Ich hab mir mal den gesamten Bericht des CPT zum Abschiebevorgang am 14.4.2018 durchgelesen.
Insgesamt finde ich, dass das CPT den dt. Behörden und allen Beteiligten sehr gute ,,Noten" ausstellt. Die Schilderung der Sachverhalte und Vorgänge finde ich ziemlich neutral und professionell. Es werden für mein Empfinden in den meisten Fällen lediglich kleinere Kritikpunkte geäußert bzw. das CPT stellt einfach seine Position dar.
Nach dem Motto:,,So und so sollte es idealerweise laufen."
Wahrscheinlich weiss das CPT auch, dass es immer eine Diskrepanz zwischen Theorie und Wirklichkeit gibt.
Besonders diskutiert wurde ja dieser Fall, ich zitiere mal die Passage aus dem Bericht:
http://docs.dpaq.de/14814-cpt-bericht.pdf54. Der zweite Rückzuführende fügte sich dem Einstiegsprozedere bis zu dem Moment, als er in dem Flugzeug hingesetzt wurde. Hierbei geriet er in Erregung, begann zu schreien und in alle Richtungen zu schlagen, und versuchte aufzustehen. Die beiden neben ihm sitzenden Begleitbeamten versuchten, ihn in seinem Sitz zu halten, indem sie seine Arme festhielten. Dabei wurden sie von einem aus vier Begleitpersonen bestehenden Backup-Team unterstützt, wovon sich drei hinter seinem Sitz positionierten. Einer dieser Begleitbeamten legte von hinten seinen Arm um den Hals des Rückzuführenden und zog mit seiner anderen Hand dessen Nase nach oben, sodass sein Kollege einen Beißschutz in den Mund des Rückzuführenden einführen konnte.
In Reaktion hierauf verstärkte der Rückzuführende seinen Widerstand, woraufhin ein zweiter Begleitbeamter des Backup-Teams eingriff und den Kopf des Rückzuführenden auf einen Nebensitz zog und sein Knie auf dessen Kopf platzierte, um Druck auszuüben und kooperatives Verhalten zu erreichen, während die Hände des Rückzuführenden hinter dessen Rücken mit einem Klettband gefesselt wurden. Ein weiterer Begleitbeamter drückte mit seinem Daumen auf die Schläfe des Rückzuführenden. Ein weiteres Klettband wurde unterhalb der Knie des Rückzuführenden angebracht, um seine Beine zusammenzubinden.
Dem Rückzuführenden wurde außerdem ein Helm aufgesetzt und an seinen Armen und Beinen wurden weitere Klettbänder angebracht. Des Weiteren wurde Gewalt angewendet, um ihn mit den Händen festzuhalten. Zu diesem Zeitpunkt wurde der Rückzuführende von drei hinter seinem Sitz positionierten Begleitbeamten festgehalten und auf jeder Seite saß ein weiterer Beamter. Ein sechster Beamter kniete auf den Knien und Oberschenkeln des Rückzuführenden, um ihn mit seinem Gewicht in seinem Sitz zu halten.
Nach etwa 15 Minuten griff der sechste Begleitbeamte mit seiner linken Hand die Genitalien des Rückzuführenden und drückte mehrmals länger zu, um den Rückzuführenden dazu zu bringen, sich zu beruhigen. Als das Flugzeug rund zehn Minuten später startete, standen zwei Begleitbeamte immer noch hinter dem Sitz des Rückzuführenden, um sicherzustellen, dass er sitzen blieb.
Kurz darauf beruhigte sich der Rückzuführende, nachdem ihm gesagt wurde, dass die meisten Zwangsmittel entfernt werden würden, sofern er sich kooperativ verhalte. Für etwa eine Stunde blieb er mit den Händen hinter dem Rücken gefesselt. Da er ruhig blieb, wurde die Fesselung gelöst.
55. Im Verlauf dieses Eingriffs beobachtete die Delegation, dass der Rückzuführende Atemschwierigkeiten bekam und noch mehr in Erregung geriet, als der erste Begleitbeamte des Backup-Teams den Arm um seinen Hals legte, da der dort ausgeübte Druck zu einer vorübergehenden Atemwegsbehinderung führte.
Der CPT ist der Auffassung, dass bei jeglicher Anwendung von Gewalt verhindert werden muss, dass bei der betroffenen Person ein Erstickungsgefühl entsteht. Wie aus den einschlägigen internen Anweisungen der Bundespolizei hervorgeht, dürfen begleitende Beamte keine Kontrolltechniken anwenden, bei der die Atemfähigkeit einer Person eingeschränkt wird.
Darüber hinaus beobachtete die Delegation, dass der Rückzuführende jedes Mal, als der sechste Begleitbeamte Druck auf seine Genitalien ausübte, physische Reaktionen zeigte und noch mehr in Erregung geriet.
Der CPT erkennt an, dass es oftmals schwierig sein kann, eine Abschiebungsanordnung gegen einen ausländischen Staatsangehörigen zu vollziehen, der entschlossen ist, auf dem Hoheitsgebiet eines Staates zu bleiben. Die begleitenden Beamten müssen bisweilen sicherlich Gewalt und Zwangsmittel anwenden, um die Abschiebung wirksam durchzuführen.
Allerdings sollte diese Gewalt nicht über das absolut notwendige Maß hinausgehen. Eine Person durch Drücken der Genitalien zu misshandeln, was eindeutig darauf abzielt, durch Zufügung starker Schmerzen kooperatives Verhalten zu erreichen, ist unverhältnismäßig und unangemessen. Dies umso mehr, als die Person von sechs Begleitbeamten fixiert wurde.
Der CPT empfiehlt, dass die deutschen Behörden sofort Maßnahmen ergreifen, um die Anwendung dieser beiden Techniken durch begleitende Beamte der Bundespolizei zu unterbinden.
Man erkennt zunächst, dass es sich hier um eine absolute Extremsituation gehandelt hat.
Es ist also
nicht Standard, dass es zur beschriebenen und bemängelten Gewaltanwendung bei Abschiebungen kommt. Und auch in diesem Fall war der ,,Eiergriff" offensichtlich allerletztes Mittel der Wahl, nachdem es selbst 6 Bundespolizisten unter Einsatz anderer Techniken und Fesselung nicht gelungen war, den Widerstand des Abzuschiebenden zu beenden.
Er ist, um es kurz zu sagen, völlig ausgerastet.
Das mag einerseits verständlich sein, andererseits muss verstanden werden, dass das begleitende Personal dazu da ist, den Widerstand zu beenden.
Auch hier sollte man erwähnen, dass das CPT in seinem Bericht mehrfach das Verhalten aller Beteiligten der Bundespolizei lobt.
Es erkennt sogar an, dass Gewaltanwendung unter Umständen notwendig ist.
Die Kritik des CPT hat für mich eher den mahnenden Charakter, trotzdem ganz genau drauf zu achten, wieviel und welche angewandt wird.
Sieht man sich den Bericht des CPT mal selbst an, dann kommt man meiner Meinung nach jedenfalls zu einem anderen Ergebnis, als es in der plakativen Darstellung des Spiegels rüberkommt.
Warum der Spiegel das, aus meiner Sicht, so falsch und einseitig darstellt, was das CPT berichtet, ist mir ein Rätsel.
Deutlich wird auch das Problem der Frage, wieviel und welche Gewaltanwendung denn ,,angemessen" und ,,notwendig" sei.
Abgesehen von Leuten, die gnaz grundsätzlich gegen jede Ausweisung sind, gehen die Haltungen ja von ,,alles freundlich-mitfühlend ausdiskutieren" bis hin zu knallharter Autorität. Besonders schwierig ist es, wenn man darüber diskutiert, obwohl man selbst keinerlei Erfahrung mit entsprechenden Situationen hat.
Da wird dann viel vom Sessel aus über den Daumen gepeilt und gesagt:,,So und so müsste man es machen, das müsste doch gehen, so sollte es laufen...".
Aber wie qualifiziert sind solche Einschätzungen überhaupt?
Man sollte zumindest im Kopf behalten, dass die ,,Profis" der Bundespolizei in einer anderen Situation sind und andere Hintergründe haben, als man selbst.
Ohne Verantwortung und vom bequemen Sofa aus ist leicht gesagt, wieviel Gewaltanwendung zu viel sei.