Na ja, ich hinke der Diskussion wohl einen Tick hinterher und halte mich aus solchen Themen mittlerweile eigentlich eher raus. Aber wenn hier gerade eh schon jeder seinen Senf dazu gibt...
nocheinPoet schrieb am 18.01.2024:Der Körper ist auch greifbar und definiert, Atome, Moleküle, ... Organe ... passt.
Klingt zwar zunächst einleuchtend, jedoch sehe ich bei den genannten "Dingen" erst einmal nur
Konstrukte oder
Konzepte - Erfindungen des menschlichen Geistes. Die Realität (auch dahinter steckt natürlich ein Konstrukt bzw. Oberbegriff für
alles, was der Fall ist) kennt keine
Atome, Moleküle, Organe, Tische oder Bäume. Und ohne jetzt eine Debatte darüber loszutreten, ob bspw. "Dinge" und "Eigenschaften", oder aber "Strukturen" und "Relationen" die letzten Instanzen alles Seienden sind, könnte man sagen, dass es erst einmal nur
reale Fakten (bzw. die Realität) gibt, welche der Mensch dann in einem zweiten Schritt versucht, sich mit Hilfe von mal mehr und mal weniger viablen Konzepten, Modellen, Theorien etc. irgendwie begreifbar zu machen.
Selbiges gilt nun etwa auch für "Seele", "Geist" oder "Schmerz" - auch das sind erst einmal nur menschliche Konstrukte, um sich diverse Sachverhalte (bzw. Fakten) irgendwie begreifbar zu machen. Da wäre etwa der Umstand, auf den u.a. Leibniz mit seinem Mühlengleichnis sowie viele andere Denker der Philosophiegeschichte hinzuweisen versucht haben: Es wurden zwar schon unzählige Gehirne seziert,
Bewusstsein, Gefühle, Gedanken, Empfindungen uvm., was man allgemein unter "Geist" subsumiert, hat man darin jedoch und trotz aller Bemühungen nirgends finden können. Daraus allerdings den Schluss zu ziehen, Empfindungen wie etwa
Schmerz seien gar nicht real,
Geist sei nicht real, könnte man zwar machen, erscheint den allermeisten vernünftigen Menschen und Denkern jedoch reichlich absurd, geradezu grotesk.
nocheinPoet schrieb am 18.01.2024:Geist ist hingegen nicht wirklich greifbar, nicht messbar, auch braucht man dann eine Schnittstelle. Und wie soll es sein, der Körper ist nur ein "Maschine" und der Geist steuert den dann und zusammen hat es dann ein Bewusstsein?
Das ist aber eben ein konzeptionelles und methodisches Problem, kein ontologisches. Geist existiert*, Schmerzen sind real, keine Illusion. Wer etwas anderes behauptet, kann ja bspw. mal bei der nächsten OP "spaßeshalber" auf sämtliche Anästhetika verzichten. Ich stimme aber zu: Das u.a. von
@Niselprim angedeutete klassische Leib-Seele-Problem wirft viel zu viele Fragen auf und impliziert so einige Widersprüche...
*genauer: Es gibt (reale) Fakten, die wir versuchen, uns mit Hilfe von Konzepten wie "Geist" oder "Bewusstsein" irgendwie begreifbar zu machen...nocheinPoet schrieb:Dann könnte daraus schon eine Kraft resultieren, die Seele wäre eben wie die Energie die in einen Akku geladen wird. Der Akku selber dann der Körper. Wobei der Akku selber alleine keine Funktion ausübt, also brauchen wir da dann noch mehr. Was auch immer.
Spätestens diese Aussage pointiert dann doch recht treffend die eigentliche Problematik: Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fehlen uns für's Verständnis einfach die viablen Konzepte! Begriffe bzw. Konzepte wie "Energie", "Akku", "Funktion" oder "Kraft" waren vor nur wenigen Jahrhunderten noch völlig unbekannt. Aber doch stehen wir nun hier und maßen uns an, mit unserem
jetzigen Verständnis der Natur, mit unseren
gegenwärtigen Konzepten und
heutigem Begriffsvokabular mit eine der größten Fragen der Menschheitsgeschichte beantworten zu können. Und dabei sind wir aller Wahrscheinlichkeit nach nicht besser als die antiken Gelehrten griechischer Naturphilosophie, die mit ihrem
damaligen Verständnis der Natur, ihren
damaligen Konzepten und Begriffen versuchten, die kleinsten Bausteine der materiellen Welt zu umschreiben. Gemäß Demokrit gab es sog. "Atome", manche spitz und eckig, vor allem aber besaßen sie so "Haken" und "Ösen", so dass sie sich zu verschiedensten Stoffen "zusammenhaken" konnten. Die Idee, dass Stoffe nicht ad infinitum teilbar sind, mag zwar im Kern richtig gewesen sein, nichtsdestotrotz mangelte es den antiken Gelehrten an viablen Konzepten (von ausgereiften Modellen & Theorien ganz zu schweigen!), um die Wirklichkeit (bzgl. der Struktur und Dynamik der Materie) in auch nur annäherend zutreffender und konsistenter Weise zu erfassen. Selbst wir haben damit heutzutage noch Probleme, die Natur der Materie hinreichend zu erfassen (etwa Stichwort "lokale Realismus"...).
Heide_witzka schrieb:nocheinPoet schrieb:Dann könnte daraus schon eine Kraft resultieren, die Seele wäre eben wie die Energie die in einen Akku geladen wird. Der Akku selber dann der Körper. Wobei der Akku selber alleine keine Funktion ausübt, also brauchen wir da dann noch mehr. Was auch immer.
Aber hier fängt es doch schon an.
Ist der Körper ohne Seele nur eine leere Hülle?
Oder existiert da schon ein ganz eigenständiger Mensch, komplett mit lernfähigem Betriebssystem, und die Selle setzt sich da nur drauf bzw. fährt in den Körper ein?
Welche Möglichkeiten hat die Seele?
Kann sie sich über das körpereigene Betriebssystem hinwegsetzen, auch gegen dessen Widerstand? Dazu bräuchte sie meines Erachtens eine Schnittstelle. Wo ist sie, wie sieht sie aus?
Hat sie nur beobachtende Funktion?
Was ist überhaupt ihre Aufgabe?
Mir stellen sich da im Umfeld noch eine Menge mehr Fragen, aber vielleicht kann man die eine oder andere der gestellten ja hier mal aufgreifen.
Und weiter geht's: Munter und fröhlich werden weitere Konzepte in den Raum der blühenden Fantasien geworfen: "Betriebssystem", "Schnittstelle"... Da sind wir wirklich nicht besser als Demokrit, der seinerzeit über "Haken" und "Ösen" von "Atomen" sinnierte...!
:palm:gagitsch schrieb:Du kommst immer wieder auf Mark Aurel zurück. Beachte bitte dabei in welchem Kontext sein Leben zu unserem steht.
Er lebte vor rd 2000 Jahren, also sind die Lebensbedingungen völlig andere....
Er lebte in einer Völlig Religiösen und weniger wissenserfahrenden Welt, also auch völlig andere LB
Er war Kaiser, also hat er völlig andere Umstände und Herausforderungen zu bewältigen, mal abgesehen von den sehr wenigen jetzigen Kaisern und Ähnlichen Ämtern...
Ich halte aus dieser Position heraus jedweder Art von Philosophie für Weltfremd, weil völlig veraltet und unpassend. Moderne Philosophen geben bessere antworten auf die Fragen.
Chapeau! Wenn auch eigentlich eine reichlich triviale Einsicht...
Und damit schließt sich dann auch der Kreis und vielleicht wird klar, warum ich mich aus solchen Diskussionen mittlerweile lieber raushalte: Wir Menschen des 21. Jhd. maßen uns in einem Anfall intellektueller Vermessenheit an, das Naturgeschehen mit Hilfe unseren heutigen Wissens hinreichend verstanden zu haben, um so manche de facto grenzwissenschaftliche Fragen dezidiert und abschließend beantworten zu können. Ja, wir wissen und verstehen weitaus mehr als etwa die Menschen vor ca. 2000 Jahren, viel mehr. Aber wir können nicht wissen, ja, nicht einmal erahnen, welches Wissen und Verständnis die Menschen in weiteren 2000 Jahren (oder gar mehr) haben werden. Und ja, es gibt Dinge, die gelten längst als
gesichertes Wissen, wie etwa die Tatsache, dass sich die Erde um die Sonne dreht (und nicht etwa umgekehrt). Was aber gerade den ganzen Themenkomplex rund um Gehirn, Bewusstsein und einige damit verbundene Hypothesen betrifft, handelt es sich in vielen Fällen jedoch lediglich um
vorläufiges Wissen. Wer etwas anderes behauptet, hat von Wissenschaftstheorie und -geschichte nicht viel verstanden und ist offenbar auch nicht ausreichend mit den Problemen moderner Hirnforschung bis Neurophilosophie vertraut. Es hat irgendwo auch etwas mit intellektueller Redlichkeit und einer gewissen Demut zu tun, sich einzugestehen, dass unser gegenwärtiges naturwissenschaftliches Weltbild zum Teil immer noch sehr lückenhaft ist, jederzeit von einem Paradimenwechsel komplett auf den Kopf gestellt werden kann uns es vielleicht auch so einige Fragen geben mag, die sich zwar gegenwärtig stellen lassen, aber nicht beantworten. Damit muss man einfach leben, sofern man es kann. Und ich mag jetzt auch gar nicht erst auf die berühmte Anekdote rund um Max Planck (dem Urvater der Quantenmechanik), seinem Professor Jolly und die darauffolgenden Umwälzungen im Bereich der klassischen Physik sowie dem damit einhergehenden Paradigmenwechsel verweisen... Denn was das betrifft... da kann ich mich abschließend nur dem Poeten anschließen:
nocheinPoet schrieb am 18.01.2024:Ich mag hier keinen Grundkurs für Grundlagenwissen geben.
nocheinPoet schrieb am 18.01.2024:bildet Euch gefälligst selber.
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BlubberBlase03 schrieb am 18.01.2024:Wow... dein Beitrag dazu, dass du es für möglich hältst, dass der Mensch ein Computer ist, find ich heftig.
Lese dich bspw. zum Funktionalismus ein...
Wikipedia: Funktionalismus (Philosophie)BlubberBlase03 schrieb:klar, wir wissen, dass sich die Welt aus Atomen und deren Quarks ... zusammensetzt
Wissen wir nicht, nein. Es ist
eine Möglichkeit, die Realität - oder zumindest einen Ausschnitt davon - zu konzeptionalisieren. Siehe
Wikipedia: ReduktionismusWie schon angemerkt, ist Realität ein Oberbegriff für
alles, was der Fall ist (oder - alternativ -
alles, was real ist, den Tatsachen entsprechend). Und dazu zählen bspw. und wohlgemerkt auch
mathematische Sachverhalte bzw. Tatsachen. Es sei denn, du möchtest sie bestreiten....
BlubberBlase03 schrieb:Ist da also Platz für mehr?
Selbstverständlich ist da Platz für mehr! Nur wäre es töricht, diesen Platz mit seinen albernen Ergüssen blühender Fantasie zu füllen.