@Tommy57:
Scheinbar hast du das Argument des schweizer Theologen Frédéric Godet nicht ganz richtig verstanden.
Er schrieb:
"Durch die genauere Erwägung des Texts wird also das Ergebniß bestätigt, auf welches uns von Anfang an das Fehlen des Artikels vor ’Ιωσήφ [Iōsḗph] geführt hat: das Geschlechtsregister des Lucas ist das des Eli, des Großvaters Jesu;"
WICHTIG:
Wenn im griechischen Urtext vor einem Eigennamen der "bestimmte Artikel" weggelassen wird, bezieht sich die Aussage nicht auf die mit Namen genannte Person!!
Das wußten damals alle Leser , die der griechischen Sprache bewandert waren denn Lukas hat ja sein Evangelium in griechisch verfasst!
Leider kann ich kein Griechisch. Daher kann ich nicht selbst nachprüfen, was im griechischen Originaltext steht und in wieweit das Fehlen eines Artikels den Sinn des Satzes verändert. Aber selbst, wenn das bedeutet, dass Josef nicht zwingend der Sohn Elis ist, so ist dies immer noch kein Beweis, dass Eli ein Vorfahre von Maria ist. Denn Maria wird so oder so nicht erwähnt. Es ist allerhöchstens ein Indiz, dass AUCH Marias Stammbaum gemeint sein KÖNNTE. Das ist also immer noch ein gewaltiger Unterschied.
Ein ähnliches Problem gab es mit dem Übersetzen der Aussage in Johannes 1:1, das Dreieinigkeitsverfechter als Beweis für ihre Gottesvorstellung heranziehen.
In diesem Text steht vor dem einen Wort für Gott in griechisch ( theos ) der bestimmte Artikel, wohingegen er beim zweiten theos weggelassen wurde.
Was hat das bei der Übersetzung in die deutsche Sprache für eine Auswirkung?
Der Bibelübersetzer William Barclay sagt: „Da aber vor theos kein bestimmter Artikel steht, wird theos zur Beschreibung . . . Johannes identifiziert hier nicht das Wort mit Gott. Sehr einfach ausgedrückt: Er sagt nicht, dass Jesus Gott war.“
Der Religionswissenschaftler Jason David BeDuhn äußert sich ähnlich: „Lässt man im Griechischen in einem Satz wie dem in Johannes 1:1c den Artikel vor theós weg, nimmt der Leser an, gemeint sei ‚ein Gott‘. . . . Durch sein Fehlen unterscheidet sich theós deutlich von ho theós“, genauso wie sich im Deutschen „ein Gott“ von „der Gott“ unterscheidet."
Das ist interessant, denn hier wird erklärt,was das Weglassen eines Artekls im Griechischen für eine Bedeutung hat. Das heißt also, der Text ist so zu verstehen, dass Josef nicht DER Sohn Elis ist, sondern EIN Sohn. Er beleibt also weiterhin ein Sohn Elis, wenn auch vielleicht nicht der einzige Sohn. Das von dir genannte Zitat vom Religionswisenschaftler Jason David BeDahn, gibt jedenfalls den Hinweis, dass sich nicht gleich der ganze Satz seine Bedeutung verändert. Das sorgt also nur begrenzt für Spielraum. Wie gesagt, da ich kein Griechisch kann, muss ich mich auf diese Aussage verlassen.
Noch ne andere Sache: Selbst wenn wir annehmen, dass das Wort "Sohn" ein ungenauer Begriff ist damit einfach "Nachfahre" gemeint ist, so bleibt es dennoch eine Stammlinie von Josef, nur das Eli z.B. auch der Urgroßvater von Josef hätte sein können. Also ist das auch noch kein Hinweis auf Maria.
Hier habe ich übrigens noch eine Erläuterung von einer bibelgläubigen Seite:
http://www.die-voegte.de/docs/Stammbaum_Jesu.pdf Auch wenn ich das Fazit letzlich nicht nachvollziehen kann, so sind die Erläuterungen zur Interpretierbarkeit interessant. Der Text lässt sich also allerhöchstens auf mehrere Arten interpretieren. Aber auch wenn es eine mögliche Interpretation gibt, dass Lukas vielleicht Marias Stammbaum gemeint haben könnte, so ist das noch kein Beweis, dass er das auch wirklich so gemeint hat. Der Beweis, dass Marias Stammbaum gemeint ist, bleibt also weiterhin aus. Die Interpretation, dass er Josefs Stammbaum meint, bleibt weiterhin zulässig. Und ich denke im Textzusammenhang (wenn man nur Lukas betrachtet) ist wahrscheinlicher, dass er Josefs Stammbaum meint. Die meisten Übersetzer scheinen das auch so zu sehen, sonst wäre der Text in den meisten Fassungen nicht auf diese Weise übersetzt worden. Das einzige Argument, warum er Maria meinen sollte ist, dass Lukas sonst Matthäus widersprechen würde. Das ist aber ein sehr schwaches Argument.
Fazit: Es ist möglich, den Text auf mehrere Art und Weise zu interpretieren. Es gibt keinen Beweis, dass Lukas wirklich Marias Stammbaum gemeint hat. Es ist höchstens eine von mehreren Interpretationsmöglichkeiten.