Optimist schrieb:dazu wäre dann aber keine Geschichte über einen realen Jesus nötig.
Sorry, das Wort "real" bringst nur
du ins Spiel.
Du liest diesen Text so, als ob man dir einen Ausschnitt aus dem 1.Jhd zeigen würde - ich mache das nicht.
Optimist schrieb:Wenn es nur um eine Motivationsfunktion ginge, hätte man doch zB. sich erzählen und dann aufschreiben können, dass Gott nach dem Tod dafür sorgt, dass man eine Auferstehungschance bekommt. Wozu sollten also die Erzähler einen Jesus bemühen, den es (deiner Meinung nach) ja gar nicht wirklich gab? Weshalb also dieser Umweg und - so als Trost nach der Depression - nicht gleich der direkte Weg hin zu Gott?
Das habe ich bereits geschrieben:
Weil die "Jesus"-Geschichte eine Zusammenfassung und Neuerklärung der (Gottes-Reich/Messias-Bewegungs-) Vergangenheit darstellt.
Über den "idealen Messias" enthält der Glaubenstext "Bibel (NT)" Statements zum Gewaltverhalten, zu den agierenden Parteien, zu den Konflikten usw. usf.
Das NT ist Aufarbeitung, Neumotivation und Zukunftsaussicht für Gottes-Reich/Messias-Gläubige.
Optimist schrieb:wozu die Verbindung zu Gott (über den "Umweg" Jesus) und nicht gleich einen direkten Draht zu Gott? (aus DEREN Sicht natürlich)
Im Jahre 70 n.Chr waren die Gläubigen bereits seit 2-3 Generationen auf den Wunsch nach einem "Vermittler/Lehrer" fixiert.
Im Jahre 135 n.Chr waren die Gläubigen bereits seit 5-6 Generationen auf den Wunsch nach einem "Vermittler/Lehrer" fixiert.
Wenn ich Gläubige frage "was soll Gott sein?" kommt oftmals -> "Jesus".
Die "Jesus"-Figur ist damit wohl ein "Bildnis von Gott", zu dem es anscheinend einen Bedarf unter Gläubigen gibt.
Optimist schrieb:Weshalb also "es gibt nur einen Mittler..." und "Jesus ist der Weg..."
Es hätte doch gereicht zu sagen "der Glaube an Gott rettet Euch" ? ... und dann natürlich all die Gebote und Lehren wie sie im NT stehen - aber wie gesagt, halt alles ohne Jesus.
...
um so mehr wäre dann ein Jesus/Messias für diese (falls sie wirklich so gedacht hätten) gar nicht nötig gewesen - egal ob ein realer oder fiktiver Jesus.
Auch das ist ganz einfach:
Die Zeit im 1./2.Jhd drehte sich um Anführer. Die Gläubigen waren auf das Gottes-Reich
und die Messias-Idee ausgerichtet.
Der Wunsch der Gläubigen war es, einen besonderen Menschen mit göttlicher Legitimation entdecken zu können.
Schau dir das mal an:
Zitat-WikiJosephus zufolge war Menahem ebenso wie sein Vater bzw. Großvater Judas der Galiläer ein „Lehrer.“[4]=> bevor es also zur Herausbildung des wirklichen Messias kam, lag bereits eine ganze Familiendynastie als "lehrende Oberhäupter" vor.
Wenn so ein Glauben in der Depression liegt, baut man ihn am besten mit einem "Lehrer" wieder auf -> "Jesus"-Figur.
Ich habe schon vor vielen Beiträgen den Rat gegeben, den Glauben dieser Leute ernst zu nehmen.
Optimist schrieb:wenn ich mich in dein angedachtes Szenario reinversetze, hätte ich keinen Jesus gebraucht. Ich hätte dann ein direktes Eingreifen von Gott erwartet - also keinen Umweg über Jesus.
Nur aus dem Luxus einer neutralen Position heraus, nicht wenn du eine problematische Vergangenheit mit dir herumschleppst, zu der du eine religiöse Hilfestellung
entlang deiner Wunschvorstellungen benötigst.
Die Verfassung und Erwartung der Gläubigen legt den Inhalt fest. Es geht ja um Motivation.
Optimist schrieb:Denn ich sehe es so, dass jeder Schreiber einen anderen Fokus hatte.
Und dass es so ähnlich wie bei Unfallberichten ist: da hat auch jeder Zeuge einen anderen Fokus und etwas unterschiedliche Wahrnwhmung.
Der eigentliche. Botschaft - dem Kern dieser tut das aber keinen Abruch.
Diese Antwort kenne ich und du beziehst dich hier bestimmt auf Szenen, in denen die Apostel-Figuren involviert sein sollen - sagen wir die Kreuzigung, das leere Grab, die ersten Begegnungen usw.
Ich habe hier aber einen anderen Sachverhalt angesprochen:
die Geburtsdaten der "Jesus"-Figur.
Sowohl für die "Jesus-Geburt während Herodes" als auch für die "Jesus-Geburt während der römischen Volkszählung/Steuererhebung" gibt es eine ausgeschmückte (Abenteuer-)Erzählung, bei der die Schreiber
keine Augenzeugen gewesen sein können.
Du wirst hier sicherlich auf "göttliche Inspiration" ausweichen wollen.
Das Problem ist aber: "Herodes Lebenszeit" und die "römische Volkszählung" liegen zeitlich hintereinander (Abstand ca. 10 Jahre)
=> die in der Bibel behauptete Gleichzeitigkeit ist
nicht real.
Wie gehst du mit der Tatsache dieser Nicht-Realität in der Bibel (NT) um?
Du hast bereits Begriffe wie "Lüge" und "Täuschung" genannt, treffen die hier zu?
Optimist schrieb:In der Bibel haben mMn viele Zahlenangaben symbolischen Charakter.
Gehst du davon aus, dass das Einhalten dieser Zahlen nur in der Erzählung vorkommt oder dass diese Zahlen in der Realität eingehalten wurden?
Optimist schrieb:dieses Argument verstehe ich jetzt nicht - bzw. worauf willst du damit hinaus?
Ich ziele darauf ab, dass die "Jesus"-Figur für dich nur deshalb im 1. Jhd. "real" ist, weil du es so möchtest.
Du selbst hast/hattest aber immer nur eine Geschichte mit einer "Jesus"-Figur. Alle Taten/Aussagen dieser Figur, von denen du Erkenntnisse ableitest, sind im Text fixiert.
Du hast also im Grunde von einer realen Person keinerlei Vorteil.
Es ist allein dein Wunsch, dass es um eine reale Person in der Antike gehen soll.
Optimist schrieb:was sagst du dazu?:perttivalkonen schrieb:Dennoch wird Jesus im NT Messias genannt, obwohl gerade dieser Titel mal so gar nicht zu Jesu Vita (Kreuz) paßt. Die sinnigste Erklärung dafür ist, daß Jesus als echte historische Figur deutlich vor seiner Hinrichtung unter den Fans als Messias gehandelt wurde, und...
Das hat mich erstaunt, denn ich wusste nicht, dass der Messiastitel ("Christus") im Christentum mehr oder weniger unmotiviert in der Luft hängt und die Theologen über mehrere "Erklärungen" nachdenken.
Dass man am Ende von "die sinnigste Erklärung lautet" reden muss, ist (höflich gesagt) sehr verwunderlich.
Aber gut, ich nehme die Ahnungslosigkeit rund um "Christus" in "Jesus Christus" mal als Tatsache hin.
Mein Fokus bei einem behaupteten "real biblischen Jesus" bzw. bei einem "historischen Wanderprediger" liegt auf der Verbreitung.
Ich sehe sozusagen nirgendwo die "Nachfrage" nach diesem "Angebot".
Wenn nun auch noch ein "fehlerhaft/ungünstig zugeordneter Messiastitel" dazu kommt, dann ist es ja noch verwunderlicher "wieso, weshalb, warum" es überhaupt im Mittelmeerraum zu "Jesus"-Christen gekommen sein soll.
Auch die "sinnige Erklärung: sie haben es halt am Anfang falsch gemacht und dann wurde es einfach übernommen (Motto: "keiner hat's gemerkt") ist ein wenig "preisgünstig".
Man bedenke:
für die Zeloten möchte man bestreiten, dass sie ihre Anführer, trotz Siegen gegen die Römer, trotz königlichem Einzug in Jerusalem als Messias betrachteten, gleichzeitig soll aber eine unscheinbare Gruppe ihren Favoriten
fälschlicherweise als Messias ausgerufen haben.
Das hört sich deutlich, deutlich nach einem religiösen Wunschkonzert an.
Optimist schrieb:was sagst du dazu?:perttivalkonen schrieb:Der Messiastitel für Jesus ist ein Super Beleg dafür, daß dieser Jesus historisch sein muß und...
Ein problematischer Einsatz eines jüdischen Begriffes durch Juden soll ein "Super Beleg" dafür sein, dass dies historisch geschehen ist?
Was ist der Grund für diese "freudige Zuversicht", sollen antike Juden nicht in der Lage gewesen sein, bis Drei zu zählen, oder was soll da die Logik sein?
Ich habe mich ein wenig umgesehen und
diesen Link gefunden.
Eine jüdische Theologin sagt hier:
Spätestens mit der Zerstörung auch des zweiten, wieder aufgebauten Tempels im Jahr 70 unserer Zeitrechnung verschob sich der Schwerpunkt des messianischen Denkens: weg von einem konkreten System politischer und geistlicher Herrschaft, hin zu einem von Gott gesandten Retter, sagt Shani Tzoref.Es gab also im 1. Jhd einen Wandel des Messias-Begriffes, hin zu einem
"von Gott gesandten Retter"Das wiederum hört sich in Bezug auf die "Jesus"-Figur viel, viel besser an.
Wenn aber nun ein ungefährer Zeitpunkt vorliegt, an dem sich der Messias-Begriff wandelte (sprich: Depressionsphase des Judentums und der Gottes-Reich/Messias-Bewegung) und sich diese Idee "von Gott gesandter Retter" eigenartig nach der "Jesus"-Figur anhört, dann ist die Platzierung des "Jesus" als reale Person in der 1. Hälfte des 1.Jhd
deutlich ungünstig und somit weit weg von "super Beleg".
Vom Judentum scheint es bekannt zu sein, dass es nach 70 n.Chr zu grundlegenden Konsequenzen im Glauben gekommen ist (->
Uni Dortmund - Punkt 8 auf Seite 11)
Meine These enthält auch für die Gottes-Reich/Messias-Bewegung ("jüdisches Christentum") Konsequenzen und wenn es hier auch noch einen Wandel im Verständnis des Messias-Begriffes gegeben hat, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es mit der Depressionsphase zur "Jesus"-Figur gekommen ist.
Das Phantasieren eines "realen Jesus", in eine Zeit, in der diese ganzen Umwälzungen noch nicht vorkommen, ist nichts anderes, als fehlerhafte Vergangenheitsforschung.