perttivalkonen schrieb:OK, so richtig messianisch waren die gar nicht, letztlich lehnten sie jede Herrschaft außer der Gottes ab.
Doch das waren sie eher schon.
Mit dem Thema "Gottes-Reich" waren sie automatisch Richtung Messias unterwegs.
Die
Uni Dortmund nennt es
"wohlorganisierter Geheimbund mit festem Oberhaupt"
...
"Versuch einer gewaltsamen Erringung der Theokratie"
...
"Prophetie:
– autoritativ-charismatische Deutung alttestamentlicher Texte auf konkrete Situationen
der endzeitlichen Gegenwart. Zweck: Voraussage von Zeitpunkt und Ort der MessiasErscheinung. Im Vertrauen auf die Erfüllung der göttlichen Messias-Verheißungen
warten die Zeloten auf den Messias, der Israel in die Heilszeit führen soll. Infolge der
Naherwartung treten während und vor der Erhebung zahlreiche Propheten und MessiasPrätendenten auf."Mit der Theokratie beanspruchten die Zeloten-Anführer eine göttliche Legitimation als König -> Messias.
"Martin Hegel" schreibt in "Die Zeloten" (Leiden/Köln 1976) Seite 299:
2. Messianische Prätendenten in der Jüdischen Freiheitsbewegung.
...
b) Menahem als zelotischer Messias:
Bei Menahem, dem Sohn (oder Enkel) des Judas, treten die messianischen Ansprüche deutlicher hervor. Er hatte durch die Einnahme
Masadas die, Erhebung gegen Rom eingeleitet und zog nun mit
Gefolge seiner bewaffneten Anhänger
"wie ein König nach Jerusalem hinauf, wurde Führer des Aufstandes
und übernahm den Befehl bei der Belagerung (der Herodesburg)" 3).
Diese Selbstverständlichkeit, mit der sich Menahem an die Spitze
der Aufständischen stellte, ist beachtenswert.Dieser Gottes-Reich/Messias-Gruppe wird zugeschrieben, dass sie einen enormen Einfluss auf die Bevölkerung hatten.
"Flavius Josephus" schreibt (
Buch 6, Kapitel 5:
Was aber die Juden am meisten für den Krieg begeisterte, das war ein doppelsinniger Prophetenspruch, der sich ebenfalls in den heiligen Schriften vorfindet und besagt, dass um jene Zeit aus dem Lande der Juden ein Herrscher der Welt hervorgehen werde. Dieses Wort haben nun die Juden von einem der Ihrigen ausgelegt, so dass selbst viele weise Männer mit ihrem Urtheile hier fehlgegangen sind, während doch der Gottesspruch nur die Erhebung des Vespasian zur Kaiserwürde, die in Judäa durch das Heer erfolgte, hat andeuten wollen.Grossflächig wurde damals also der Messias erwartet.
Dies den Zeloten abzusprechen, entbehrt jeglicher Grundlage.
Ich betrachte deine Behauptung als reine Wunschvorstellung. Mit welcher Quelle begründest du sie?
perttivalkonen schrieb:Zudem verschwanden die Zeloten mit dem Ende des ersten Jüdischen Krieges. Und zwar weitestgehend (komplett?) ganz im physischen Sinne. Aus einem verlorenen Befreiungskrieg wollten sie nicht lebend herauskommen. Siehe Masada. Um 135 konnte also kein Zelot seine Gottesreichsvorstellung mehr "verinnerlichen".
Die Zeloten als analysierbare Gruppe verschwanden, denn ihr Oberhaupt "Menachem" wurde entfernt, aber das beutetet nicht, dass es diese Leute nicht mehr gab.
Es waren lediglich die treuesten Anhänger "Menachems", die sich auf die Felsenburg zurückzogen und lieber ihrem "Messias" in den Tod folgten, als sich den Römern zu ergeben (wobei das bei "Flavius Josephus" nicht so ganz funktioniert hat).
D.h. die Informationen zu den Zeloten klingen ab, aber das bedeutet nicht deren Auslöschung als Menschen.
"Martin Hegel" formuliert es in "Die Zeloten" (Leiden/Köln 1976) Seite 373 so:
Mit der Ermordung Menahems kommt so die Betrachtung der
Zeloten als einer geschlossenen Partei zum Abschluß. Zwar sollte das
zelotische Gedankengut bis zum Untergang der Stadt, ja bis zum
Bar Koseba-Aufstand weiterhin lebendig bleiben, das Endziel der
Sekte, der verheißungsvoll begonnene "endzeitliche" Kampf des
ganzen Volkes gegen Rom, war jedoch damit von Anfang an zum
Scheitern verurteilt.Es gibt keine Grundlage vom totalen Verschwinden der zelotischen Anhänger auszugehen.
Im Gegenteil bildet die von "Flavius Josephus" dargestellte Begeisterung in grossen Teilen des Volkes eine Grundlage von einer weiterhin enormen Verbreitung des Gottes-Reich/Messias-Themas auszugehen.
Mit Ende des ersten jüdischen Krieges begann die Flucht in den Mittelmeerraum, und damit eine Verteilung des Gottes-Reich/Messias-Themas.
Ich betrachte deine Behauptung einer totalen physischen Auslöschung als reine Wunschvorstellung. Mit welcher Quelle begründest du sie?
perttivalkonen schrieb:Was die Zeloten hingegen wirklich und wesentlich wollten, was das Gottesreich. Und dieses konnte sich auch nach 135 nicht "vergeistigen", "verinnerlichen" odgl., denn der Knackpunkt ihrer Gottesreichvorstellung war nun einmal stärker als bei anderen: "dafür muß jede andere irdische Herrschaft bekämpft und beseitigt werden".
... auf dem "heiligen Land"!
Das heilige Land ist aber verloren gegangen.
Es gibt schlicht keine andere Motivationsgrundlage, die derart nachhaltig zu einer Verlagerung des erwarteten Gottes-Reiches führen kann.
Bereits die Niederlage im ersten jüdischen Krieg und das Ausbleiben der erwarteten Gottes-Unterstützung musste gedeutet werden, und hier kann die Idee bereits entstanden sein, dass in den Prophezeiungen vielleicht gar kein "sichtbares" Reich gemeint war.
Irgendetwas musste ja falsch sein, wenn "Gott" nicht reagiert.
Bei einem derart dramatischen Niedergang der religiösen Vorstellungen wie 70 - 135 n.Chr muss es zu einem Komplett-Überdenken gekommen sein.
Dies bestätig auch wieder die
Uni Dortmund:
Die Niederlage wurde für das Judentum zur nationalen und religiösen
Katastrophe: Der Verlust des Heiligtums und das Nicht-Eintreten die enttäuschte
Heilszeiterwartung erzwang eine Neuorientierung des JudentumsDas ist sicherlich auf das Judentum bezogen, aber was geschah dann wohl bei den Gottes-Reich/Messias-Anhängern?
Diese waren nun auf der Flucht und begannen sich im Mittelmeerraum zu verteilen und verschwanden bestimmt im Untergrund.
Die Gottes-Reich/Messias-Gruppe gab es zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als zwei Generationen lang und es mussten ganze Familiengruppen derart ausgerichtet sein.
Diese Leute haben nicht einfach mit dem "normalen Judentum" weitergemacht.
perttivalkonen schrieb:Das christliche Gottesreich hingegen kann "dem Kaiser geben, was des Kaisers ist" und "untertan der Obrigkeit" sein und sogar "jede Obrigkeit von Gott" verstehen. Das ist sowas von unzelotisch, da macht man sich keine Vorstellung von.
Naja, "dem Kaiser geben, was des Kaiser ist" heisst nicht "Steuern zahlen", denn es ist offen, "was des Kaisers ist".
Was "verdient" aus Sicht eines Zeloten der Kaiser, wenn dieser die Reinheit des auserwählten Volkes beschmutzt?
In Ansätzen ist dies auch hier zur Sprache gekommen:
Jesus sympathisiert mit der Sache der Zeloten
perttivalkonen schrieb:Na jedenfalls paßt das Datum "Volkszählung" im NT weit besser zu Jesu Geburt als zu den Zeloten.
Das ist nicht korrekt.
Bei der Volkszählung ging es um den "Census" (das Zahlen von Steuern).
Hierzu schreibt "Martin Hegel" in "Die Zeloten" (Leiden/Köln 1976) Seite 132:
4. Der Census
Josephus berichtet mehrfach, daß die nach der Umwandlung
Judäas in ein kaiserliches Territorium von dem neuen Statthalter
Syriens P. Sulpicius Quirinius (...)
durchgeführte erste Steuereinschätzung den Anstoß zum Auftreten
des Judas Galiläus und zur Verkündigung seiner neuen Lehre gab."Judas Galiläus" ist einer der Gründer dieser Gottes-Reich/Messias-Gruppe.
perttivalkonen schrieb:1) nur weil das Jahr der Volkszählung wichtig für die Bewegung der Zeloten war, kann man nicht jede Bezugnahme darauf als "müssen Zeloten hinterstehen / gemeint sein" deuten. Für mich war das Jahr 1990 ein sehr wichtiger (unschöner) Einschnitt in meinem Leben. Aber damit meine ich nicht die Wiedervereinigung; damit hat das Ereignis nicht mal ansatzweise zu tun. Wieso sollte das ausgeschlossen sein, nur weil 1990 für andere eine besondere und weitaus bekanntere Bedeutung hat?
Es geht hier nicht um irgendeine Bezugnahme, sondern mit dem NT ist nichts anderes als das Gottes-Reich/Messias-Thema angesprochen.
Die Gründungsdaten der historisch festgestellten Gottes-Reich/Messias-Gruppe "Zeloten" stehen damit im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.
Wer hier denkt, dass diese exakte Übereinstimmung 6 n.Chr ein Zufall ist, der handelt entlang von Wünschen.
perttivalkonen schrieb:2) Im Lukasevangelium kommt zwar die Volkszählung vor, aber vor allem kommen da Leute drin vor, die die Volkszählung nicht hinterfragen, sondern ihr kommentar- und widerstandslos umgehend nachkommen, und am Ende kommt gerade durch das brave Befolgen was Gutes bei heraus (der Messias aus der Stadt Betlehem Ephrata). Das ist sowas von antizelotisch!
Nö, durch das Lesen von Herodes und Volkszählung, weiss absolut jeder Abkömmling der damaligen Anhänger (vermutlich auch noch nach Generationen), worum es gehen soll.
Durch diese Einleitung versteht man umso besser, was die Geschichte bedeuten soll, für wen sie etwas darstellen soll.
Die von "Flavius Josephus" angesprochene Verbreitung der Messias-Idee im Volk war so enorm, dass es geradezu verrückt wäre, diese Daten zu nennen, ohne den Zusatz "dies hat aber jetzt nichts mit den Zeloten zu tun" anzugeben.
Die Zeloten kommen im NT immer wieder in kleinen Andeutungen vor.
perttivalkonen schrieb:3) Im frühen Christentum war es unzweifelhaft, daß ihr Messias aus Nazaret kam, nicht aus dem angekündigten Betlehem. Selbst für seine Eltern galt Nazaret als Heimat. Es war also wichtig, irgendein Ereignis benennen zu können, wieso die Family ausgerechnet zur Geburt Jesu in Betlehem weilte. Eine Volkszählung nach der ursprünglichen Geburtsstadt statt der aktuellen Heimatstadt des Hausherren bietet die ideale Kulisse.
Ideal ist da gar nichts, denn die Zeiträume widersprechen sich (hattest du das nicht gerade selbst festgestellt?).
Gehst du nur noch auf Wunschbasis vor und Widerspruch ist plötzlich "ideal"?
Interessant ist, dass du diese Stelle als rein erfundenes literarisches Theaterstück auffassen möchtest.
Dann musst du dich fragen lassen, wieso du irgendwo Grenzen einziehen dürfen möchtest?
Wieso soll es einen historischen "Jesus" gegeben haben, wenn du eh schon Teile für dichterische Kunst hältst?
Ist dir schon aufgefallen, dass du keinerlei "Jesus"-Urchristen zur Verfügung hast?
perttivalkonen schrieb:Essener kommen ja auch nicht vor. Auf der anderen Seite wüßte ich ohnehin von keinen Schnittmengen zwischen den Zeloten und dem NT, die nicht genauso für die nichtzelotischen Pharisäer gälten.
Weder die Essener noch die Pharisäer hatten eine Gottes-Reich/Messias-Betonung, wie sie bei Zeloten und später bei den "Jesus"-Christen vorkommt.
Die Zeloten werden im NT angedeutet aber nicht behandelt, für die Essener findet das nicht statt.
perttivalkonen schrieb:Die Geldwechsler im Tempel, sündige Städte usw. sind nun aber nichts, was nach der Ausrichtung zelotischer Aggression klingt.
Es wäre eigenartig, wenn dies die Zeloten nicht "behandelt" hätten.
Sie waren für eine saubere Einhaltung der Gesetze -> "Reinheit".
Die
Uni Dortmund schreibt hierzu:
Entweihung des Heiligtums
...
(b) durch unreine Priester (Missachtung der in pharisäischer Tradition verschärften
Reinheitsgebote („Zaun um die Tora“) durch die zumeist sadduzäischen Hohepriester;
Ämterkauf und Amtsmissbrauch; Hochmut und Habgier).
An diesen Umständen kann sich der Eifer leicht entzünden; selbst „gemäßigte“ Juden
protestierten bei zahlreichen Gelegenheiten gegen diese Missstände.Die Machenschaften der Hohepriester war wohl insgesamt ein Thema - bei den Zeloten sogar ein explosives.
Hierzu schreibt "Martin Hegel" in "Die Zeloten" (Leiden/Köln 1976) Seite 218:
Durch Hochmut und Habgier verunreinigte der hohepriesterliche
Adel in den Augen der Frommen ständig das Heiligtum. Auf diese
Weise war die Kluft zwischen der offiziellen Führerschicht des
Volkes und den von religiösem Eifer erfüllten Kreisen unüberbrückbar geworden.
Selbstverständlich waren sich diese ersten priesterlichen Familien
dessen sehr wohl bewußt, daß sie nur einen sehr begrenzten Rückhalt
im Volke besaßen und Reichtum, Ansehen und Machtstellung vor
allem der durch die römische Herrschaft gesicherten augenblicklichen
Situation verdankten. Entsprechend zeigten sie sich von Anfang an
als entschiedene Gegner der zelotischen Bewegung und waren
zugleich Mittelpunkt der auf ein gutes Verhältnis zu Rom bedachten
Friedenspartei. 2)
Da die Angehörigen des Priesteradels nahezu ausschließlich
Anhänger der sadduzäischen Partei waren, standen sie zudem unter
dem Verdikt der Heterodoxie. Ihre Abweichungen beschränkten
sich nicht allein auf die von Josephus und teilweise auch im Neuen
Testament genannten Glaubenswahrheiten, wie Willensfreiheit,
Auferstehung, Endgericht und himmlische Welt 3), sondern es kam
infolge ihrer Ablehnung der mündlichen Überlieferung 4) auch zu
Gegensätzen, die den Tempeldienst und die damit eng zusammen-
hängenden Reinheitsfragen betrafen 5). So konnte auch von dieser
Seite her gegen die regierenden Hohenpriester die Anklage der
Ungesetzlichkeit und Unreinheit beim Vollzug des Tempeldienstes
erhoben werden.
...
Der Boden für die zelotische Anschauung, daß nur eine Gewaltlösung diesem
unwürdigen Zustande ein Ende bereiten könne, wurde so schon
in den Jahrzehnten vor Ausbruch des Krieges in kräftiger Weise
vorbereitet.Ist doch interessant, die "Jesus"-Figur wütet durch den Tempel und die Zeloten hatten dies schon Jahrzehnte vor dem Krieg vor.
Denkst du da an "keinerlei Übereinstimmung"?
Es kommt noch besser:
"Martin Hegel" in "Die Zeloten" (Leiden/Köln 1976) Seite 223:
d) Die "Reinigung" des Tempels durch die Zeloten
Über die Haltung der Zeloten gegenüber dem Heiligtum im
Zeitraum zwischen der Gründung der neuen Sekte und dem Ausbruch des Krieges erfahren wir von Josephus nichts. Wir hören
lediglich, daß sie zur Zeit des Prokurators Felix unter Anwendung
einer neuen Taktik, die ihnen den Namen Sikarier eintrug, ihre
Unternehmungen auch auf Jerusalem und den Tempel selbst ausdehnten. Aus den wenigen konkreten Angaben des Josephus darf
man entnehmen, daß sich die Aktivität der "Sikarier" vor allem
gegen die führenden hohepriesterlichen Familien richtete, die ihrer
Ansicht nach den Tempel verunreinigten und durch ihre Loyalität
gegenüber Rom Verrat an Gott und Israel übten. Zugleich zeigen
diese Versuche, in der Stadt und im Tempel Fuß zu fassen, wie sehr
sich die Eiferer dessen bewußt waren, daß die Entscheidung über
das Schicksal Israels von der Beherrschung des Heiligtums abhing.
...
Die von den Zeloten angestrebte Entscheidung fiel im Heiligtum,
als in einer überraschenden Wendung der Tempelhauptmann Eleazar,
ein Sohn des Ananias b. Nedebai, jenes typischen Vertreters des
verhaßten Priesteradels, gedeckt durch die Majorität der niederen
Priesterschaft die Annahme der Opfer von Nicht Juden verweigerte
und damit auch das Kaiseropfer ausschloß 2). Das zweimalige Opfer
für einen Menschen, der sich selbst als Gott verehren ließ und
Herrschaftsrechte über nahezu die ganze bekannte Welt beanspruchte,
war den Eiferern sicherlich schon seit den Tagen des Judas Galiläus
als Gotteslästerung erschienen.
Die nächsten Schritte der "Tempelreinigung" ließen nicht auf
sich warten. Nachdem der Kampf in Jerusalem schon begonnen
hatte, wurde einige Zeit später, am "Fest des Holztragens" , die
friedenswillige Minderheit - d.h. wohl vor allem die ersten Priesterfamilien - von der Teilnahme am Gottesdienst ausgeschlossen.Der
zelotische "Messias" "Menachem" (von oben) hatte übrigens auch mit den Tempelpriestern ein deutliches Problem und nach seinem bejubelten Einzug in Jerusalem wurde er von den Priestern verraten, das Volk wandte sich ab, er wurde gefoltert und (vermutlich) ermordet.
Ein interessanter Spannungsbogen "bejubelter Einzug in Jerusalem", "Konflikt im Tempel", "Verrat durch Hoheprister", "Abkehr des Volkes", "Folter", "Ermordung" und es kommt einem so "eigenartig bekannt" vor.