Leppy schrieb:Aber wir sind und so weit einig, dass ein Gebäude bei "Gefahr in Verzug" sofort hätte betreten werden dürfen?
Genau. Die Thematik ist mehrfach besprochen worden. Die Gebäude hätten betreten werden können. Das wusste die Polizei und sicherlich auch der stellvertretende Leiter.
Dass die Suche zunächst ausschließlich im Wald stattfand, war sicherlich auch im Sinne der Eltern, denn hätten sie diese Möglichkeit für vollkommen absurd gehalten, hätten sie sich sicherlich dahingehend geäußert. Vermutlich wurden die Gebäude abgesucht. Inga wurde nicht gefunden, also blieb nur der Wald übrig.
Dass man hinterher immer schlauer ist, kennt jeder aus seinem Leben. Und retrospektiv mag einiges auch anders erscheinen.
Wie jemand reagiert, wenn das eigene Kind verschwunden ist, können sich zum Glück nur ganz wenige Menschen vorstellen.
Familie Gehricke war 1 x pro Jahr auf dem Wilhelmshof, um Freunde zu besuchen. Ein privates Treffen, von dem sicherlich nicht viele Menschen wussten.
Dass jemand, der ein Kind entführen möchte, sich ausgerechnet den Wilhelmshof als Ziel aussucht, erscheint mir vollkommen abwegig, zumal es zeitgleich ein Volksfest in Stendal gab, wo sich sicherlich mehr Gelegenheiten geboten hätten. Sollten auf dem Wilhelmshof Kinder in Ingas Alter gelebt haben, wäre jeder normale Arbeitstag sicherlich günstiger für eine Entführung gewesen, als ein für viele arbeitsfreier Tag. Ging es also speziell um Inga bzw. ein Kind in ihrem Alter. Lebten auf dem Wilhelmshof nur ältere Kinder? Oder hoffte der Täter auf den Besuch von Angehörigen der Bewohner, verbunden mit dem Gedanken, dass man die Kinder zum Spielen nach draußen schickt, wenn man den Onkel Wolfgang, der gerade auf Entzug ist, besucht. Das dort Kinder gespielt haben, die möglicherweise nicht die ganze Zeit beaufsichtig wurden, ist für mich durchaus vorstellbar und auch nachvollziehbar. Trotzdem bin ich überzeugt, dass andere Orte "bessere" Möglichkeiten bieten.
Wie auch immer, ich komme immer wieder an den Punkt zurück: Warum dieser Tag und warum Inga.
Hat jemand von dem Treffen gewusst, dann den ganzen Tag auf der Lauer gelegen wie die Katze vor dem Mauseloch? Wäre so jemand nicht aufgefallen? Hätte man nicht irgendwann gefragt, ob man irgendwie helfen kann? Ist bei einem solchen Szenarium überhaupt eine Person aus einem anderen Kontext vorstellbar?
Selbst wenn jemand von dem Besuch gewusst hat, wusste er auch, dass Gehrickes am späten Nachmittag wieder fahren wollten. Gab es vor der Verlängerung des Besuchs keine Gelegenheit? Aber wer hätte damit rechnen können, dass Gehrickes bleiben? Immerhin hatten sie eine 1,5-stündige Rückfahrt vor sich.
Was wäre gewesen, wenn Gehrickes gar nicht gekommen wären, weil der Wagen nicht ansprang, weil sie Ehekrach hatten, weil jemand krank wurde, weil sie einen Wasserschaden in der Wohnung hatten, oder weil die Großmutter ins Krankenhaus kam? Es gibt tausend Gründe, einen Besuch abzusagen.
Es sind diese vielen Seltenheiten, angefangen mit der Lage des Wilhelmshof, aufgehört mit der nicht geplanten Verlängerung des Besuchs, während der die Entführung stattfand, die diesen Fall so einzigartig machen.