>m englischsprachigen Raum findet sich seit Beginn der neunziger Jahre eine Vielzahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen zu diesem Phänomen viele davon in angesehenen Fachzeitschriften. Wenn wir den dort gelieferten Fallvignetten glauben werden die USA sowie einige Staaten Lateinamerikas und Europas seit Mitte der siebziger Jahre von einer Welle seltsamer Entführungen heimgesucht. Inzwischen sind es wahrscheinlich (es ist außerordentlich schwierig hier gesicherte Zahlen zu erhalten) Tausende von Menschen die behaupten sie seien durch Außerirdische verschleppt und in deren Raumschiffen ( UFO ) zu verschiedensten medizinischen Experimenten missbraucht worden.
Bei den meisten Opfern treten nach der Entführung zunächst nur einige nicht sehr spezifische psychische und somatische Symptome auf (wie Schlaflosigkeit Alpträume und Dunkelangst). Erst bei der Verwendung spezifischer Befragungstechniken insbesondere beim Einsatz von Regressionshypnose durch einen mit dem Phänomen vertrauten Psychotherapeuten stellen sich Erinnerungen an die Entführungen selbst ein. Die betroffenen Personen berichten dann – im wesentlichen übereinstimmend – über ihre Erlebnisse. Wenn man die von verschiedenen Autoren vorgenommenen idealtypischen Rekonstruktionen als Orientierung benutzt lässt sich der Ablauf einer solchen Entführung so beschreiben:
1. Das Opfer sieht zunächst eine ungewöhnliche Himmelserscheinung vielleicht ein strahlend helles Licht.
2. Wie aus dem Nichts erscheinen fremdartige Gestalten die dem Opfer mit unbekannten Methoden Willenskraft und Empfindungsvermögen rauben.
3. Durch diese Gestalten (oder durch eine Art Lichtstrahl) wird das Opfer in ein Raumschiff verbracht wo es sich in einem hell erleuchteten oftmals mit fremdartigen Maschinen angefüllten Raum wiederfindet.
4. Hier wird das Opfer – fixiert auf einer Art Tisch oder Bett – verschiedenen meist sehr schmerzhaften Untersuchungen und/oder Experimenten unterzogen: Es werden Blut und Gewebeproben entnommen dünne Sonden in verschiedene Körperöffnungen oder durch die Haut eingeführt manchmal Implantate eingesetzt.
5. Das besondere Interesse gilt dabei regelmäßig dem Fortpflanzungsapparat der Entführten; Sperma und Eizellen werden entnommen – in einigen Fällen kommt es zu sexuellen Interaktionen zwischen Mensch und menschenähnlichem Alien. Frauen werden manchmal befruchtete Eizellen eingesetzt; die Föten werden bei einer späteren Entführung wieder entnommen.
6. Während aller Experimente fühlen die Opfer sich von außen kontrolliert; sie erfahren sich auch wenn sie nicht mechanisch fixiert sind als hilf- und wehrlos.
7. Am Ende der Untersuchungen werden entweder die Erinnerungen an die Ereignisse gelöscht oder der Verstand der Opfer wird so manipuliert (‚programmiert‘) dass sie nicht über ihre Erlebnisse sprechen können.
8. Der Rücktransport an den Entführungsort (seltener an einen anderen Ort) wird meistens nicht erinnert.
Auf Basis dieser strukturell gleichförmigen Berichte hat sich im Laufe der Zeit in den sozialen Netzwerken aus Betroffenen selbsternannten UFO- und Entführungs-Experten und einigen Wissenschaftlern ein umfangreiches Hintergrundwissen zum Phänomen ausgebildet Dazu gehören auch Annahmen über die psychischen und psychosozialen Auswirkungen für die Betroffenen und eine entsprechende ethische Bewertung der Erfahrungen.
In einigen Fällen wird von einer eher positiven Wirkung auf die Entführten ausgegangen: Die Interaktion mit den Aliens soll ihnen zu ‚höheren Einsichten’ über sich selbst oder die Zukunft der Menschheit verholfen haben. In der Mehrheit der Berichte – und diese Tendenz verstärkte sich in den achtziger und neunziger Jahren noch – werden die Entführungen und ihre Nachwirkungen jedoch außerordentlich negativ beurteilt. Die Entführungen insbesondere aber die in ihrem Rahmen stattfindenden schmerzhaften und entwürdigenden medizinischen Experimente werden als ‚traumatisierende Erlebnisse‘ ( Trauma ) angesehen; entsprechend leiden die Entführungsopfer mehrheitlich unter Symptomen wie sie die posttraumatische Belastungsstörung beschreibt. Viele Betroffene berichten von mehrfachen Entführungen die regelmäßig bereits in der Kindheit einsetzten und sich über Jahrzehnte hinweg immer wieder ereigneten. Als besonders quälend empfinden viele das Wissen auch in der Zukunft immer wieder Opfer werden zu können.
Aus dem herkömmlichen Raster individuell zu erklärender Wahrnehmungs- oder Erinnerungsstörungen fallen die Entführungsberichte nicht nur heraus weil psychologische Untersuchungen bei den betroffenen Personen – von den Symptomen der posttraumatischen Belastungsstörung – einmal abgesehen kaum auffällige Befunde erbringen. Wichtiger ist noch dass es sich um ein kollektives Phänomen handelt: Meist ohne vorher Kontakt zu anderen Opfern gehabt zu haben berichten die Betroffenen unter Hypnose zwar nicht völlig identische aber doch strukturell und symbolisch verblüffend ähnliche Erlebnisse. Die Dichte der Erinnerungen und die Konsistenz der Narrationen nimmt dabei mit jeder Therapiesitzung zu. Einmal akzeptiert prägt die Entführungserfahrungen dauerhaft das Leben der Opfer.
Unabhängig von der Frage wie der Realitätsgehalt der Entführungserlebnisse aus wissenschaftlicher Sicht einzuschätzen ist bleibt deshalb der Sachverhalt bestehen dass Tausende von Betroffenen nach erfolgter ‚Wiedererinnerung‘ subjektiv von der Realität der Entführungen überzeugt sind ihre Biographien und Familiengeschichten entsprechend zu re-konstruieren beginnen und sowohl ihr Alltagsleben als auch ihre Zukunftsplanung an dieser Überzeugung ausrichten.
Zur wissenschaftlichen Erklärung des Phänomens sind in den letzten zehn Jahren eine ganze Reihe wissenschaftlicher Hypothesen aufgestellt worden. Sie lassen sich zu zwei Typen von Erklärungen zusammenfassen: Nach dem ersten Erklärungsmuster sind die Entführungserfahrungen Folge einer (wie auch immer gearteten) individuellen psychischen Desorganisation der Subjekte die über solche Erlebnisse berichten. Nach dem zweiten Erklärungsmuster hingegen sind die Berichte im Kontext kultur-historischer Prozesse einzuordnen und als kollektive Narration deutend zu verstehen. In beiden Gruppen finden sich eine ganze Reihe konkurrierender Einzelerklärungen denen es insgesamt jedoch nicht gelingt das Phänomen schlüssig aufzuklären. Eine besondere Bedeutung wird zukünftig deshalb integrativen Erklärungsmodellen zukommen die einerseits psychologische Untersuchungen zum recovery-Paradigma bzw. zum False-Memory-Syndrom (wo es um die therapeutische Erzeugung künstlicher Erinnerung geht) andererseits aber auch medienwissenschaftliche Befunde über die Verbreitung und Introzeption sozialer Deutungsmuster berücksichtigen. <
Quelle:
http://www.uni-protokolle.de/Lexikon/UFO-Entf%FChrung.html (Archiv-Version vom 26.11.2004)No More Excuses.