shionoro
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Macht- Wie geht ihr damit um?
29.08.2013 um 20:52Die Frage ist Programm.
Ich hatte schon immer Probleme damit, mit Macht umzugehen.
Sowohl passiv, wenn ich der entmachtete bin, als auch aktiv, wenn ich derjeniege bin, der entscheidet.
Meistens begebe ich mich also in eine Haltung, in der ich mir nichts sagen lasse und gereizt darauf reagiere, wenn mir jemand etwas vorschreiben will, oder wenn ich mir Gereiztheit nicht leisten kann, zumindest die Situation schnellstmöglich verlasse und der Person jegliche Macht über mich nehme, soweit das geht, und zugleich versuche ich niemandem etwas aufzuzwingen.
Meinen ersten wirklich kontakt in der Ausübung struktureller Macht hatte ich allerdings in meinem Jahr in dem ich in der Psychiatrie gearbeitet hab.
Deswegen werde ich mich hier in dem ersten Post auch darauf beschränken, da ich wie gesagt sonst macht komplett ablehne, und dies eine der wenigen Situationen ist, in der ich in jedem falle macht ausüben musste, bzw. absolut in der Verantwortung stand.
Beispielsweise finde ich es sehr gefährlich, wenn es ein festes Regelwerk gibt nach dem man sich verhalten muss, und welches man umsetzen muss.
Als Beispiel:
Wir hatten mal ein selbstmordpärchen, also zwei Personen Anfang zwanzig, die sich auf einer Internetseite kennen gelernt haben um sich gemeinsam zu killen.
Sie haben's nicht geschafft und kamen bei uns auf verschiedene Stationen.
Ich fand beide eigentlich relativ nett, der Mann war bei uns, die Frau kam ihn des Öfteren von der anderen Station besuchen, ich hab sie dann immer hin und her gebracht zwischen den Stationen, als sie noch keinen einzelausgang hatte, und hab mich daher mit ihr auch öfter mal unterhalten.
Bei uns auf der Station war die Regel, dass man nicht gmeinsam auf das Zimmer von Patienten dürfte (aus einleuchtenden gründen), die ich an sich auch für richtig befinde.
An einem Tag hab ich aber z.b. gesehen, dass beide auf das Zimmer auf unserer Station gegangen sind, war mir aber jetzt nicht sicher wie ich reagieren sollte.
Beide waren in einer Situation, in der um sie herum viele sehr kranke menschen waren, die auch sehr fordernd und störend waren, was gerade selbstmordgefährdete oder depressive menschen belasten kann, und sie konnten sich auch nicht allein draußen treffen, außerdem hatte ich ja für beide eine gewisse Sympathie.
Ich hab mich dafür entschieden, beide aufzufordern aus dem Zimmer rauszugehen, was sie dann auch direkt taten, mir aber ziemlich unangenehm war.
Im Endeffekt hatten die beiden also keine Möglichkeit, sich wirklich ungestört zu unterhalten, ohne, dass jemand zuhören konnte, da die Frau zwar einzelausgang hatte, der Mann aber noch nicht.
Eine Woche drauf war die Frau tot, da sie sich umgebracht hat auf ihrem Einzelausgang, ohne da jetzt auf Einzelheiten einzugehen.
Dann haben sich für mich einige Fragen eröffnet:
Punkt eins: Hätte es etwas geändert, wenn ich die beiden miteinander hätte reden lassen?
Möglicherweise hätte die Frau dann gezögert, wenn sie sich in Ruhe hätte mit ihm unterhalten können, vielleicht hätte er ihr das auch ausgeredet (sie war eher die treibende kraft, er hat sich an sie drangeheftet, und er lebt immernoch).
Möglicherweise hätte sie ihn aber auch überredet mitzumachen, und lediglich gewartet, bis er auch einzelausgang hat und sie hätten sich dann gemeinsam umgebracht.
Eigentlich hätte ich, hätte es diese Regelung nicht gegeben, nicht eingegriffen.
Die weitere Frage ist: Warum nicht?
Eigentlich heiße ich diese Regelung im Normalfall ja gut.
Hätte ich dann nicht nur wegen Sympathie und weil ich mich in die Situation von den beiden reinversetzen konnte gehandelt?
Wird Machtausübung von starrem Regelwerk korrumpiert, oder wird Machtausübung erst durch starres Regelwerk unabhängig von Willkür?
Einerseits sollte ich ja nicht gegen mein Gewissen und meine eigenen Vorstellungen handeln müssen, andererseits darf natürlich auch niemand bevorzugt werden nur weil irgendwer meint, eine Ausnahme machen zu können.
Als zweites Beispiel:
In diesem Fall geht es um eine Fixierungsaktion.
Hat eigentlich sehr simpel angefangen:
Es ist Regelung, dass auf der Station keine Handys benutzt werden dürfen.
Auch diese Regelung ist sehr sinnvoll, da man mit nem Telefon allerlei dummes zeug anstellen kann und das bei handies niemand kontrollieren kann.
Es wurden, bevor das eingeführt wurde, z.b. filme und Fotos und Patienten gemacht und dann in's Internet gestellt (von anderen Patienten), was natürlich nicht sein darf, da niemand wenn er schwer psychisch krank ist sich später im Internet wiederfinden will weil irgendwer anders das lustig fand.
Der entsprechende Patient war ein eher unangenehmer Zeitgenosse, jugendlich, typ hip hopper, relativ asozial, hat andere Patienten absichtlich geärgert wenn er konnte (geärgert ist nett ausgedrückt) und war auch allgemein sehr fordernd und oft beleidigend.
Bei chronischer psychischer Krankheit, gerade in jungen jahren, kann man natürlich nicht ausmachen, was zur Krankheit und was zum Charakter gehört, aber es war in diesem fall, anders als im ersten, keinesfalls eine Sympathie vorhanden oder die Möglichkeit, dass ich mich da in ihn reinversetze.
Er hat jedenfalls mit seinem Handy rumtelefoniert, andaduernd laute musik angemacht usw usf., und als ich ihm das erste mal sagte 'ich müsste ihnen das Handy eigentlich abnehmen' und es gut sein ließ, machte er 5 Minuten später einfach weiter.
Als ich es dann von ihm einforderte gab er es mir nicht und wurde ziemlich beleidigend.
Auch allerlei tricks halfen nichts, und ich war ziemlich frustriert.
Das ganze schaukelte sich so weit hoch, dass er auch gegenüber anderen Pflegern die ihm sagten er solle jetzt endlich das Handy rausgeben, ebenso reagierte und er kurz davor stand, fixiert zu werden (also auf das Bett gefesselt zu werden, plump ausgedrückt, da er auch anfing aggressiv zu werden), bis er letztendlich das Handy irgendwann rausgab und danach heulte.
Auch da habe ich mich gefragt, inwiefern ich jetzt richtig reagiert habe.
Nach den Regelungen war alles korrekt, ich war sogar, streng genommen, geduldiger als ich hätte sein müssen.
Aber wenn ich ehrlich bin war ich irgendwann so frustriert, dass ich unbedingt den Widerstand brechen wollte, eben auch, weil der entsprechende sich schon vorher an keinerlei Vereinbarungen hielt, aber immer sehr fordernd war und von einem Gott weiß was verlangte.
Ich frage mich also, ob ich nicht unterbewusst sogar die Situation so eskalieren lassen wollte.
Im nachhinein hätte ich auch anders reagieren können.
Mir war klar, dass er auf bockig stellen würde, und vermutlich hätte er nach dem zweiten mal als ich klargemacht hab, dass mir das ernst ist, auch wirklich das ding erstmal ausgelassen, aber dazu kam es dann ja nicht mehr.
Und ich wusste ganz genau wie das enden würde wenn sich das hochschaukelt.
Hab ich also in diesem Fall strukturelle Macht ausgenutzt um mein Bedürfnis zu befriedigen, obwohl ich an sich nicht falsch entsprechend der regeln gehandelt habe?
Und wenn bei beiden Beispielungen diese Schwierigkeit wirklich gegeben ist, wie soll man strukturelle Macht überhaupt umsetzen, wenn es schon im kleinen solche Probleme gibt?
Einerseits kann man sicherlich nicht einfach den entsprechenden Machthabern freie Hand geben, sodass sie nach ihrem gewissen entscheiden, weil das ganz offensichtlich zum Machtmissbrauch führen wird (so wie es beispielsweise früher in Psychiatrien auch war), andererseits kann natürlich auch jederzeit strukturelle macht, die von Statuten abhängt, missbraucht werden, wenn man nur fleißig genug darauf hinarbeitet, dass man gesetz a anwenden kann, außerdem ist diese macht oft verarmt in der differenzierungsmöglichkeit.
In manchen fällen muss also, wenn der Machthaber sich nicht dazu durchringen kann, ein Gesetz durchzusetzen das alte 'ich hab nichts gesehen' spiel gespielt werden.
Das kann ja aber nicht die letzte antwort sein auf eine perfekte Institutionalisierung und Legitimierung der Macht.
Darum die Frage:
Wie seht ihr das?
Seit ihr in Macht oder Ohmachtspositionen?
Wie geht ihr damit um?
Was würdet ihr an diesem Umgang verbessern wollen?
Ich hatte schon immer Probleme damit, mit Macht umzugehen.
Sowohl passiv, wenn ich der entmachtete bin, als auch aktiv, wenn ich derjeniege bin, der entscheidet.
Meistens begebe ich mich also in eine Haltung, in der ich mir nichts sagen lasse und gereizt darauf reagiere, wenn mir jemand etwas vorschreiben will, oder wenn ich mir Gereiztheit nicht leisten kann, zumindest die Situation schnellstmöglich verlasse und der Person jegliche Macht über mich nehme, soweit das geht, und zugleich versuche ich niemandem etwas aufzuzwingen.
Meinen ersten wirklich kontakt in der Ausübung struktureller Macht hatte ich allerdings in meinem Jahr in dem ich in der Psychiatrie gearbeitet hab.
Deswegen werde ich mich hier in dem ersten Post auch darauf beschränken, da ich wie gesagt sonst macht komplett ablehne, und dies eine der wenigen Situationen ist, in der ich in jedem falle macht ausüben musste, bzw. absolut in der Verantwortung stand.
Beispielsweise finde ich es sehr gefährlich, wenn es ein festes Regelwerk gibt nach dem man sich verhalten muss, und welches man umsetzen muss.
Als Beispiel:
Wir hatten mal ein selbstmordpärchen, also zwei Personen Anfang zwanzig, die sich auf einer Internetseite kennen gelernt haben um sich gemeinsam zu killen.
Sie haben's nicht geschafft und kamen bei uns auf verschiedene Stationen.
Ich fand beide eigentlich relativ nett, der Mann war bei uns, die Frau kam ihn des Öfteren von der anderen Station besuchen, ich hab sie dann immer hin und her gebracht zwischen den Stationen, als sie noch keinen einzelausgang hatte, und hab mich daher mit ihr auch öfter mal unterhalten.
Bei uns auf der Station war die Regel, dass man nicht gmeinsam auf das Zimmer von Patienten dürfte (aus einleuchtenden gründen), die ich an sich auch für richtig befinde.
An einem Tag hab ich aber z.b. gesehen, dass beide auf das Zimmer auf unserer Station gegangen sind, war mir aber jetzt nicht sicher wie ich reagieren sollte.
Beide waren in einer Situation, in der um sie herum viele sehr kranke menschen waren, die auch sehr fordernd und störend waren, was gerade selbstmordgefährdete oder depressive menschen belasten kann, und sie konnten sich auch nicht allein draußen treffen, außerdem hatte ich ja für beide eine gewisse Sympathie.
Ich hab mich dafür entschieden, beide aufzufordern aus dem Zimmer rauszugehen, was sie dann auch direkt taten, mir aber ziemlich unangenehm war.
Im Endeffekt hatten die beiden also keine Möglichkeit, sich wirklich ungestört zu unterhalten, ohne, dass jemand zuhören konnte, da die Frau zwar einzelausgang hatte, der Mann aber noch nicht.
Eine Woche drauf war die Frau tot, da sie sich umgebracht hat auf ihrem Einzelausgang, ohne da jetzt auf Einzelheiten einzugehen.
Dann haben sich für mich einige Fragen eröffnet:
Punkt eins: Hätte es etwas geändert, wenn ich die beiden miteinander hätte reden lassen?
Möglicherweise hätte die Frau dann gezögert, wenn sie sich in Ruhe hätte mit ihm unterhalten können, vielleicht hätte er ihr das auch ausgeredet (sie war eher die treibende kraft, er hat sich an sie drangeheftet, und er lebt immernoch).
Möglicherweise hätte sie ihn aber auch überredet mitzumachen, und lediglich gewartet, bis er auch einzelausgang hat und sie hätten sich dann gemeinsam umgebracht.
Eigentlich hätte ich, hätte es diese Regelung nicht gegeben, nicht eingegriffen.
Die weitere Frage ist: Warum nicht?
Eigentlich heiße ich diese Regelung im Normalfall ja gut.
Hätte ich dann nicht nur wegen Sympathie und weil ich mich in die Situation von den beiden reinversetzen konnte gehandelt?
Wird Machtausübung von starrem Regelwerk korrumpiert, oder wird Machtausübung erst durch starres Regelwerk unabhängig von Willkür?
Einerseits sollte ich ja nicht gegen mein Gewissen und meine eigenen Vorstellungen handeln müssen, andererseits darf natürlich auch niemand bevorzugt werden nur weil irgendwer meint, eine Ausnahme machen zu können.
Als zweites Beispiel:
In diesem Fall geht es um eine Fixierungsaktion.
Hat eigentlich sehr simpel angefangen:
Es ist Regelung, dass auf der Station keine Handys benutzt werden dürfen.
Auch diese Regelung ist sehr sinnvoll, da man mit nem Telefon allerlei dummes zeug anstellen kann und das bei handies niemand kontrollieren kann.
Es wurden, bevor das eingeführt wurde, z.b. filme und Fotos und Patienten gemacht und dann in's Internet gestellt (von anderen Patienten), was natürlich nicht sein darf, da niemand wenn er schwer psychisch krank ist sich später im Internet wiederfinden will weil irgendwer anders das lustig fand.
Der entsprechende Patient war ein eher unangenehmer Zeitgenosse, jugendlich, typ hip hopper, relativ asozial, hat andere Patienten absichtlich geärgert wenn er konnte (geärgert ist nett ausgedrückt) und war auch allgemein sehr fordernd und oft beleidigend.
Bei chronischer psychischer Krankheit, gerade in jungen jahren, kann man natürlich nicht ausmachen, was zur Krankheit und was zum Charakter gehört, aber es war in diesem fall, anders als im ersten, keinesfalls eine Sympathie vorhanden oder die Möglichkeit, dass ich mich da in ihn reinversetze.
Er hat jedenfalls mit seinem Handy rumtelefoniert, andaduernd laute musik angemacht usw usf., und als ich ihm das erste mal sagte 'ich müsste ihnen das Handy eigentlich abnehmen' und es gut sein ließ, machte er 5 Minuten später einfach weiter.
Als ich es dann von ihm einforderte gab er es mir nicht und wurde ziemlich beleidigend.
Auch allerlei tricks halfen nichts, und ich war ziemlich frustriert.
Das ganze schaukelte sich so weit hoch, dass er auch gegenüber anderen Pflegern die ihm sagten er solle jetzt endlich das Handy rausgeben, ebenso reagierte und er kurz davor stand, fixiert zu werden (also auf das Bett gefesselt zu werden, plump ausgedrückt, da er auch anfing aggressiv zu werden), bis er letztendlich das Handy irgendwann rausgab und danach heulte.
Auch da habe ich mich gefragt, inwiefern ich jetzt richtig reagiert habe.
Nach den Regelungen war alles korrekt, ich war sogar, streng genommen, geduldiger als ich hätte sein müssen.
Aber wenn ich ehrlich bin war ich irgendwann so frustriert, dass ich unbedingt den Widerstand brechen wollte, eben auch, weil der entsprechende sich schon vorher an keinerlei Vereinbarungen hielt, aber immer sehr fordernd war und von einem Gott weiß was verlangte.
Ich frage mich also, ob ich nicht unterbewusst sogar die Situation so eskalieren lassen wollte.
Im nachhinein hätte ich auch anders reagieren können.
Mir war klar, dass er auf bockig stellen würde, und vermutlich hätte er nach dem zweiten mal als ich klargemacht hab, dass mir das ernst ist, auch wirklich das ding erstmal ausgelassen, aber dazu kam es dann ja nicht mehr.
Und ich wusste ganz genau wie das enden würde wenn sich das hochschaukelt.
Hab ich also in diesem Fall strukturelle Macht ausgenutzt um mein Bedürfnis zu befriedigen, obwohl ich an sich nicht falsch entsprechend der regeln gehandelt habe?
Und wenn bei beiden Beispielungen diese Schwierigkeit wirklich gegeben ist, wie soll man strukturelle Macht überhaupt umsetzen, wenn es schon im kleinen solche Probleme gibt?
Einerseits kann man sicherlich nicht einfach den entsprechenden Machthabern freie Hand geben, sodass sie nach ihrem gewissen entscheiden, weil das ganz offensichtlich zum Machtmissbrauch führen wird (so wie es beispielsweise früher in Psychiatrien auch war), andererseits kann natürlich auch jederzeit strukturelle macht, die von Statuten abhängt, missbraucht werden, wenn man nur fleißig genug darauf hinarbeitet, dass man gesetz a anwenden kann, außerdem ist diese macht oft verarmt in der differenzierungsmöglichkeit.
In manchen fällen muss also, wenn der Machthaber sich nicht dazu durchringen kann, ein Gesetz durchzusetzen das alte 'ich hab nichts gesehen' spiel gespielt werden.
Das kann ja aber nicht die letzte antwort sein auf eine perfekte Institutionalisierung und Legitimierung der Macht.
Darum die Frage:
Wie seht ihr das?
Seit ihr in Macht oder Ohmachtspositionen?
Wie geht ihr damit um?
Was würdet ihr an diesem Umgang verbessern wollen?