lexa schrieb:Ich hab, dass mal einem Team von evangelischen Theologen.
https://fragen.evangelisch.de/
Die haben in den faq`s zwar erläutert, dass die Bibel vollständig ist, aber es ist nicht erklärbar, wieso wenn Gott in der Welt wirkt, dies nicht in die Bibel aufgenommen werden sollte.
Ein Team von evangelischen Theologen? Und die konntens nicht erklären? Na vielleicht nennense sich nur Theologen.
Gott mag sich in allen Zeiten und auf vielerlei Weise offenbaren. Aber die Schrift, die für uns das Wort Gottes ist, die für alle Christen und zu allen Zeiten geltend Wort Gottes ist, kann nicht mal eben frei erweitert, umgeändert udgl. werden.
Das Alte Testament war den Christen bereits vorgegeben als Heilige Schrift. Es war ja auch die Heilige Schrift Christi. Das Neue Testament hingegen entstand erst allmählich, und es mußte entschieden werden, welche Schriften als für alle verbindlich gelten können, um am Ende "Neues Testament" der Bibel zu sein. Schon sehr früh hatten sowohl die vier Evangelien als auch die Paulusbriefe quer durch die christlichen Gemeinden allgemeine Anerkennung gefunden, wobei die genaue Zahl der Paulusbriefe nicht bekannt ist, die so allgemein verbreitet und akzeptiert waren.
In vielleicht der Mitte des zweiten Jahrhunderts hat ein Christ, Marcion, erstmals versucht, einen "Kanon Neues Testament" zusammenzustellen und für verbindlich zu erklären. Er vertrat die Auffassung, daß das Alte Testament aufgegeben werden müsse, ja geradez falsch sei. Daher hatte er auch Probleme mit jenen christlichen Schriften, in denen zu stark auf das Alte Testament Bezug genommen wurde, allen voran das Matthäusevangelium. Letztlich nahm er nur das - partiell bereinigte - Lukasevangelium auf sowie eine bestimmte Anzahl an Paulusbriefen. Darin folgten die meisten ihm nicht, widersprachen vehement. Aber durch Marcion wurde letztlich die Kanonsdebatte des Neuen Testaments losgetreten, man wollte es vermeiden, daß jede Gemeinde ihre eigene Schriftenzusammenstellung auswählt und dann Sachen verwirft, die bei anderen aber gelten.
Letztlich fand man zwei bzw. drei Kriterien: Apostolisch und Katholisch, wobei "Katholisch" streng genommen zwei separate Kriterien sind. Zum besseren Verständnis: Katholisch kommt aus dem Griechischen und heißt "allgemein". Erst sehr viel später wurde "Katholisch" im Gegensatz zu "Evangelisch" hauptsächlich eine Konfessionsbezeichnung.
Apostolisch nun meint: eine Schrift kann nur dann dazugehören, wenn sie von einem Apostel stammt oder unter dessen "Hoheit" geschrieben wurde. So war Markus kein Apostel, aber ein Wegbegleiter des Petrus, teilweise auch des Paulus. Ebenso war Lukas auf Paulus bezogen, selber aber kein Apostel. Eine Schrift muß also apostolisch sein, indem sie die Lehre eines Apostels wiedergibt, nicht irgendeines Christen.
Katholisch meint als erstes, daß sich in den Gemeinden längst bestimmte Hauptauffassungen durchgesetzt haben, allgemein anerkannt waren und vertreten wurden. Eine Schrift, die davon Abweichendes vertritt, kann nicht anerkannt werden. Dazu gehört dann eben auch die Frage der Stellung zum Alten Testament. Wenn dies die Bibel Christi war und der Herr sagte, daß kein Jota davon vergehen werde, dann kann nichts, was das AT verwirft, "katholisch" sein.
Katholisch meint als zweites die allgemeine Anerkennung einer Schrift in den Gemeinden. Schriften, die nur von einigen Gemeinden anerkannt wurden, von vielen anderen aber nicht, waren nicht "katholisch". Bei einigen Schriften wurde letztlich jahrhundertelang um diese allgemeine Anerkennung gestritten, bis zuletzt standen Hebräerbrief und Offenbarung des Johannes zur Debatte von denen je eine Schrift nur in den westlichen Gemeinden akzeptiert war und im Osten eher abgelehnt, die andere Schrift genau andersherum. Hier scheint am Ende ein richtiggehender Kompromiß stattgefunden zu haben "ich erkenne Deine an, wenn Du meine anerkennst".
Schriften, die inhaltlich nicht "katholisch" waren, konnten nicht aufgenommen werden, ebenso wie Schriften, die nicht apostolisch waren. Die Katholizität einer Schrift im Sinne der allgemeinen Anerkennung immerhin konnte diskutiert werden. Solange sie die anderen beiden Kriterien erfüllte.
Es gibt ein Dokument etwa aus dem Jahr 180, den sogenannten Canon Muratori, der so eine Debatte über die Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit von Schriften wiederspiegelt. Dort werden bereits die meisten NT-Schriften genannt und fast vollständig allgemein akzeptiert, nur wenige weitere Schriften werden ebenfalls erwähnt, wobei sie größtenteils als fraglich oder falsch, mindestens aber als nicht allgemein anerkannt bezeichnet werden. Auch der Hirt des Hermas, eine damals beliebte Schrift, wird angesprochen. Ich zitiere mal:
Den Hirten aber hat neulich und in unserer Zeit in der Stadt Rom Hermas verfasst, während auf der Kathedra der Kirche der Stadt Rom der Bischof Pius, sein Bruder saß und daher soll er gelesen werden, allerdings kann er öffentlich jedoch in der Kirche dem Volk weder unter den Propheten (deren Zahl abgeschlossen ist) noch unter den Aposteln bekannt gemacht werden bis zum Ende der Zeiten.
Zu deutsch: Weiteres Schrifttum ist durchaus in Ordnung, aber es kann nicht zum Teil der Heiligen Schrift werden. Es kann nicht zur verbindlichen Schriftgrundlage des Glaubens aller Christen erklärt werden.
Später hat Luther genau deswegen einen Streit mit seiner Kirche geführt, denn neben der Heiligen Schrift hielt Rom auch die "Überliefernug" für verbindliche Grundlage des Glaubens. Sachen, die nicht in AT und NT standen, aber dennoch zur Katholischen Lehre gehörten, wofür sich die Kirche auf alte Traditionen berief, in denen diese Vorstellungen transportiert wurden. Luther vertrat den Standpunkt "sola scriptura", allein die Schrift, nichts sonst könne allgemein für alle gelten.
lexa schrieb:Die Geschichte des auserwählten Volkes Israel endet doch nicht mit der Thora oder doch?
Die Geschichte des Christentums endet auch nicht mit der jüngsten NT-Schrift. Nur die schriftlich fixierte Glaubensgrundlage. Würden Dir auch Juden so sagen, bezogen auf ihr Schrifttum.