@richard W.: In Ihrem Video
Auftriebs-Kraftwerk Beitrag 4/6 werfen Sie den "Rosch-Tüftlern" eine falsche Berechnung der Energie bzw. Arbeit beim Befüllen und beim Aufstieg der Auftriebsbehälter vor. Daraus schliessen Sie, dass das Konzept von Rosch gewissermassen nur auf einem Irrtum beruht, was Ihrer Ansicht nach Rosch vom Vorwurf des Vorsatzes entlastet.
Mal abgesehen davon, dass Rosch nie entsprechende Berechnungen veröffentlicht hat, sind Ihre eigenen Berechnungen dazu leider ebenfalls grundsätzlich falsch.
Original anzeigen (0,3 MB)Sie berechnen zunächst die notwendige Arbeit zum Einbringen von Luft mit einem Druck von 1 atü (entsprechend 10 m Wassertiefe) in einen 1 m
3 grossen Auftriebsbehälter. Dieser Teil der Rechnung ist noch richtig:
W = 10.000 cm
2 * 1 at * 1 m = 10.000 kg
fm = 10 t
fm
Sie nehmen dabei zwar -- obwohl Sie sich möglicherweise dessen nicht bewusst sind -- eine wesentliche Vereinfachung vor, die aber an dieser Stelle akzeptabel ist. Der absolute Druck, der zum Einbringen überwunden werden muss, beträgt 2 ata (1 at reiner Wasserdruck + 1 at atmosphärischer Luftdruck). Da jedoch der atmosphärische Luftdruck auch mit 1 at beim Einbringen "mithilft", ergibt sich für den effektiv aufzubringenden Druck, wie Sie korrekt angegeben haben, 1 at.
Etwas später stellen Sie -- ebenfalls noch richtig -- fest, dass die Einbringung des halben Luftvolumens auch nur die halbe Arbeit = 5 t
fm erfordert.
Anschliessend berechnen Sie die Nutzarbeit eines aufsteigenden Auftriebsbehälters durch Mittelwertbildung. Prinzipiell richtig ist, dass die Auftriebskraft aufgrund der Expansion der Luft von 0,5 m
3 auf 1 m
3 während des Aufstiegs von anfangs 0,5 t
f bis auf 1 t
f ansteigt. Leider ist bereits die Darstellung der Formel völlig missglückt:
W = 0,5 + 1 m
3 : 2) * 10 m = 7,5 t
fm
Offensichtlich meinen Sie eigentlich diese Formel:
W = (0,5 t
f + 1 t
f) : 2 * 10 m = 7,5 t
fm
Leider ist auch diese Formel grundsätzlich falsch. Die Kompression und Expansion von Gasen verläuft nichtlinear, weshalb eine Berechnung per Mittelwertbildung (ausser bei sehr geringen Druckänderungen) unzulässig ist, und zu falschen (d.h. nicht mit der Realität übereinstimmenden) Ergebnissen führt.
Die richtige Formel einschliesslich ihrer Herleitung findet sich in der bekannten Arbeit
"Der Wirkungsgrad eines Auftriebskraftwerks (pdf)" von Dipl. Ing. Peter Bruggmüller. Um Ihnen das Verständnis zu erleichtern, möchte ich Ihnen eine vergleichbare Herleitung hier mit den von Ihnen verwendeten Einheiten zeigen. Mathematische Feinheiten lasse ich beiseite, da sie unnötig das Verständnis erschweren würden.
Um Missverständnisse zu vermeiden: Die nachfolgende Beschreibung ist die
Herleitung der allgemeinen Formel für die Berechnung der Auftriebsarbeit bzw. -energie in den Einheiten des Technischen Masssystems. Diese Herleitung muss natürlich nicht jedesmal nachvollzogen werden, um eine konkrete Berechnung durchzuführen. Dafür ist dann nur noch die resultierende Formel erforderlich.
Im Prinzip berechnet sich die vom Auftrieb geleistete Arbeit nach der Formel:
W = F * s
Offensichtlich ändert sich die Kraft F aber durch die Expansion der Luft während des Aufstiegs laufend, abhängig von der Höhe h, in der sich der Auftriebsbehälter befindet. Daher muss die Multiplikation durch ein Integral ersetzt werden (h verläuft dabei von 0..s):
W = ∫ F(h) dh
Um das Grundprinzip für Integralrechnungs-Unkundige zu erläutern: Durch das Integral wird die Strecke s in quasi unendlich kleine Teilstücke dh zerlegt, für jedes Teilstück wird die Arbeit F(h)*dh berechnet, und die Teilergebnisse werden aufsummiert. Bei einem nicht lösbaren Integral (ein Problem, dass sich beim hier betrachteten Integral erfreulicherweise
nicht stellt) kann man eine Integration dadurch "simulieren", dass man eine solche Aufteilung in eine grössere Zahl von Teilergebnissen "manuell" (z.B. mit einer Tabellenkalkulation) vornimmt. Je feiner die Aufteilung, um so genauer das Ergebnis. Ich schätze, dass man beim hier betrachteten Beispiel mit ca. 10 Teilergebnissen zu einem brauchbar genauen Gesamtergebnis gelangen würde. Das ist allerdings eine ziemlich unelegante Methode, und sollte nur als Notlösung gewählt werden, wenn eine analytische Lösung des Integrals scheitert.
Die Auftriebskraft F(h) entspricht der Gewichtskraft des verdrängten Wassers, und berechnet sich abhängig vom Volumen der Luft im Auftriebsbehälter gemäss (das Gewicht des Auftriebsbehälters und der Luft seien aus Vereinfachungsgründen als vernachlässigbar angenommen):
F(h) = V(h) * 1000 kg
f/m
3Das Volumen V(h) hängt wiederum vom Druck in der Wassertiefe ab, in der sich der Auftriebsbehälter befindet. Bei einer isothermen Zustandsänderung (d.h. bei vollem Wärmeaustausch mit der Umgebung, was bei Auftriebskraftwerken üblicherweise angenommen wird) gilt das
Boyle-Mariottesches Gesetz (dabei ist zu beachten, dass die Drücke absolut, d.h. in ata angegeben werden müssen):
p(h) * V(h) = p
atm * V
atm -> V(h) = p
atm * V
atm / p(h)
Der absolute Druck p(h) in ata abhängig von der Wassertiefe ergibt sich gemäss (der Divisor 10 m folgt dabei aus der Definition der Einheit at = 10 m Wassersäule, und hat nichts mit der Höhe der Wassersäule im obigen Beispiel zu tun):
p(h) = p
atm + ((s - h) / 10 m) * 1 at = (10 m + s - h) * 1/10 at/m
Insgesamt ergibt sich damit für F(h) im Integral:
W = ∫ 1000 kg
f/m
3 * p
atm * V
atm / ((10 m + s - h) * 1/10 at/m) dh
Bei wesentlichen Teilen des Integralausdrucks handelt es sich um konstante Faktoren, die aus dem Integral herausgezogen werden können:
W = 10.000 kg
fm/(m
3 at) * p
atm * V
atm * ∫ 1 / (10 m + s - h) dh
Das Integral hat nun die Grundform 1/(a*x+b), für die es erfreulicherweise eine allgemeine Lösung gibt (siehe z.B.
hier):
∫ 1/(a*x+b) dx = 1/a*ln(a*x+b)
Daraus folgt mit den Integrationsgrenzen 0 und s für das bestimmte Integral:
[1/a*ln(a*s+b)] - [1/a*ln(a*0+b)] = 1/a*ln((a*s+b)/b)
Mit a = - 1 und b = 10 m + s ergibt sich daraus für das spezifische Integral:
- ln((-s + 10 m + s) / (10 m + s))
Das lässt sich vereinfachen zu:
ln((10 m + s) / 10 m) = ln(1 + (s / 10 m))
Die vollständige Formel lautet dann:
W = 10.000 kg
fm/(m
3 at) * p
atm * V
atm * ln(1 + (s / 10 m))
Sicherheitshalber ein Vergleich mit der Formel von Herrn Bruggmüller (zunächst in der normalen Form mit SI-Einheiten):
W = p
atm * V
atm * ln(p
kompr / p
atm)
Die Drücke müssen von Pascal auf at umgestellt werden (1 at = 98.066,5 Pa; im Logarithmus kürzen sich die Umrechnungsfaktoren heraus):
W = (p
atm * 98.066,5 Pa/at) * V
atm * ln((p
kompr) / (p
atm))
Der komprimierte Druck kann abhängig von der Wassertiefe s als p
kompr = p
atm + (s / 10 m) * 1 at ausgedrückt werden:
W = (p
atm * 98.066,5 Pa/at) * V
atm * ln((p
atm + (s / 10 m) * 1 at) / (p
atm)
Da im Technischen Masssystem der atmosphärische Druck üblicherweise mit 1 at angenommen wird, ergibt sich:
W = (p
atm * 98.066,5 Pa/at) * V
atm * ln(1 + (s / 10 m))
Nun muss noch das Ergebnis von Nm in kg
fm umgerechnet werden (1 Nm = 1 / 9,80665 kg
fm)
W = 1 / 9,80665 kg
fm/(Nm) * (p
atm * 98.066,5 Pa/at) * V
atm * ln(1 + (s / 10 m))
Vereinfachen ergibt (Pa/(Nm) = (N/m
2)/(Nm) = 1/m
3):
W = 10.000 kg
fm/(m
3 at) * p
atm * V
atm * ln(1 + (s / 10 m))
Passt!
:) Die Formeln stimmen also überein.
Für das ursprüngliche Beispiel folgt daraus:
W = 10.000 kg
fm/(m
3 at) * 1 ata * 1 m
3 * ln(1 + (10 m / 10 m)) = 10.000 kg
fm * ln(2) ≈ 6931 kg
fm ≈ 6,9 t
fm
Per Mittelwert-Methode ergeben sich (s.o.) ca. 7,5 t
fm, die Abweichung vom richtigen Ergebnis beträgt also in diesem Fall ca. 9%. Bei höheren Drücken wird die Abweichung noch erheblich grösser. Bei einer 100 m hohen Wassersäule ergibt sich nach der Mittelwert-Methode:
W = (1 / 11 t
fm + 1 t
fm) : 2 * 100 m ≈ 55 t
fm
Das richtige Ergebnis lautet:
W = 10.000 kg
fm/(m
3 at) * 1 ata * 1 m
3 * ln(1 + (100 m / 10 m)) ≈ 24 t
fm
Die Mittelwert-Methode ergibt also in diesem Fall mehr als das Doppelte (!) des richtigen Ergebnisses.
Ich möchte alle Mitleser noch mal darauf hinweisen, dass die in dieser Herleitung verwendeten Einheiten teilweise völlig veraltet sind. Eine moderne Herleitung findet sich, wie erwähnt, in der oben verlinkten Arbeit von Herrn Bruggmüller.
Nun zur Berechnung der Kompressionsarbeit. Sie geben folgende Berechnung für die Erzeugung von 0,5 m
3 Druckluft mit 1 atü (= 2 ata) an:
[W =] 0,5 m
3 * 1 at = 5 t
fm
Das kann offensichtlich nicht stimmen. Das würde bedeuten, dass bei der Kompression von Anfang an ein Gegendruck von 1 at herrschen würde, während der tatsächliche anfängliche Gegendruck natürlich Null ist. Selbst die Mittelwert-Methode (die sie zumindest in einem anderen
Video zur Berechnung der Kompressionsarbeit verwendet haben) liefert hier ein besseres (d.h. besser mit der Realität übereinstimmendes) Ergebnis:
W = 10.000 cm
2 * (0 at + 1 at) / 2 * 0,5 m = 2,5 t
fm
Allerdings ist auch das nicht das richtige Ergebnis. Die richtige Formel zur Berechnung der isothermen Volumenarbeit steht (ggf. in etwas anderer Form) in jedem entsprechenden Lehrbuch und lautet (in der normalen Form mit SI-Einheiten):
W = p
atm * V
atm * ln(V
atm / V
kompr) - p
atm * (V
atm - V
kompr)
Der erste Teil des Ausdrucks (bis zum Minus) entspricht der Kompressionsarbeit unter Vakuumbedingungen. Der zweite Teil des Ausdrucks entspricht dem "Mithelfen" des atmosphärischen Luftdrucks bei der Kompression. Das ist erfahrungsgemäss etwas schwer zu verstehen, deshalb möchte ich dazu auf eine entsprechende
Grafik von
@Fölix (Asterix) verweisen.
Im Gegensatz zu der obigen Herleitung der Auftriebsarbeit findet sich die (ähnliche) Herleitung der Volumenarbeit in zahlreichen Lehrbüchern, weshalb ich hier auf eine Herleitung verzichte.
Umgestellt auf die Einheiten des Technischen Masssystems lautet die Formel:
W = 1 / 9,80665 kg
fm/Nm * ((p
atm * 98.066,5 Pa/at) * V
atm * ln(V
atm / V
kompr) - (p
atm * 98.066,5 Pa/at) * (V
atm - V
kompr))
Vereinfachen ergibt (Pa/(Nm) = (N/m
2)/(Nm) = 1/m
3):
W = 10.000 kg
fm/(m
3 at) * (p
atm * V
atm * ln(V
atm / V
kompr) - p
atm * (V
atm - V
kompr))
Für das obige Beispiel ergibt sich damit eine Kompressionsarbeit von:
W = 10.000 kg
fm/(m
3 at) * (1 ata * 1 m
3 * ln(1 m
3 / 0,5 m
3) - 1 ata * (1 m
3 - 0,5 m
3)) ≈ 1931 kg
fm ≈ 1,9 t
fm
Sowohl der von Ihnen berechnete Wert (5 t
fm) als auch der mit der Mittelwert-Methode berechnete Wert (2,5 t
fm) weichen also erheblich vom richtigen Ergebnis ab.
Nun noch ein abschliessender Test. Sofern die Berechnungen richtig sind,
müssen Eingangs- und Ausgangs-Energie bzw. -Arbeit (von vernachlässigbaren Vereinfachungen und Rundungen abgesehen) exakt übereinstimmen. Es muss also also gelten:
W
kompression + W
einschieben = W
auftriebFür das obige Beispiel ergibt sich unter Verwendung der berechneten Werte (die Einschiebe-Arbeit hatten Sie korrekt mit 5 t
fm = 5000 kg
fm berechnet):
1931 kg
fm + 5000 kg
fm = 6931 kg
fm
Diese Gleichung ist offensichtlich erfüllt, die Energiebilanz ist also ausgeglichen.