Link: www.verfassungsschutz-bw.de (extern) (Archiv-Version vom 20.02.2008)Länder und ihre Nachrichtendienste
Volksrepublik China
In der Volksrepublik China ist eine rasante wirtschaftliche und technologische Entwicklung zu beobachten. Das Wirtschaftswachstum – im Jahr 2004 bei 9,5 Prozent- scheint ungebrochen. Bei seinem wirtschaftlichen Vorwärtsdrang baut China seit jeher schon auf die Unterstützung durch seine mächtigen Nachrichtendienste.
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Das Ministerium für Staatssicherheit (MSS) zählt zu den Hauptträgern der nachrichtendienstlichen Aktivitäten im Ausland. Diese umfassen die Informationsbeschaffung aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Technologie und Militär. Im Inland hat es die Wahrung der politischen und sozialen Ordnung zu gewährleisten.
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Das „Military Intelligence Department“ (MID), Hauptverwaltung Nachrichtenwesen im Generalstab der Volksarmee ist als militärischer Inlands- und Auslandsnachrichtendienst für die militärische Aufklärung und Abwehr zuständig und soll – ebenfalls wie das MSS – durch gezielte Informations- und Güterbeschaffungen aus den Bereichen Wirtschaft und Wissenschaft, mithelfen, internationale Standards zu erreichen. Mitarbeiter des MID erkunden außerdem auftragsgemäß günstige Möglichkeiten von Geschäftsverbindungen und Investitionen.
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Das „Electronic Interception Department“ ist als 3. Abteilung des Generalstabs der Volksbefreiungs-
armee (3VBA) für die Fernmelde- und elektronische Aufklärung zuständig.
Chinesische Stellen versuchen aber auch durch den Einsatz wirtschaftlicher Druckmittel und durch gegenseitiges Ausspielen potenzieller Investoren an deutsche Hochtechnologie zu gelangen. Die Absicherung des eigenen Know-how ist daher - wie sich auch im Poker um die Magnetschnellbahn Transrapid gezeigt hat - für die westliche Industrie eines der fundamentalen Probleme in der Zusammenarbeit mit chinesischen Kontaktpartnern.
Der deutsche Handel mit China boomt. Die Zahl deutscher Produktionsstätten und Repräsentanzen in China hat sich gegenüber dem Vorjahr mit weit über 2000 - darunter allein ca. 450 aus Baden-Württemberg - deutlich erhöht.
Schaubild Chinesische
Nachrichtendienste
Quelle: LfV BW
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In beachtlicher Zahl verlegen namhafte deutsche Firmen mittlerweile sogar ihre Forschungs- und Entwicklungsabteilungen nach China. Daneben existieren zahlreiche Kooperationen mit wissenschaftlichen Einrichtungen in China. Eine Entwicklung die sich in den kommenden Jahre fortsetzen wird, wenn sich der Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation (WTO) voll auszuwirken beginnt. Den chinesischen Nachrichtendiensten eröffnen sich hierdurch gerade im technisch-wissenschaftlichen Bereich zahlreiche Möglichkeiten bei der Anwerbung geeigneter Personen zur Informationsgewinnung.
Es konnte der gezielte Aufbau von Beziehungen zu Personen aus der Wirtschaft und zu wissenschaftlichen Einrichtungen beobachtet werden. Dabei wurde eine teilweise konspirative Reisetätigkeit nachrichtendienst-
lich involvierter Botschaftsangehöriger festgestellt.
Als weitere Beschaffungsmethoden können beispielhaft aufgeführt werden:
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Platzierung und Einsatz qualifizierter Praktikanten, Studenten, Doktoranden und Wissenschaftler in Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen von Universitäten, Instituten und Industriebetrieben. In diesem Zusammenhang ist in letzter Zeit in China ein deutlicher Anstieg der Zahl halbstaatlicher und staatlicher Personalvermittlungsbüros festzustellen. Sie bieten nicht nur die Möglichkeit, nachrichtendienstlich relevante Personen unauffällig „punktgenau“ zu platzieren, sondern bilden mit ihren hohen Gebühren auch eine ergiebige Einnahmequelle.
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Ausbau eines flächendeckenden Netzes chinesischer Vereine und Verbände in der Bundesrepublik Deutschland.
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Nutzung chinesischer Dolmetscher/Übersetzer zur Informationsbeschaffung aus allen interessierenden Bereichen (z. B. Politik, Wirtschaft, Justiz, Polizei, Ausländer- und Gewerbeämter).
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Schon seit einigen Jahren unternimmt die Volksrepublik China systematische Anstrengungen, ihre ehemaligen Auslandsstudenten in die Heimat zurück zu holen. Geschickt wird an den Patriotismus chinesisch-stämmiger Forschungsingenieure und Manager appelliert, um sie zum Transfer ihres Wissens und ihrer Fertigkeiten zu bewegen. Die entsprechenden Aktivitäten verschiedener chinesischer Stellen sind sorgfältig zu beobachten, insbesondere unter dem Aspekt einer nicht auszuschließenden Einbindung chinesischer Nachrichtendienste. Wer nicht oder noch nicht zurückkehren will, wird aufgefordert, seine Heimat vom Ausland aus zu unterstützen. Wie ein in Deutschland lebender chinesischer Wissenschaftler gegenüber dem Landesamt für Verfassungsschutz bestätigte, sei er bereits kurz nach seiner Einreise ins Bundesgebiet zusammen mit weiteren Landsleuten von Botschaftsangehörigen zu einer Feier eingeladen und verpflichtet worden, sämtliche interessanten Informationen aus Industrie und Technik dem Heimatland zukommen zu lassen.
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Das ab 1. August 2003 verbindlich eingeführte Zertifizierungssystem "China Compulsory Certification" (CCC) für den Import bestimmter Waren – neben diversen Konsumgütern vor allem elektrotechnische und elektronische Komponenten und Geräte - , das u.a. eine Typprüfung in einem akkreditierten Labor in China und die Besichtigung der Fertigungsstätten durch chinesische Inspektoren vorsieht, birgt nach Auffassung des Landesamts für Verfassungsschutz die Gefahr, dass ungewollt Know-how abfließt.
Geschäftsreisende müssen in China trotz offizieller Bemühungen um internationale, vertrauensvolle Zusammenarbeit immer noch damit rechnen, überwacht, abgehört oder nachrichtendienstlich angesprochen zu werden.