VanDusen schrieb:Nein, das ist eine sogenannte Signatur-Attacke, die der Kreml zwar offiziell abstreiten kann, bei der aber trotzdem jedermann weiß und wissen soll, wer dahintersteckt. Auch der Anschlag auf Litwinenko war eine solche Signatur-Attacke, getreu dem Motto: "Töte einen, erziehe tausend."
Richtig, so kann man das durchaus plausibel ableiten. Wer das politisch handelnde Russland in der Hinsicht auch rückwirkend betrachtet bzw. eine Weile verfolgt hat, weiß, dass es quasi auch indirekt ein Mittelfinger an die Welt ist und man oft macht, was man will. Ob im Sport-Doping, Hacken, militärisches Eingreifen (Ukraine), etc. pp. Ja, die machen nur Urlaub...
Es wird teils so offensichtlich oder ist einfach ein offenes Geheimnis (irrelevant, ob das Max Mustermann glauben kann/will oder nicht bzw. einseitig das politische Russland verteidigt oder eben Partei ergreift) und wird quasi offiziell abgestreitet oder sonst wem in die Schuhe geschoben.
Kann man natürlich auch "positiv" sehen: Es zu verneinen ist noch der letzte Funken "Anstand" ehe man es kackendreist zugibt und sagt "Und jetzt?"
Aber das wäre auch ein offenes Zugeständnis, politisch international noch härter rangenommen zu werden, spätestens dann müsste/würde es fette Sanktionen hageln. Vielleicht nicht zwingend bei einem Oppositionellen der im eigenen Land vergiftet wird, aber wenn man alles zusammen betrachtet und auch Taten im Ausland.
Dazu anbei: Es ist ja nicht immer Gift. Manchmal wird man auch einfach umgeschossen. Wenn man von der Theorie ausgeht, dass das in Berlin mit dem Tschetschenen Russen waren. Manchmal wird auch keinem geschadet, da spioniert man vor Ort Kackendreist internationale Organisationen aus. Oder versuchte es:
On 13 April 2018, with support from the Netherlands General Intelligence and Security Service and UK counterparts, the Netherlands Defence Intelligence and Security Service (DISS) disrupted a cyber operation being carried out by a Russian military intelligence (GRU) team. The Russian operation had targeted the Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons (OPCW) in The Hague.
Quelle:
https://www.government.nl/latest/news/2018/10/04/netherlands-defence-intelligence-and-security-service-disrupts-russian-cyber-operation-targeting-opcwFür mehr Infos, den Artikel und vergleichbare lesen.
Kurzum: Ein Team des russischen Militärgeheimdienstes versuchte lokal und vor Ort in Netzwerke der OPCW einzudringen und Cyberspionage zu betreiben. Ganze 4 Leute. Ausgestattet mit der entsprechenden Ausrüstung (die keinen Zweifel daran lassen dürfte) und natürlich, Klassiker, diplomatischen Pässen. Flogen aber auf, konnte also verhindert werden.
Wieso erwähne ich das als Beispiel?
1) Man betreibt über eigene Medien und Trolle Desinformationskampagnen und säht Zweifel zur Destabilisierung, man hackt sich durch die Welt, versucht Narrative zu manipulieren und zu beeinflussen (teilweise nachvollziehbar, zu einem gewissen Level versuchen das viele politische und private Akteure, aber einem gewissen Punkt aber nicht mehr ok - grundsätzlich). Und dann kann man es sich nicht vorstellen, dass man politische Opposition oder irgendwelche Überläufer vergiftet?
2) Es gab über die Jahre mehrere Fälle wo russisches Personal vor Ort auffällig wurde oder aufflog, basierend auf starken Indikatoren. Dazu mutmaßliche Hackervorfälle wo eine Spur nach Osten zeigt.
Zählt man das zusammen müsste eigentlich in der großen Betrachtung klar werden, dass man in vielen Fällen mit großer Wahrscheinlichkeit den Übeltäter im politischen Russland verorten kann. Dann naiv oder vorsätzlich so zu tun als wäre das alles absurd oder ein Ding der Unmöglichkeit spricht aus meiner Sicht nicht für eine solide Argumentation. Ich will jetzt hier keine Grundsatzdebatte lostreten von wegen "Aber 'der Westen'..." und so weiter. Je nach Betrachtungsweise hat jeder politische oder sonstige Akteur irgendwo keine weisse Weste oder Dreck am stecken.
Ich bin aber nun mal "im Westen" (wenn man das überhaupt immer so singulär betrachten kann, auch 'der Westen' ist keine einzelner Akteur, keine homogene Masse) groß geworden und mit gewissen vermittelten Werten aufgewachsen. Ich will kein Zarenreich auf dem Fundament anderer Länder aufbauen noch habe ich das Faible, so sehr ich hier manche Opposition ablehne, diese mit unlauteren Mitteln kleinzuhalten, Wahlen zu fälschen, andere zu vergiften.
Aus dieser Sichtweise finde ich viele Dinge also nicht OK. Es ist leider einiges im Sinne einer gesunden Versöhnung oder Kooperation nach dem kalten Krieg schief gegangen. Bzw. es hätte sich besser entwickeln können. Ich denke, mittel- bis langfristig ist das aber weiterhin alles möglich. Nur nicht unter Putin oder ggf. seinen familiären Nachfolgern. Ein anderer Präsident mit dem Rückhalt der notwendigen innerpolitischen Akteure und einem anderen Fokus könnte mittel- und langfristig Hemmnisse abbauen. Wenn zeitgleich "der Westen" oder zumindest Europa daran mitwirkt, dann hat man eine Chance auch solche Fälle die hier diskutiert werden letztendlich gaaanz langsam aber sicher zu mildern. Muss am Ende halt nur jeder wirklich wollen. Vom "westlichen Politiker" und im weiteren Sinne westlichen Bürger bis hin zum russischen Politiker und im letzten Sinne russischen Bürger.