungsmoeglichkeiten. Der Nachname H ist ja sehr gelaeufig. Den koennte man nicht unbedingt einer bestimmten Familie aus dem Telephonbuch zuordnen.

Klar, auf dem Dorf kann man sich eigentlich darauf verlassen, dass man mitbekommt, welches Kind vermisst wird, aber eben auch nur, wenn man im richtige Dorf wohnt. Das Kind haette genausogut von woanders sein koennen, und dann haette der Entfuehrer ein Problem. Und man kann sich bestimmt nicht darauf verlassen, dass es eine Suchmeldung im Radio geben wuerde. Bei Entfuehrungsfaellen wird oft gar nichts berichtet, um das Opfer zu schuetzen.

Ich glaube weiterhin, der Entfuehrer war ortskundig, und zwar sehr. Der hatte sich das lange ueberlegt. Vielleicht hat er UH gezielt entfuehrt, dann waere er aber in einem sehr kleinen Kreis zu finden, naemlich allen Leuten, die wussten, wann sie wo sie turnen geht. Vielleicht hat er dort einfach nur auf der Lauer gelegen, und auf das naechste vorbeikommende Kind gewartet.

Ich persoenlich denke, es war das letztere. Der hat lange daran gearbeitet, und es gut vorbereitet. Er war auf die Stelle angewiesen, hier hatte ein unzugaengliches Waldstueck und einen Weg, auf dem manchmal Kinder alleine unterwegs waren. Es waere schon ein gewaltiges Risiko gewesen, das alles zu arrangieren, wobei man doch gar nicht sicher sein konnte, dass UH wirklich auch vorbeikommt.

Ich glaube, es war zweitrangig, ob es ein Kind wohlhabender Eltern war. Geld kann man beschaffen, wie es ja hier auch passiert ist.

Das mit dem Lachgas ist auch wichtig. Um jemanden komplett auszuschalten, braucht man allerdings eine gehoerige Dosis, und dann eben auch ueber einen laengeren Zeitraum, und dafuer braeuchte man eigentlich eine Maske. In geringer Dosierung wird man davon nur high. Ich haette jetzt, ohne ordentliche medizinische Kenntnisse, eher gedacht, dass die Betaeubung ziemlich schnell nachlaesst, wenn das Gas nicht mehr verabreicht wird.

Lachgas ist in geringen Mengen sehr einfach zu beschaffen. Ich bezweifle jedoch, dass das praktikabel und ausreichend gewesen waere.


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2r2n ehemaliges Mitglied

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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

22.02.2018 um 22:14
@curt
Niemand von den Tatverdächtigen war bei der Bundeswehr. Es ist nicht bekannt, dass sie in irgendeiner Weise sportlichen Betätigungen nachgingen.
@ErwinKöster
Ursula fuhr mit dem Fahrrad, der Turnunterricht fand in der Turnhalle der dortigen Realschule statt.
Mazurek hatte damals einen Bauchumfang von 100, der Ledergürtel hatte 105, das würde also schon zusammengehen.
Stimmt, Mazurek hat 2009 eingeräumt, dass ihm die damalige Putzstelle seiner Frau bekannt ist. Das hat er vermutlich aus den Akten. (Das war übrigens 1974, also sieben Jahre vor der Tat) 1982 hat er davon deswegen nichts gewusst, weil die Scheidung von seiner Frau wohl schon bald danach war)
Von der Barbara Mackle Idee habe ich gehört. Kann sein, kann auch nicht sein. Welchen Stellenwert hätte ein Zusammenhang? In dem Kontext hier noch ein Vergleich aus dem Stern vor zwei Wochen, der auch frappierend ist:
https://www.stern.de/panorama/stern-crime/werner-mazurek-sitzt-seit-zehn-jahren-in-haft---fuer-eine-tat--die-er-nicht-begangen-haben-will-7848056.html
Und dann noch zur persönlichen Frage: Ursula ist zwar, wie wir alle, öfter durch den Weingarten am Seeweg entlang geradelt, hat aber nie darin gespielt. Sie war ein eher vorsichtiges Kind und hat mit ihrer Cousine (bei der sie nach der Sportstunde noch kurz war) höchstens mal am Waldrand von Schondorf gespielt. Aber nach meinen Erkenntnissen war das die Ausnahme. Der Weingarten war für uns ein überschaubares Waldgebiet, in dem ständig was los war wegen Spaziergängern, Ausflüglern, Joggern. Wir fuhren einfach immer durch. Dass hier so ein Verbrechen stattfand, ohne dass die Tätergruppe schon nach kurzer Zeit überführt werden konnte, ist immer noch vollkommen unverständlich.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

22.02.2018 um 22:35
@AnnaKomnene
Die Verwendung von Lachgas ist die einzige plausible Erklärung, weil es das einzige Betäubungsmittel ist, das flüchtig ist. Dass es mit einer Maske oder einer Plastiktüte verabreicht wurde, ist aus meiner Sicht zwingend, denn ansonsten hätte es nur kurzzeitige Wirkung gehabt. Aber es muss Lachgas gewesen sein, es wurden nämlich keinerlei Substanzen, wie z.B. Chloroform nachgewiesen. Ebensowenig gab es Verletzungsspuren in irgendeiner Form. Es ist zudem so gut wie sicher, dass sie sich in der Kiste keinen Millimeter bewegt hat, keine Befreiungsversuche unternommen hat und nicht mehr aus ihrer Betäubung aufgewacht ist. Dann ist sie innerhalb kürzester Zeit an Sauerstoffmangel gestorben. Die Unfallklinik Murnau, die das erste Gutachten erstellt hat, ging von 30 - 60 Min. aus.
Als Grund dafür wird immer wieder gerne gesagt, dass das Belüftungssystem mit Laub verstopft war. Das ist Unsinn. Das System konnte gar nicht funktionieren, weil die Rohrkonstruktion für einen Luftaustausch nicht geeignet war. Das wurde von Menschen gemacht, die vollkommen unerfahren waren. Umso unverständlicher ist es, wie im letzten Post schon gesagt, dass sie nicht schon im Oktober 1981, spätestens im Frühjahr 1982 überführt werden konnten.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

23.02.2018 um 00:24
Zitat von 2r2n2r2n schrieb:Von der Barbara Mackle Idee habe ich gehört. Kann sein, kann auch nicht sein. Welchen Stellenwert hätte ein Zusammenhang? In dem Kontext hier noch ein Vergleich aus dem Stern vor zwei Wochen, der auch frappierend ist:
Ich glaube die AA hat den Fall Mackle mE treffend als "Blaupause" für die Entführung Ihrer Schwester bezeichnet, da das Konzept, die Ausstattung der unterirdischen Gefängnisse und die Vorgangsweisen grosse Ähnlichkeiten aufweisen. Ein Unterschied ist dass im Fall Mackle das Opfer mit Sicherheit feststand und ein tragisches abweichendes Detail ist es, dass in Mackles Kiste ein Ventilator an der Autobatterie angeschlossen war. Dieser Fall wurde 1972 in Deutschland mit dem Titel "Die lange Nacht der Barbara Mackle" in der Reihe Reader's Digest veröffentlicht. Ich glaube KHK Solon hatte herausgefunden, dass eine Bekannte von Mazurek in diesem Jahr ein solches Abo hatte. Es ist nicht denkunmöglich, dass Exemplare an ihn weitergegeben wurden zumal bekannt ist dass er sich von Dieter J. Bücher über Bootsbau entlehnt hat. Kein Beweis - nur ein Indiz. (weiters wurde der Fall vier Jahre später im Zuge der Oetker-Entführung auch thematisiert.).

Den Stern-Artikel habe ich gelesen, bin über den Fall Avery aber nur ein wenig bewandert. (Belastungszeuge hatte IQ von 73, unsaubere Verhörmethoden der Ermittler und in der Wahrspruchfindung der Geschworenen soll es zugegangen sein wie im Bazar). Ich glaube das ist mehr Ulvi Kulac als Maze.

LG EK


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2r2n ehemaliges Mitglied

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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

23.02.2018 um 06:31
@ErwinKöster
vermutlich ist das ein Grundproblem: Welche Indizien haben Substanz und welche nicht? (Ich halte die Avery Querverbindung übrigens auch nur für Zufall). Querverbindungen gibt es im Leben ständig. Wie oft wundern wir uns, welche Zufälle uns passieren. Und dann die Frage, ist es ein Zufall oder nicht. Z.B. NSU Prozess: Ist es Zufall, dass fünf Zeugen eines unnatürlichen Todes gestorben sind, oder nicht?
Oder der Stoff in der Kiste (er war übrigens blau-rosa gestreift): Ist es Zufall, dass der gleiche Stoff (es war eine damals übliche Massenware) auch in einer Wanne in einer Lagerhalle in Windach gesichtet wurde, zu der Mazurek und auch Pfaffinger Zugang hatten. Zeugen sagten aus, dass er im Lauf des Jahres 81 von dort verschwand. Das ist neben dem Gürtel auch eines der kleinen Indizien, die in den Akten und dann auch in der Urteilsbegründung standen. (Was dort nicht steht: Der Stoff in Windach muss sehr wahrscheinlich mit Diesel verunreinigt gewesen sein, der Stoff in der Kiste war es nicht).
Das ist alles Ermessenssache und nicht umsonst gibt es dann die berühmte Gesamtschau der Indizien. Aber klar ist auch: Je akribischer gesammelt wird, desto leichter eine Gesamtschau.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

23.02.2018 um 07:36
@ErwinKöster
Nein, ein Indiz ist es nicht. Ein Indiz muss beweisbar und bewiesen werden können.

Nur wenn man hätte beweisen, können, das M diesen Artikel auch wirklich gelesen hat, könnte man von einem Indiz sprechen. So ist es - wie Du selber sagst - nur einen reine Denkmöglichkeit. Eine "Möglichkeit" ist aber kein Indiz.

Außerdem war der Artikel 1972 schon erschienen, das war 9 Jahre vorher, als M gerade mal 20 war, eine doch sehr lange Zeit. Hätte man nachweisen können, dass M kurz vor der Tat, sich diesbzgl. weiter Informationen beschafft hätte, wäre der Zusammenhang zur Tat logisch. So ist und bleibt es eine reine Denkmöglichkeit, die in ein Urteil nicht eingehen dürfte. Natürlich darf man so etwas in einem Gericht thematisieren und um zu ermitteln, ob man aus den Zeugenaussagen genau einen solchen Zusammenhang zur Tat ermitteln werden kann. Aber vorliegend sehe ich da keinen wirklichen Ansatz.

Leider schreiben manche Richter solche Sachen dann trotzdem ins Urteil, rein theoretisch ein Grund für eine erfolgreiche Revision. Aber zu einer erfolgreichen Revision eignet eben nicht jeder dieserart geeigneter Grund, wenn es andere tragende Beweise gibt. Man müsste schon zeigen, dass die Beurteilung willkürlich ist, und das ist nur selten möglich. Eine Revision ist eben keine zweite Tatsacheninstanz und in meinen Augen das Fehlen dieser hier in Deutschland ein großes Manko unseres Rechtsstaates. Aber für die, die hier solche Urteile auch hinterfragen, kann dann so etwas auch zum Problem werden, eine Fülle solcher nicht beweisbaren Gründe oder gar widerlegbarer könnten dann den Eindruck erwecken, dass das Gericht voreingenommen war und das sollte ein Gericht eigentlich vermeiden. Häufig ist da eben weniger mehr.

Und so ungewöhnlich ist der Gedanke bzgl. einer Kiste nicht, da es sehr viele Problem löst, welche bei einer Entführung auftreten, wenn man daran interessiert ist, dass das Opfer überlebt. Es gehört dann schlicht und einfach zur Risikominimierung. Die Ausstaffierung mit Essen, Lesematerial etc. Kleidung kommt man leicht, wenn man sich im Vorfeld versucht in das Opfer reinzuversetzen, um so die "Unannehmlichkeiten" des Opfers zu "mildern". Heutzutage ist das Risiko, das man bei einer solchen Unterbringung eingeht, deutlich höher, weil die Wahrscheinlichkeit hoch ist, Unmengen von DNA-Spuren zu hinterlassen.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

23.02.2018 um 18:29
Raumakustik statt TK 248 - Ein Experiment

Hallo zusammen,
das Bayerische Landeskriminalamt zeigt in seinem Gutachten zum Tonbandgerät Grundig TK 248, dass eine Fehlstellung des Aufnahmekopfs den ursprünglichen Lautstärkenverlauf der Verkehrsfunktöne verändert.

Ich behaupte schon lange, dass es dafür überhaupt kein Tonbandgerät braucht. Das leistet bereits die Akustik eines Raums. Dazu biete ich jetzt ein kleines Experiment an. Unter Hintergrundinformationen findet ihr einen sogenannten Gleitton. Wenn ihr euch den mit Lautsprechern aufmerksam anhört, werdet ihr (sehr wahrscheinlich) nicht einen Ton konstanter Lautstärke wahrnehmen, sondern einen Ton mit wechselnden Lautstärken. Die entstehen durch Reflexionen an Wänden und Einrichtungsgegenständen und deren Überlagerungen.

Auf diese Weise würden sich auch während einer akustischen Aufnahme oder dem Abspielen in einer Telefonzelle die Töne eines B3-Jingles unterschiedlich in der Lautstärke verändern. Kein Raum gleicht dem anderen. Deshalb sind die Lautstärkenschwankungen in jedem Raum anders. In der Regel lässt sich durch Verändern der Mikrofonposition eine Stelle im Raum finden, in der genau der 6. Ton des B3-Jingles gezielt abgeschwächt wird.
Mit Kopfhörern bleibt die Lautstärke konstant, weil die Raumakustik entfällt.

Der Gleitton ist ein Ton mit stufenlos veränderter Tonhöhe und durchgehend gleicher Lautstärke. Die Tonhöhe verändert sich stufenlos von 500 Hz bis 1100 Hz. Das ist der Bereich der Verkehrsfunkmelodie.

Gruß RoBernd


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

23.02.2018 um 19:49
Mal angenommen die Tat war eine Gemeinschaftsaktion von 2 oder 3 Deppen, die meinten so an Geld zu kommen.
Womöglich hatte man im Suff diesen perviden Plan geschmiedet bei dem das Kind letztendlich gestorben ist.
 
Jetzt hat man hier in diesem Fall das pro und kontra und man wiegt ab.
 
Leugner im Vollzug haben sicher keinen leichten Stand, ich habe das im Fall Horst Arnold verfolgt, der aufgrund seines Schicksals schon gestorben ist.
 
Mal angenommen M war doch in den Fall verwickelt, er war aber nicht der Einzigste und es gab noch andere Täter.
 
Es gibt Widersprüche und man kann zwar einige "Pro" Punkte auf sein Konto verbuchen, jedoch geben es auch mindestens genau soviele "Contra" Punkte.
 
Um es auf den Punkt zu bringen, M wäre kein Einzeltäter und es stehen begründete Zweifel im Raum.
 
Kann man das wirklich so machen, dass jetzt hier quasi einer hinhalten muss, wenngleich es doch erhebliche Zweifel gibt?


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2r2n ehemaliges Mitglied

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23.02.2018 um 20:56
@robernd
Das Gutachten zum Tonbandgerät ist ein eigener großer Komplex. Nicht nur der technische Aspekt, sondern auch die Vorgeschichte. Und jetzt wirft auch noch der Umgang der Zivilkammer mit dem TK 248 einige Fragen auf.
Ich möchte zunächst nur meine Ansicht zur audioakustischen Seite darlegen. Vielleicht ist es den Forumsteilnehmern bekannt, dass ich bereits im Strafverfahren das Ergebnis des Gutachtens kritisiert habe. Ich bin zwar kein Ingenieur und auch kein Tonmeister, wie ich in irgendeinem Artikel gelesen habe, aber ich betreibe nebenberuflich und für private Zwecke ein Tonstudio. Deshalb ist der Umgang mit Audioakustik ein täglicher Begleiter. Hier ein Bild:
DSC00479Original anzeigen (2,8 MB)
Zunächst gehe ich mit der Gutachterin konform, dass es möglich ist, mit dem TK 248 die Tätertonfolge zu produzieren. Also unter bestimmten Umständen. Und 2007. Ob diese Umstände allerdings 1981 so waren, ist äußerst fraglich. Ich muss ganz offen gestehen, dass ich schon Ende Mai 2008, als Mazurek festgenommen wurde und ich das Bild in der Augsburger Allgemeinen sah, in dem eine Abbildung des TK 248 in die Luft gehalten wurde, äußerst irritiert war. Ich wusste, dass sich dieser Beweis auf seriöse Art nicht führen lassen kann. Das ist wie eine Gleichung mit zehn Unbekannten. Ich muss acht einfach ignorieren, um dann die restlichen zwei in den Fokus zu rücken und dem erstaunten Publikum die Lösung zu präsentieren. Natürlich, wegen den acht ignorierten Unbekannten nicht "mit Sicherheit", sondern nur "Wahrscheinlich".
Ich habe, wie gesagt, dem Gericht im April 2009 einen Brief geschrieben, dass ich dieses Gutachten "freundlich ausgedrückt für merkwürdig halte". In einer Fragerunde habe ich dann einige Fragen an die Gutachterin stellen dürfen und die Antwort bekommen, dass die Beweisführung schon so geht. Das Gericht hat das akzeptiert, denn immerhin war es eine europaweite Phonetik Expertin und ich nur der Nebenkläger (ich saß also zudem auf der falschen Seite). Der Verteidiger konnte da auch nichts ausrichten, das Gericht hat sich auf die Aussagekraft des Gutachtens verlassen.
Es ist vollkommen richtig, dass jeder Raum einen eigenen Fequenzgang hat. Auch meine Regieraum "klingt", obwohl er akustisch optimiert ist. Zum individuellen Klangverhalten jedes einzelnen Raumes kommt noch ein schwerwiegenderes Problem: Die Position des Mikrophons. Speziell wenn Monoschallquellen aus mehreren Lautsprechern abstrahlen, kommt es unweigerlich zu Frequenzeinbrüchen wegen Phasenverschiebungen, auch wenn das Mikrophon nur wenige Zentimeter woanders steht. Hier lässt sich überhaupt nichts vorhersagen. Das wurde im Gutachten vollkommen ignoriert.
Und noch ein Punkt: Alle glauben jetzt, dass zur Herstellung der Tätertonfolge ein Tonbandgerät notwendig war. Das Gegenteil ist der Fall. Ein Kassettengerät ist wegen der einfacheren Laufwerkssteuerung viel wahrscheinlicher. Die Tonbandgerät Idee wurde erst durch das bei Mazurek aufgefundene TK 248 geboren.
Dass mich alle hier richtig verstehen: Ich glaube, dass die Verwendung des Geräts möglich war. Aber ich halte es für sehr unwahrscheinlich.
Und die Vorgehensweise der LKA Gutachterin setzt dem ganzen die Krone auf. Allein dass ein B3 Signal mit der falschen Obertonzusammensetzung (Das habe ich 2009 konkret moniert) als Ausgangssignal verwendet wurde, ist für mich nicht nachvollziehbar. Deshalb bin ich gespannt, was beim nächsten Termin zu dem ganzen Sachverhalt gesagt wird.


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23.02.2018 um 21:53
Zitat von SCMP77SCMP77 schrieb:@ErwinKöster
Nein, ein Indiz ist es nicht. Ein Indiz muss beweisbar und bewiesen werden können.
(...) Eine "Möglichkeit" ist aber kein Indiz.
Nö, ein Indiz ist ein Hinweis der für sich allein oder in einer Gesamtheit mit anderen Indizien den Rückschluss auf das Vorliegen einer Tatsache zulässt. Im Allgemeinen ist ein Indiz mehr als eine Behauptung, aber weniger als ein Beweis. Laut BGH eine "Hilfstatsache": solche Umstände, die nach Regeln der Plausibilität und der Logik die Schlussfolgerung zulassen, eine "Haupttatsache" sei gegeben. Aus "Beweisanzeichen" wird versucht zu einem Urteil zu gelangen.
Zitat von SCMP77SCMP77 schrieb:Außerdem war der Artikel 1972 schon erschienen, das war 9 Jahre vorher, als M gerade mal 20 war, eine doch sehr lange Zeit.
Da gehe ich davon aus, denn meines Wissens lebte Mazurek erst seit 1973 in Eching. RD Hefte aber hatten mitunter die Angewohnheit jahrelang herumzuliegen, ich glaube die Abonenten bekamen die sogar in gebundener Form. Noch heute werden Ausgaben aus dieser Zeit in ebay oder am Flohmarkt gehandelt. Wie geschrieben, unsere Großtante hatte die auch, die kriegten wir und als sie dann umgezogen ist habe ich einen ganzen Haufen bekommen. Es ist also durchaus möglich dass Mazurek eine jahrealte Ausgabe erst später bekommen hat und die Geschichte ist ihm im Gedächtnis geblieben. Oder er hat sie für seine Flohmarktaktivitäten gebraucht.

Ich glaube nicht, dass es bei uns viele Leute gibt, die in der Lage sind sich so eine Tat auszudenken. Da könnte die Mackle-Geschichte (die zudem zeitlich am Anfang stand) doch bewusstseinsbildend gewesen sein. Beim Fall Herrmann kommt noch diese krude Ambivalenz dazu: Einerseits die unglaubliche Bösartigkeit des Tatgeschehens, andererseits diese fast perverse Fürsorge wie der Stoffbezug, das Radio oder die Hefte. Und um einem unterirdisch gefangenen Kind "Das Grauen lauert überall" zur Lektüre vorzulegen, da muss man schon ein besonderes Gemüt besitzen.
Zitat von 2r2n2r2n schrieb:vermutlich ist das ein Grundproblem: Welche Indizien haben Substanz und welche nicht?
Was "Beweis" ist, entscheiden im Strafrecht nicht ein Gesetz oder eine feststehende Regel, sondern "die freie Überzeugung des Gerichts", und zwar "aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung" nach § 261 StPO. Beim "Indizienprozess", der ohne den üblichen "Tatsachenbeweis" auskommen muss, muss sich die Indizienvielfalt derart zu einer "kritischen Masse" verdichten, dass das Gericht einen Schuldspruch für gerechtfertigt hält. Je mehr stringente Indizien desto höher die Verurteilungswahrscheinlichkeit. Unsubstantiierte Indizien werden sowieso aus der Subsumtionskette ausgeschieden. Diese Vorgehensweise ist für Nichtjuristen oft nicht leicht nachvollziehbar.
Zitat von 2r2n2r2n schrieb:Umso unverständlicher ist es, wie im letzten Post schon gesagt, dass sie nicht schon im Oktober 1981, spätestens im Frühjahr 1982 überführt werden konnten.
Vielleicht sind Sie bei Ihrer Befassung mit dem Fall über Auszüge aus folgender Studie gestolpert: Karl Peters, Fehlerquellen im Strafprozess: Eine Untersuchung der Wiederaufnahmeverfahren in der Bundesrepublik Deutschland. 3 Bde, 1970-74, C.F. Müller. In dieser sehr umfangreichen Studie hat Peters an die 1000 Wiederaufnahmeverfahren in der Bundesrepublik empirisch ausgewertet und kommt unter anderen bezüglich der kriminalistischen Ermittlungen zum Schluss: Fehler, die Ermittler in der Anfangsphase der Ermittlungen (va noch unmittelbar am Tatort) begehen können nie wieder gutgemacht werden, fast alle Schwierigkeiten, die es mit der Lösung eines Falls gibt kann man auf diese Frühphase beziehen. Ich denke das trifft vor allem auch auf den vorliegenden Fall zu.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

23.02.2018 um 21:59
@ErwinKöster
Ich kenne die Studie nicht. Aber sie besagt, dass die Verhaftung Mazureks 2008, ohne DNA, ohne Fingerabdrücke und ohne Spuren für die Kistenherstellung eine Ausnahmestellung in der Kriminalgeschichte innehat und ein Triumph der Ermittler ist.
Da habe ich leise Zweifel.


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23.02.2018 um 22:04
Nachtrag: Der NSU-Fall ist eine heikle, politikdurchsetzte Geschichte. Nur kurz: Wir haben mit relativer Sicherheit zwei Morde, einen weiteren wahrscheinlichen (das Opfer war V-Mann des BfV) und zwei mysteriöse Fälle. Das spezielle Problem des Falles ist die Verwobenheit des rechtsextremen Milieus mit organisierter Kriminalität.

Die Zweifel sind nach der Performance bezüglich der Ermittlungen auch begründet, was mich dazu interessieren würde, wurde eigentlich von irgendeiner Seite Druck auf die Ermittler ausgeübt, kurz bevor verjährungsmäßig der Ofen aus war (30 Jahre) einen Täter zu präsentieren?


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