DeeDeeDee schrieb:Meiner Meinung nach geht es um die generelle Strafbarkeit der verübten Tat. Und Mord ist in D ja strafbar. Eine Verurteilung wegen Mordes im Ausland gehört daher ins Führungszeugnis. Alles andere fände ich merkwürdig...
Richtig, hier geht es allein um die Strafbarkeit. Wer im Ausland z.B. wegen "Nicht Tragens eines Schleiers" verurteilt wird, gilt in Deutschland als nicht verurteilt, weil es diesen Straftatbestand in Deutschland nicht gibt. Wer im Ausland wegen Mord verurteilt wird, gilt auch in Deutschland als verurteilt, da es auch in Deutschland diesen Straftatbestand gibt.
Venice2009 schrieb:Und wie ich schon schrieb, was ist mit Riechmann, warum sitzt er immer noch ein, wenn die Bundesregierung sich scheinbar um seine Freilassung bemüht. Auch er sitzt eine verhältnismäßig zu lange Haftstrafe ab, nach unserer Rechtsprechung. Ich glaube das ganz einfach nicht, dass dahingehend tatsächlich etwas unternommen wird.
Ich hatte das vor einiger Zeit schon mal geschrieben, und kenne mich da auch aus, da ich selbst als Rechtsanwalt schon für Deutsche Inhaftierte mit Kenntnis des AA tätig geworden bin. Nach dem Konsulargesetz besteht eine Pflicht der deutschen Regierung sich für Deutsche einzusetzten, das heisst, sie "konsularisch zu betreuen." Das bedeutet aber nicht mehr als dass die deutsche Regierung versucht sicherzustellen, dass der Deutsche im Ausland nach rechtstaatlichen Grundsätzen behandelt wird und vor allem die Haftbedingungen international üblichen Bedingungen entsprechen. Das zuständige Konsulat besucht den Häftling in der Regel einmal im Jahr und fertigt einen Bericht für die Zentrale, das AA an. Es wird geprüft z.B. ob der Häftling die Möglichkeit hat, einen Anwalt zu beauftragen, ob er rechtliches Gehör hat, also Anträge etc. vor Gericht bringen kann, ob er verpflegt wird und ein Mindestmass an medizinischer Versorgung hat. All das wird in den USA in der Regel gegeben. Das AA mischt sich
nicht in die Verteidigung ein, bezahlt keinen Anwalt, und tritt auch sonst keinesfalls als "Partei" auf - mit einer gewissen Ausnahme: da wo die Todesstrafe droht oder verhängt wird, teilt die Bundesregierung den entsprechenden ausländischen Behörden mit, dass sie die Todesstrafe grundsätzlich ablehnt und bittet die Behörden, das zu berücksichtigen.
Das ist die offizielle Ebene. Alles weitere würde zu Recht als Einmischung in die Justiz des anderen Landes verstanden und verstösst gegen die internationalen Beziehungen. Deutschland würde sich das umgekehrt genauso verbitten.
Ob hinter den Kulissen mal der Aussenminister mit seinem Pendant im Ausland einen Fall bespricht und hofft, man könne hier eine Lösung im Sinne des Beschuldigten/Verurteilten finden, ist keine offizielle Sache mehr, sondern eine politische. Das kam und kommt z.B. mit der Türkei immer mal vor, die allerdings, so es die Öffentlichkeit erfährt, meist verschnupft reagiert. Man muss also hier sehr genau zwischen der konsularischen Betreuung auf deutscher gesetzlicher Grundlage, und politischer Betätigung unterscheiden. Letzte findet fast immer hinter den Kulissen statt und keine Seite hat ein Interesse, das öffentlich zu machen.
Hier im Fall JS kann man davon ausgehen, dass die offizielle konsularische Betreuung stattfand. Mit der Länge einer im Ausland nach dessen Gesetzen verhängten Freiheitsstrafe hat das gar nichts zu tun. Das ist ein Thema, das die konsularische Betreuung nichts angeht, solange die Strafe den ausländischen Gesetzen entspricht. Aus politischen Gründen kann die Bundesregierung in dem einen oder anderen Fall mal im Ausland vorstellig werden und sagen, meint ihr nicht, der hat lange genug gesessen... etc.
An den Fällen Riechmann, Apelt usw. kann man beobachten, wie genau die Bundesregierung ihre Grenzen kennt. Man hat diese gegen die Todesstrafe aktiv unterstützt, sobald diese vom Tisch war, endet die offizielle Unterstützung und Intervention der Regierung.
Daher kann man davon ausgehen, dass JS hier sogar mal die Wahrheit sagt, wenn er sich beschwert, dass die deutsche Regierung offiziell nichts für ihn "getan" hat: wenn er erwartet hatte, dass sie seine Freilassung nach einem ordentlichen Gerichtsverfahren betreibt, hat er die Grenzen der Möglichkeiten weit überschätzt.
Noch einmal gesagt: Das ist die Welt der Diplomatie, und man achtet in dieser sehr darauf, nicht Grenzen zu überschreiten, die in anderen Fällen gegen das eigene Land gewendet werden könnten. Man will sicherlich keine Präzedenzfälle schaffen, dass eines Tages die USA bei jedem in Deutschland verurteiltem Amerikaner politischen Druck ausübt, und dann sagt: ihr habt uns doch auch wegen Soering so genervt...
Noch ein konkretes Beispiel dazu: In Deutschland kann ein Heranwachsender zwischen 18 und 21 Jahren nach Jugendstrafrecht verurteilt werden. Soering hätte davon profitieren können. In den USA ist die Grenze absolut bei 18 Jahren. Die deutsche Regierung ist nie offiziell auf dem Standpunkt gewesen, Soering müsste in den USA nun auch dementsprechend als "Jugendlicher" behandelt werden. Die deutsche Regierung muss das ausländische Recht anerkennen und hat das auch getan.
Katelbach schrieb:Ich bin ein seit gut 20 Jahren in Deutschland tätiger Rechtsanwalt und kann dazu sagen: Meiner Meinung nach wäre er vermutlich auch in Deutschland verurteilt worden.
Der Meinung kann ich mich als Rechtsanwalt und Strafverteidiger, der zwar inzwischen in den USA praktiziert, anschliessen und habe das auch schon mal geschrieben. Natürlich wissen wir nie genau, wie ein Gericht im Einzelfall entscheiden würde, aber im Vergleich mit vielen anderen Fällen denke ich auch, dass ein Gericht in Deutschland, wenn alles andere gleich betrachtet wird, genauso verurteilt hätte. Mir sind eine Reihe von Fällen bekannt, wo ich das Gefühl habe, die Indizienlage war schwächer als hier in diesem Fall, und dennoch wurden die Angeklagten in Deutschland verurteilt.