Optimist schrieb:Und von mir aus nehmen wir also mal an, die Urchristen gingen aus den Zeloten hervor, dann bleibt ja dennoch die Tatsache, dass sie halt eben irgendwann ihre Einstellung geändert hatten und eine friedliche Mission hatten.
Aber halt eben auch daran geglaubt hatten, dass Jesus Gottes Sohn ist und auferstanden ist. Dafür - für diesen Glauben - ließen sie sich ja dann verfolgen und z.T. auch töten.
Genau, aus Sicht eines einfachen Gläubigen, ändert sich nichts oder nicht viel, der Glaube und die Ernsthaftigkeit ist eigentlich immer noch da.
(ich will jetzt nicht behaupten, dass ich es überschaue).
In meinen nächsten Antworten versuche ich mal zu skizzieren, wie die Schreiber zu ihren "Jesus"-Inhalten kamen und das mit maximaler Überzeugung, also
ohne die Ansicht "sich etwas auszudenken".
Optimist schrieb:perttivalkonen schrieb:Wichtig hingegen ist, daß es eben auch solche Glaubensinhalte gibt, die wie 1.Korinther15 mit der Historizität der Auferstehung eines historischen Jesus stehen oder fallen. Würde jemand sich so einen Jesus ausdenken und dann von denen, die ihm das abkaufen sollen, erwarten, daß die das glauben, selber aufzuerstehen, weil dieser Jesus für sie gestorben und auferstanden ist - so ein Jesusausdenker wüßte ja, daß er die erhofften Jesus-Glauber bewußt täuscht, in die Irre führt, betrügt.
guter Aspekt, ganz genau.
Hier stelle ich die Frage:
Wann ist es ein guter Aspekt?Doch nur solange, wie es keine fundamentale Glaubens-Notwendigkeit für den Lösungsansatz der Auferstehung gibt.
Ich glaube die Auferstehung war bereits bei den Pharisäern ein Glaubensinhalt, also ein Thema mit dem sie gearbeitet haben.
Die Zeloten sind aus den Pharisäern entstanden, hatten also auch diesen Ausgangspunkt, sie hatten einen Sinn dafür, sie haben es erwartet (deshalb auch die Bereitschaft zum Martyrium)
Nun kam es im 1./2.Jhd zu diesem Abgrundschweren Scheitern der religiösen Ansichten (ich habe es schon mehrfach geschrieben, deshalb hier im spoiler)
Spoiler
- "Gott hat sein auserwähltes Volk nicht unterstützt".
- "Das Allerheiligste ist aufgelöst"
- "Der Tempel ist verloren"
- "Alle Messias-Kandidaten sind gescheitert"
- "Die Römer vertreiben, verfolgen und versklaven alle die sie entlang des Gottes-Reich/Messias-Themas in die Finger bekommen"
- "Das heilige Land ist aufgelöst" (sofern es bereits nach 135 n.Chr ist)
Es liegt also eine ganz nachhaltige Depression entlang vom Gottes-Reich/Messias-Thema vor.
Hier findet
kein Ausdenken statt, sondern ein Nachdenken über Fehler, über Fragen, über Erklärungen: "Warum hat Gott nicht reagiert?"
Von der Gewalt grundlegend abzuschwören, ist die naheliegendste Antwort - Motto: "das Gottes-Reich kommt
nicht durch Gewalt".
Das ist ein ganz einfacher Schritt, denn im Kampf wurde alles an Gewalt eingesetzt, was nur ging. Es kam aber keine Gottes-Reaktion, also war die Gewalt falsch.
Mit dieser ersten Erkenntnis ist es ganz normal, die Vergangenheit noch einmal Revue passieren zu lassen.
Das gescheiterte Verhalten der Anführer, die man vermutlich der Reihe nach für Messias-Kandidaten hielt, wird dabei in Relation zur neuen Erkenntnis der Gewaltlosigkeit gestellt.
Aus dieser Kritik der Anführer erwachsen automatisch Erkenntnisse über den "idealen Messias", der sich gewaltlos verhält.
Es entsteht eine Sammlung von Vergangenheitsszenen, die der neue, "ideale Messias" gewaltlos durchlebt.
Durch die Gewaltlosigkeit nimmt "er" automatisch eine Art "Opferrolle" ein, er agiert nicht, sondern erträgt und gibt dadurch ein Beispiel ab.
Durch all dieses Nachdenken und Schlüsse-Ziehen wird eine neue Kraft/Motivation durch die Gläubigen gegangen sein.
Diese Veränderung werden sie als "göttliche Reaktion" angesehen haben - was den Glauben derart stärkt, ja sogar zurückbringt, muss göttlich sein (so stelle ich mir das damalige Denken vor).
Der "ideale Messias" ist damit über das Durchleben von Konflikten, von Demütigungen, von Intrigen/Verrat, von Folter, Kreuzigung und Tod definiert, schlicht weil er
nicht frei ausgedacht ist, sondern entlang der tatsächlichen Vergangenheit platziert wird.
Damit liegt ein wichtiger Schritt für den Ausweg aus der religiösen Depression vor, den die damaligen Leute für richtig halten mussten, denn mit der neuen Kraft hatten sie ein "göttliches Feedback". Genau darauf zielten sie schon von Anfang an ab.
Nun kommt es in den Gläubigen zu weiterführenden Fragen (in Bezug auf ihre eigentliche Absicht):
Wenn bis zu diesem Punkt über die Gewaltlosigkeit richtige Erkenntnisse vorliegen, wie kommt man dann aber zum Gottes-Reich?
Das Einfachste ist schlicht die aktuelle Lage der damaligen Gläubigen:
Aus den Niederlagen/Verlusten kam die Depression und anschliessend gab es die neue Kraft von Gott, das Auferwecken.
D.h. der Vorgang des Auferweckens (die neue religiöse Kraft, der "neue Bund") hat
für die damaligen Leute tatsächlich in Form des "idealen Messias" stattgefunden. Durch diese Auferweckung und den neuen Bund als innere Motivation, ist das Gottes-Reich "unsichtbar bereits gestartet".
Von hieraus ist es nur ein kleiner Schritt, diese Auferweckungs-Erkenntnisse erzählerisch in die anderen Szenen des "idealen Messias" zu integrieren.
Aus der Sicht der Gläubigen deckt der "ideale Messias" die Vergangenheit und die Auferweckung ab. Natürlich nicht als reale Person, aber dennoch als "von Gott vermittelt".
Vielleicht hat sich hier auch die Vorstellung ergeben, dass der "von Gott vermittelte 'ideale Messias'" bei der Auferstehung des einzelnen Gläubigen ein Gottes-Reich leitet (-> Fernerwartung).
Auf Basis ihres Denkens, dass ein aufkommender Gott-Glaube eine göttliche Beeinflussung darstellt (-> "heiliger Geist"), hatte niemand den Gedanken, sich etwas ausgedacht zu haben.
Die Bibel (NT) enthält das, was diese Leute für die (göttliche) Wahrheit hielten.
Den "Neuen Bund" haben sie (aus ihrer Sicht) tatsächlich durchlebt und damit hatten sie auch eine Perspektive für ihre eigene "Auferstehung", denn "Gott hat ihnen all diese Motivationsgedanken übergeben".
Denjenigen, die es noch nicht gehört hatten, wurde es erzählt (Schritt für Schritt immer mehr als griffige Geschichte) und die Zuhörer haben es auf Basis ihrer Depressions-Not regelrecht aufgesaugt.
Auf diese Weise hatte das "Jesus"-Christentum im angeschlagenen "jüdischen Christentum" einen Nährboden und hat sich im Mittelmeerraum (in diesen Bereich sind sie geflohen) ausgebreitet.
Entlang dieser Ausbreitung könnten sich die Varianten des Evangeliums gebildet haben (die "christliche Gnosis" könnte weiter vorne, als Parallelpfad im Prozess entstanden sein).
Sogar die Ausbreitung an sich, also die "Missionierung", ist damit als nachhaltig notwendiger Vorgang begründet. Das war eine Art "Erste Hilfe für angeschlagene Gläubige".
Es kann auch gut sein, dass zwischen 70 und 135 n.Chr ein neues "Jesus-Christentum"
neben einem "jüdischen Christentum" aktiv war und es so beim Bar-Kochba-Aufstand zu einer "Begegnung" gekommen ist.
Vielleicht wollten manche nicht von der Gewalt ablassen, sind dem neuen Weg nicht gefolgt und schliesslich 135 n.Chr im letzten Krieg untergegangen und von da an sind vermutlich auch die letzten Reste umgeschwenkt.
Optimist schrieb:perttivalkonen schrieb:Wenn aber (der erfundene) Christus nicht (wirklich) auferweckt ist, so ist (der) Glaube (der Daraufhereinfaller) nichtig [...] so sind (sie) die elendesten von allen Menschen.
das ist gut :)
Über die Erkenntnis des "idealen Messias" kam es tatsächlich zu einer "wirklichen Auferstehung": aus der Depression heraus entstand ein neuer Gott-Glaube, eine neue Gott-Hoffnung.
Die einzelnen Gläubigen haben sozusagen den"idealen Messias" bei sich "ankommend" und als"sich unter ihnen befindend" erkannt, indem sie durch die Erkenntnis den Motivationsschub bekamen.
Die "jesus"-Geschichte wird sich in relativ kurzer Zeit weiterentwickelt, optimiert und verfestigt haben.
Die Leute werden damals noch verstanden haben, dass sie über die Erzählung ein Werkzeug in Bezug zu ihrer Vergangenheit haben.
Da die religiöse Notlage (Depression) aber irgendwann beseitigt war, verlor sich dieses Grundverständnis und die kommenden Generationen sahen in der Erzählung direkt "ihre Vergangenheit" - die tatsächliche Vergangenheit wurde vergessen.
Da wurde dann der "ideale Messias" als eine tatsächliche Person angesehen und weil er sozusagen "der Ersatz" für die zelotischen Aktivitäten war, enthält die "Jesus"-Geschichte keine wirkliche Begegnung mit den Zeloten.
Das habe ich mir natürlich alles jetzt gerade zusammengereimt, aber wer will, der erkennt das enorme Erklärungspotential dieses Ansatzes.
Für die Alternative der modernen Forschung, den "historischen Jesus", ist hingegen vollständig schleierhaft, wie es zur Aufwertung und dann zur Verbreitung gekommen sein soll.
Das Erklärungspotential ist hier deutlich geringer und in der Folge halte ich den "historischen Wanderprediger" eher für das Ausgedachte.
Was denkst du, ist der obige "ideale Messias"
aus Sicht eines Gläubigen ein "täuschendes Ausdenken" oder ist ein religiöser Gehalt drin, der auch drin bleibt?
(ich, als Nicht-Gläubiger, würde den antiken Leuten bei dieser Konstellation jedenfalls
keinen Täuschungsvorwurf machen, täuschen wollten sie nicht)