Rassismus
19.01.2022 um 09:49Tussinelda schrieb:ich ziehe keinen Mod rein, der Mod hat als user hier mit Dir diskutiertAch so, dachte schon, du willst mir irgendwie ankreiden, dass ich dir oft widerspreche, während ich der Autorität in dem Forum eher nachgebe. Nun, dem ist nicht so. Wenn ich Argumente sehe, die gegen eure Sicht der Dinge sprechen, dann bringe ich sie ohne Rücksicht auf Person oder Status. Es geht um die Sache, und die ist meiner Ansicht nach etwas Komplizierter, als es der kurze Wiki-Auszug vermitteln kann. Jedenfalls sehe ich nicht, dass mit diesem klar belegt sein solle, dass das N-Wort immer rassistisch ist weil Geschichte unso.
Erklärung folgt.
Libertin schrieb:Will man die historische Darstellung der etymologischen Herleitung dieses Begriffes anzweifeln, müsste vor allem erstmal belegt werden, daß der Begriff auch vorher schon in nicht rassistischen Kontexten für Menschen schwarzer Hautfarbe verwendet wurde.Hab mir das schon mehrfach durch den Kopf gehen lassen, Quellen geprüft, und die Datenlage dazu scheint mir doch recht widersprüchlich zu sein. Der Wikilink von Tussinelda spricht davon, dass die Verknüpfung mit Sklave und seinen Eigenschaften von Anfang an in dem Wort stecken solle, aber erklärt nicht wie das denn überhaupt möglich ist, wenn sich die Wortbedeutung im Laufe der Jahrhunderte, und durch die Prägung verschiedener Sprachkreise und Gesellschaftsformen stets verändert hatte.
Ein Wort transportiert immer nur dann eine bestimmte Bedeutung, wenn ein Konsens darüber herrscht, dass das, was es transportieren soll, auch wirklich so ist. Wie kann jetzt zB im damaligen europäischen Sprachraum die gleiche Bedeutung entstehen, wie im amerikanischen, wo man einen ganz anderen Bezug zur schwarzen Bevölkerung hatte, als wir hier. Dass in Amerika das N-Wort stets die Bedeutung transportiert hatte, die ihm die besagten Portugiesen zudachten, um ihr Geschäft moralisch zu entschuldigen, leuchtet ein. Aber in Europa, wo man kaum Schwarze geschweige denn Sklaven hatte, dafür aber eine sehr lange Tradition von Handel und kultureller Interaktion mit dem Orient, bei denen der Schwarze doch eher ein viel günstigeres Ansehen genoss, was man bis heute in Qualitätsmarken wie der Mohrenapotheke zB erkennen kann, und in einigen anderen Dingen auch, ergibt sich doch ein ganz anderes gesellschaftliches Grundmuster .. Macht wenig Sinn, das Wort von Amerika zu übernehmen und es so zu verallgemeinern meine ich, und eine Quelle, die ich dazu gefunden hatte gibt mir sogar recht:
Dieses Phänomen ist ebenfalls bei dem Lexem Neger und seinen Komposita zu beobachten. Vorurteile schreiben dem Afrikaner Faulheit und Aggressivität von Natur aus zu, auch mit Drogenhandel wird er oft in Verbindung gebracht (Kramer 2008: 23). Allerdings war dies nicht immer der Fall, denn das semantische Feld dieses Wortes hat sich einigen schwerwiegenden Änderungen unterzogen, sogar bis hin zu einer vollständigen Veränderung seiner Bedeutung. Das heutzutage politisch unkorrekte Wort ist ursprünglich vom lateinischen Wort für die Farbe schwarz, niger, abgeleitet worden (Duden 1994: 2369). Es diente anfangs also nicht als Schimpfwort, sondern vielmehr für eine Bezeichnung der Herkunft. Es entwickelte sich mit der Zeit von einer positiven über eine neutrale bis hin zu einer negativen Bedeutung (Smitherman 2000: 210). Interessanterweise sagt Ulrike Kramer, dass die schwarze Hautfarbe zwar schon immer gegen sie verwendet wurde, jedoch zu Beginn ihre äußere Erscheinung nicht der Hauptgrund für die Diskriminierung schwarzer Menschen war (Kramer 2008: 10). Es war vielmehr die Tatsache, „daß [sic] der Afrikaner als gottlose Kreatur mit einer schwarzen, sündigen Seele galt“ (Kramer 2008: 10). Sie gehörten nämlich nicht dem Christentum an, sondern waren Heiden.Quelle: https://www.grin.com/document/319737
Hier wird also geschrieben, dass die schwarze Farbe deshalb als problematisch empfunden wurde, weil die schwarzen vermehrt Heiden waren. Der abendländische Kulturkreis aber kennt durchaus auch Schwarze, die als ebenbürtig betrachtet wurden. Namentlich sind da bestimmte Personen die als heilig, selig und bedeutend für das Christentum galten.
Der Schwarze der drei Könige zB, der hl Mauritius, usw .. der Mohr später im Laufe der Globalisierung der Ne*er galt also in dieser Zeit keineswegs als von Geburt aus niedrig, sondern es hing viel mehr von seinem gesellschaftlichen/religiösen Status ab, wie man ihn wahrnahm.
Eine Rasseideologie lässt sich da jedenfalls weit und breit nicht erkennen.
Also keine generelle Ablehnung des Schwarzseins..
Die kam im Übrigen sowieso erst um einiges später.
Nämlich mit de Gobineau im 19. Jahrhundert, aber da war der Drops mit der Sklaverei schon fast gelutscht. Zumindest bei uns in Europa. In den Kolonieen natürlich nicht, deshalb macht es auch nicht sonderlich viel Sinn die Kolonialspache 1:1 auf die etymologische Entwicklung unserer Wörter übertragen zu wollen, weil nun mal schwer nachvollziehbar ist, wie sich gleiche Wortbedeutung in völlig unterschiedlichen Gesellschaften entwickeln solle.
Die Entwicklung nach dem WK2 hab ich ja weiter oben auch schon etwas umrissen, und etwaige Unstimmigkeiten hervor gehoben.
Man kann hier also durchaus der Meinung sein, dass das N-Wort durch die koloniale Prägung einen dauerhaft rassistischen Unterton hat, besonders in den Kolonien, da eine entsprechende Konnotation oder Mitbedeutung gesellschaftlich und realpolitisch immer für die Sprecher wahrnehmbar ist, und sich der Konsens dahingehend nicht auflösen kann, weil er stets verfestigt wird .. sich selbst bestätigt. Aber als Faktum kann man es aus den oben genannten Gründen eben nicht behandeln. Dafür sind die Daten zu widersprüchlich und nicht stringent genug, denke ich.
Libertin schrieb:Ist mMn aber ohnehin eher zweitrangig bei der Frage, ob man den Begriff auch heute noch für Schwarze verwenden sollte.Da bin ich absolut bei dir. Es entscheiden ganz andere Faktoren darüber, wie ein Wort beurteilt wird. Natürlich hat die Historie einen Bezug, dennoch geht es um bestimmte Befindlichkeiten von politischen Gruppen, und hier tut sich einfach ein Verhandlungsraum auf, der entsprechend gesellschaftlich bewertet werden muss, um einfach so konfliktarm wie möglich über den Alltag zu kommen.
Bitte verstehe mich richtig. Ich bin nicht dafür, dass das Wort als völlig normales Wort betrachtet wird. Das ist es nun mal nicht.
Mir geht es lediglich darum die extremen Auswüchse der antirassistischen Bewegung etwas zu hinterfragen, und ggf auszubremsen wenn solch irres Zeug bei der Verfolgung von "Tätern" raus kommt, wie ich es hier schon mehrfach mit dem Artikel benannt hatte:
https://www.nzz.ch/international/n-wort-amerikas-explosivstes-wort-ld.1614314
Bei allem Respekt für den Kampf gegen Rassismus, für den ich auch bin, aber sowas geht eben gar nicht, und genau das kommt dabei raus, wenn man eine Wortbedeutung versucht zu verabsolutieren.