@kleinundgrünDas "nur Unsinn" solltest Du konkretisieren.
Gerne. Wobei "nur Unsinn" strenggenommen natürlich ebenfalls etwas polemisch gewählt war; selbstverständlich enthält der Artikel Aussagen, die für sich gesehen richtig sind.
Nur steuert er, betrachtet man die Kolumne als "Gesamtkunstwerk", aus meiner Sicht nicht nur keinerlei erhellenden Mehrwert zur aktuellen Diskussion bei, sondern zeichnet auch noch bewusst ein völlig falsches Bild von der Situation.
Aber inhaltlich hat er bezüglich der juristischen Betrachtung weitestgehend recht. Er kritisiert im Grunde, dass ein vom Gesamtzusammenhang isoliert betrachtetes "Nein" keine Aussagekraft dahin gehend hat, ob nun eine Einwilligung vor liegt oder nicht. Auch bei einer Gesetzes- oder Auslegungsänderung müssten nach wie vor die Gesamtumstände betrachtet werden.
Was an "juristischer Betrachtung" tatsächlich in seinem Text zu finden ist - viel ist das nach meinem Eindruck allerdings nicht - ist isoliert betrachtet natürlich korrekt. Wie ich bereits in einem früheren Beitrag schrieb, ist Fischer auf diesem Gebiet selbstverständlich versiert genug, sich keinen Faux-Pas zu erlauben, auf den man ihn eindeutig festnageln könnte.
Nur sind das aus meiner Sicht reine Strohmann-Argumente. Ich meine, wo bitte stand denn das, was er da "kritisiert" je ernsthaft zur Debatte?
Er behauptet...
Die neue Lösung soll nun darin bestehen, dass das Aussprechen des Wortes "Nein" oder der Formulierung "Ich will nicht" irgendwie isoliert, begründungslos, zusammenhanglos neben dem sonstigen Verhalten des Opfers steht.
Auf welche "neue Lösung" bezieht er sich denn da? Es geht doch lediglich darum, eine Gesetzesgrundlage zu schaffen, nach der Vergewaltigungsopfer nicht mehr verpflichtet sind, sich gefälligst auch hinreichend körperlich zu wehren - oder alternativ nachzuweisen, dass sie das nicht konnten. Es fordert doch niemand, dass das "Nein" völlig isoliert von der Gesamtsituation betrachtet werden soll, und das kann er als erfahrener Jurist doch auch nicht ernsthaft annehmen.
Er fasst die aktuelle Gesetzeslage korrekt zusammen:
Heute (nach geltender Rechtslage) ist es so: Wenn das Tatopfer sich nicht wehrt, weil es weiß, dass die Tür abgeschlossen ist und es keine Chance hat, zu entkommen: strafbar. Wenn es sich nicht wehrt, weil es konkludent bedroht wurde, und sei es nur durch Gesten oder im Vorfeld: strafbar. Wenn es sich nicht wehrt, weil es sich vor Gewalteinwirkungen fürchtet: strafbar. Wenn es sich nicht wehrt, weil es dazu aus psychischen Gründen oder aus physischen Gründen (Drogen, Alkohol, Geisteskrankheit, psychische Störung) unfähig ist: strafbar.
Ja, das Problem bei dieser aktuellen Gesetzeslage ist allerdings, dass das Opfer beispielsweise die Bedrohung oder die Furcht vor Gewalteinwirkung auch glaubhaft nachweisen muss, oder täusche ich mich da?
Ich frage mich daher, was genau Du als inhaltlichen Unsinn an prangerst
An dieser Stelle würde ich am liebsten beinahe den kompletten Text Absatz für Absatz durchgehen, was allerdings den Rahmen eines Beitrags bei weitem sprengen würde und wofür mir leider momentan auch die Zeit fehlt.
Daher zunächst nur noch ein paar Punkte:
Wie ist es denn aus deiner Sicht zu werten - bezogen auf die inhaltliche Sinnhaftigkeit - wenn ein Bundesrichter beispielsweise völlig korrekte, offizielle Zahlen (errechnet aus Kriminalstatistiken und wissenschaftlichen Studien) bezüglich Dunkelziffer und Anzahl der Verurteilungen bei Vergewaltigungen einfach mal zu reinen Erfindungen einer Brigitte-Autorin erklärt?
Oder - wie hier schon ausführlich erörtert - die Existenz des Wortes
Opferanwalt vollständig negiert, nur um eine Anwältin ins Lächerliche zu ziehen, die der ihm offensichtlich nicht genehmen Expertenkommision zur Sexualstrafrechtsreform angehört?
Oder behauptet, es gäbe überhaupt keinen Handlungsbedarf, da die Zahl der Sexualdelikte seit 30 Jahren kontinuierlich sinken würde?
Was er streng juristisch betrachtet natürlich so schreiben darf, da die Zahl der tatsächlichen
Verurteilungen in den letzten Jahren enorm zurückgegangen ist. Nur spiegeln diese Befragungen zufolge leider eindeutig nicht die Realität wieder.