Optimist schrieb:perttivalkonen schrieb:
Und auch Christus hat dieses Gesetz zur Einschränkung einer Strafforderung nicht abgeschafft - er hat es verschärft! Echt, was denkst Du denn! Natürlich gilt das, aber sowas von!
wat? Und warum sagt er dann: wenn man auf die rechte Wange geschlagen wird, soll man auch die Linke hinhalten?
Was ist daran nicht zu verstehen? Jesus verschärft die Einschränkung der Strafforderung.
In den alten bronzezeitlichen und früheisenzeitlichen tribalen Kulturen der Region galt die Blutrache, also das Eintreten der Sippe des Geschädigten für eine Bestrafung oder Erzwingung einer Ersatzleistung gegenüber der Sippe des Täters. Wir kennen das auch aus späteren, selbst modernen Kulturen wie aus Alt-Island oder aus Korsika bis ins 20.Jh., wo Familien Rache an einem Täter oder gar an dessen Familie verübten, und zwar nach eigener Vorstellung, ab wie viel Gewalt gegen jene deren Schuld abgegolten wäre. Daraufhin konnten die anderen meinen, nun viel zu hart bestraft worden zu sein, sodaß sie sich nun ihrerseits an jenen rächten. Manche solcher Familienfehden zogen sich über Generationen hin. Auch aus der Bibel kennen wir das (1.Mose4,23):
Fürwahr, einen Mann erschlug ich für meine Wunde und einen Knaben für meine Strieme.
Die Einsetzung eines allgemeingültigen Rechts sollte das tribale Recht abschaffen, um weitere Untaten und Unfrieden zu verhindern. Niemand hat seither das Recht, selbiges "in die eigene Hand zu nehmen". Die Thora will die Gewaltspirale durchbrechen, Frieden stiften. Und auch das Leben des Täters schützen. Ist die Strafe abgegolten, muß auch er wieder Teil der Gemeinschaft werden können - und er sollte das auch erleben können. Gewalt einschränken, Gewalt beenden, Frieden stiften, darum geht es.
Jesus schafft das nicht ab, er verschärft das. Nicht, indem er eine allgemeine Rechtsforderung aufstellt. Gesellschaftlich ist das nicht möglich, Opfer oder Hinterbliebene können nicht dazu gezwungen werden zu akzeptieren, daß der Täter straffrei ausgeht oder daß sie kein Recht auf Ersatzleistungen für Diebstahl odgl. haben. Als Gesellschaftsmodell wäre Jesu Forderung geradezu ein Rückschritt, denn genügend Leute würden aufs Faustrecht zurückgreifen, auf Selbstjustiz, und das Vertrauen in eine funktionierende Gesellschaft wäre hin.
Jesu Forderung kann also nur sehr individuell sein. Jeder einzelne kann, ja soll sich angesprochen fühlen, aber er kann dies nur freiwillig und von Herzen tun. Nur so kann Jesu Forderung noch gerechter sein als das "Auge um Auge", also das verhältnismäßige allgemeingültige Strafrecht. Niemand kann Jesu Forderung mit Groll im Herzen nachkommen, sonst bricht sich dieser Groll an anderer Stelle wieder Bahn und sorgt anderenorts für Ungerechtigkeit gegen andere. Jesus fordert nicht, man solle die andere Wange hinhalten, er fordert, man solle es wirklich bereitwillig wollen, wenn es passiert, und es dann tun. Denn ohne Ende des Empfindens, durch eine Tat ungerecht behandelt worden zu sein - und zu bleiben! - kann keine "Wieder-gut"-Machung und damit kein gesellschaftlicher Friede hergestellt werden. Diesen aber versucht das allgemeine Strafgesetz verhältnismäßiger Bestrafung herzustellen, und diesen kann Jesu Forderung nur herstellen, wenn der Verzicht auf Gegenmaßnahmen von Herzen gern erfolgt - und nicht, weils ja der Herr verlangt hat.
Jesus steht voll hinter dem "Auge um Auge", es ist ein wirklich gutes Recht, dem Opfer Frieden zu geben, weil sein Leid anerkannt und gesühnt wird, weil das Opfer nicht übergangen wird, aber es gibt auch dem Täter nach Möglichkeit den Schutz und das Recht, nach angemessener Strafe wieder Teil der Gesellschaft zu sein, in Frieden. Da steht Jesus zu. Aber er fordert es noch radikaler. Daß Menschen, die Opfer werden, auch ohne Nachteil für den Täter wieder zum Frieden kommen können.
[Man kann sich natürlich fragen, ob Jesu Forderung nicht auf einen Freibrief für den Täter hinausläuft, sich weiterhin schadlos halten zu dürfen. Streng genommen würde Jesus womöglich sagen "dieses Risiko muß ich eingehen, damit der Täter die Chance hat zu lernen, daß ein gewaltfreies Leben wie das seiner Opfer weit lohnenswerter ist". Vor allem aber fordert Jesus mehrfach Vergebung, und sei es 70 mal sieben mal pro Tag - wenn der sündige Bruder bereut!. Vergebung, wenn der Schuldige gar nicht umdenkt, greift ins Leere. Womöglich sollten wir dies komplementär hinzuziehen zu Seiner Forderung, die linke Wange hinzuhalten, damit wirklich Friede werden kann.]
Optimist schrieb:perttivalkonen schrieb:
Um deutlich zu machen, was Du tatsächlich gesagt hast. Nur Jesu Worte seien RELEVANT für Dich.
Ist ja auch so. Und ich schrieb ja sinngemäß dann im Nachgang auch dazu, wenn Jesus sagt, dieses oder jenes aus dem alten Bund ist für Christen immer noch gültig, dann bleibts ja trotzdem dabei, dass für mich nur die Worte von Jesus relevant sind (denn auch das sagte ja dann Jesus).
Kein Jota!
Das hat Er gesagt. Kein Jota fällt! Matthäus5,18-20:
Denn wahrlich, ich sage euch: Bis der Himmel und die Erde vergehen, soll auch nicht ein Jota oder ein Strichlein von dem Gesetz vergehen, bis alles geschehen ist. Wer nun eins dieser geringsten Gebote auflöst und so die Menschen lehrt, wird der Geringste heissen im Reich der Himmel; wer sie aber tut und lehrt, dieser wird gross heissen im Reich der Himmel. Denn ich sage euch: Wenn nicht eure Gerechtigkeit vorzüglicher ist als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht in das Reich der Himmel eingehen.
Was Du lehrst, ist was anderes. Die Schrift ist nichts zum Rauspicken. Die ganze Schrift ist Wort Gottes, und Du bist auf alles geworfen, wenn Du ne Christin bist.
Du aber weist das AT ab. Völlig egal, ob Du sekundär wieder das eine oder andere daran wieder aufnimmst, weil Jesus da mal was zitiert hat. Du verwirfst die Heilige Schrift Deines Herrn.
Optimist schrieb:perttivalkonen schrieb:
Du hast die Relevanz abgewiesen!
ja was das Gesetz vom alten Bund betrifft (und auch nur teilweise).
Na endlich bist Du
halbwegs ehrlich. Hast also hoffentlich Deine Lüge erkannt und kassiert. Du verwirfst also.
Optimist schrieb:Ich habe den Eindruck, wir streiten uns hier um des Kaisers Bart
Oh nein, hier geht es um Wesentliches, um das Wort Gottes und Seine Aussageabsicht, um Jesu Gesetzesverschärfung...
Optimist schrieb:Wenn das so weiter geht dann bringt mir solch eine Diskussion nichts mehr
Wenn Du aus meinen Darlegungen z.B. über Jesu Gesetzesverschärfung, oder darüber, was uns der Spruch von der Züchtigungs-Rute heute noch sagen kann, oder über Auge um Auge und die linke Wange usw. nichts für Dich herausholen kannst, dann liegt das an Dir.
Optimist schrieb:hatte er doch aber hier gesagt:
wisst dass es heißt: "du sollst ... deinen Feind hassen!"
Ähm, und ich habs auch ausdrücklich erklärt. Kapierst Du nicht? Es gibt dieses Gesetz nun mal nicht, das ist Fakt. Also hat Jesus mit dem "und Deinen Feind hassen" anderes gemeint als "das ist Thora". Wie gesagt, dieses "Feinde hassen" ist eine Thora-Interpretation, wie ein "Du sollst Deinen Nächsten lieben" zu verstehen sein kann, nämlich daß dieses Liebesgebot nicht für die "Nichtnächsten" gilt. Alles erklärt. Wenn Du da nix für Dich rausholst, Deine Sache.
Jesus redet nun mal zuweilen stark
elliptisch. Zum Beispiel, wenn er das Schwören untersagt und fordert "eure Rede sei: Ja, ja! Nein, nein!" So, wie es dasteht, ergibt das keinen Sinn; wir müssen uns noch was hinzudenken, etwa "[Wenn ihr] Ja [sagt], [dann soll es auch wirklich ein] Ja [bedeuten]". So eine Ellipse muß auch hier vorliegen. Und welche, das habe ich mir nicht willkürlich ausgedacht.
Jesus gibt nun mal vor, ein Gesetz zu zitieren, und stellt diesem dann die Feindesliebe gegenüber. Von seinem zweiteiligen Satz ist der erste Teil jedenfalls als Thora gesichert. Also muß seine Feindesliebe hierauf bezogen sein. Da nun der zweite Satzteil aber nicht als Thora begegnet, und da wir annehmen dürfen, daß er als Schriftkundiger das auch wußte, muß dieser Teil anders auf die beiden Aussagen "ihr habt die Weisung X gehört" und "ich aber sage euch Y".
Wenn es heißt "am Sabbat sollst Du ruhen", dann wird doch implizit die Frage aufgeworfen "und was ist an den anderen Tagen?" Muß ich nun an den anderen Tagen arbeiten, oder darf ich da arbeiten? Wird nicht gesagt, aber wir denken es uns, was da wohl eher von gilt. Und genauso ist das beim "Du sollst Deinen Nächsten lieben". "Und was ist mit den anderen, den Nichtnächsten, den Feinden gar?" Eine mögliche Antwort und damit Gebotsinterprettion ist "Feinde hassen ist ok", und wie es scheint, war dies damals eine übliche. Jesus sagt nun "ich aber sage euch: liebt eure Feinde". Dies ist zwar eine Entgegnung zum Gebot, aber diese Entgegnung wirft ja selber die Frage auf "und was ist mit den anderen, etwa den Nächsten?" und beantwortet diese nicht. Also meint Jesus mit seiner "Entgegnung" nicht das Gebot an sich, sondern kann nur die implizite Frage nach den Nichtnächsten bzw. eine denkbare Beantwortung derselben meinen. Und da geht nur das "aber Feinde hassen ist ok". Dies hat Jesus nun ausformuliert, als ob es sogar so dastünde: Liebt euren Nächsten, haßt euren Feind". Aber es ist eben kein wirkliches Gebot, sondern nur eine Gebotsinterpretation.
Das ist doch nicht so schwer zu verstehen.
Optimist schrieb:"ihr wisst, dass es heißt" bedeutet mMn, dass es dieses Gebot gab. So fasste ich es zumindest bis jetzt auf.
Aber! Es! Gibt! Dieses! Gebot! Nicht!!!Optimist schrieb:Okay, so kann man es natürlich auch interpretieren:
perttivalkonen schrieb:
Wenn Jesus das Gebot nun aber als "Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen" wiedergibt, dann meint er damit "Ihr habt gehört, dass gesagt ist: Du sollst deinen Nächsten lieben - und ihr hört, daß damit das Hassen der Feinde erlaubt sei.
... aber das ist dann in meinen Augen bissel Spekulation.
Du nennst es "Interpretation" und hältst es für spekuliert. Einfach so in die Runde geworfen. Null Versuch, dies auch aufzuzeigen. Was soll das!
Optimist schrieb:ich behaupte auch nicht, dass ich immer alles richtig verstehe.
Obwohl Du damit nicht weit von der Wahrheit entfernt sein magst, wenn ich mir mal den Diskussionsverlauf ansehe. Ständig hältst Du ne Gebotsinterpretation Jesu als Abschaffung desselben, als das genaue Gegenteil...
Optimist schrieb:Aber kannst du das auch für dich zweifelsfrei sagen?
Laß die Argumente entscheiden! Ach nein, da kommt ja nix von Dir, da reicht es, ein "interpretieren" und "bissel Spekulation" hinzuwerfen.
Optimist schrieb:perttivalkonen schrieb:
Es gibt sehr wohl messianische Juden, die sich weiterhin der Thora verpflichtet fühlen
ja glaube ich. Dann ist das aber in meinen Augen weder "Fisch noch Fleisch"...
Darum gings aber nicht. Sondern daß Du - wieder mal - falsch gelegen hast, daß die Thora nur für die nicht an den Messias glaubenden Juden relevant wäre. Sag doch einfach mal "ja ok, hab ich ohne nachzudenken Gülle gequatscht", aber nee, lieber redeste darüber, ob sowas nicht Fisch noch Fleisch wäre.
Optimist schrieb:Wenn es keine Verpflichtung ist - dann hats auch keine Relevanz
Mann, mann, mann!
Optimist schrieb:Nun brachtest du die staatliche Rechtsordnung/Strafordnung ins Spiel. Die hat jedoch mMn gar nichts mit "Zahn um Zahn" zu tun, denn dieses "Z u Z" begreife ich als ein "privates Zurückschlagen" bzw. als private Vergeltung.
Nee Du, die Thora geht nicht an Individuen, sondern an die Rechtsgemeinde Israel. Das "Du" in vielen Geboten meint zuallererst "Du, Israel", vor allem, wenn es um die Ausführung von Strafen geht. Das ist kein "Laß uns vor die Tür gehn und das dort von Mann zu Mann regeln!" Wär ja noch schöner, wenn ich wem zur Strafe was antu, und der rennt dann zum Kadi und zeigt mich dafür an. Selbst das Klären der Schuld vor einer Bestrafung braucht Rechtssicherheit, und darum geht es in der Thora, ein gesichertes Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Nicht darum, wie man private Streits regelt. Wie kann man die Thora nur so verstehen???
SophiaPetrillo schrieb:Das heutige Rechtswesen folgt nicht dem "Zahn um Zahn"-Prinzip.
Oh doch, genau dem folgt es. Ich sprach von der Regelung der Verhältnismäßigkeit. Daß unser Rechtssystem "verhältnismäßig" anders definiert, ist nur ne kulturelle Sache. In nem anderen Land kannste für die selbe Tat auch ne andere Strafe erhalten al in Deutschland, das ist völlig normal, und dennoch können beide Länder ihr Recht nach dem
Verhältnismäßigkeitsprinzip aufgebaut haben. Ich zitier mal:
Als allgemeines Abwägungsprinzip besagt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: „Kollidierende Interessen, Freiheiten oder Rechtsprinzipien werden nur dann in ein angemessenes Verhältnis zueinander gesetzt, wenn und soweit das zu wahrende Interesse, Freiheitsrecht oder Rechtsprinzip schwerer wiegt als das ihm aufgeopferte.“ Als rechtsstaatliches Prinzip ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für jede hoheitliche Gewalt verbindlich. Es steht in enger Beziehung zum Übermaßverbot und soll, wie dieses, Konflikte von Interessen und Freiheiten zu einem schonenden Ausgleich bringen und gewährleisten, dass diese nicht mehr als nötig geschmälert werden.
(Hervorhebungen stammen
nicht von mir)
Bishamon schrieb:ob wirklich "Zeh für Zeh" gemeint ist, ist fraglich.
Das kommt noch hinzu. Denn zahlreiche konkrete Gebote der Thora verlangen andere Sachen zur Bestrafung, etwa das Zahlen einer Geldbuße, auch und gerade für Verletzungen. Es ist in der Tat fraglich, ob je gemeint war, daß für das Ausschlagen eines Zahnes ebenfalls ein Zahn ausgeschlagen werden sollte / wurde. Bringt dem Opfer ja nicht wirklich was. Geld odgl. hingegen kann durchaus was helfen, und selbst für die Genugtuung kann das gut sein: "Der soll zahlen, beim Geld tuts dem so richtig weh!"
Bei Mord lief es durchaus auf Hinrichtung hinaus, aber eben nur, weil für viele Kulturen keine andere Strafe als "verhältnismäßig" vorstellbar war. Aber das "Auge um Auge, Zahn um Zahn" kann auch schlicht als "Slogan für die Verhältnismäßigkeit" gemeint gewesen sein, nicht als echte Anwendung. Als Bild drückt es die Verhältnismäßigkeit prima aus. - Und so findet sich dieses Gesetz auch gleich am Anfang der Thora (mit einigen Unterbrechungen 2.Mose20 bis 5.Mose26), kurz hinter den Zehn Geboten (Kap.20) in 2.Mose21,23-25. Passender Ort, wenn es sich um ne Art "Präambel" handelt, um die rein plakative Deklaration des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.