Füchschen schrieb:Deshalb hält sie das Schreiben für authentisch, was bedeutet, dass es nicht ausgedacht worden ist vom Briefschreiber.
Und wie erklärst Du Dir dann, dass sie den anoymen Brief veröffentlichen und somit alle Infos, die der Schreiber zu sich, seinem Verwandten und dem von diesem verdächtigten Freund aufgeschrieben hat und in denen sich der Verdächtigte, vor dem der Verwandte immerhin so viel Angst hatte, dass er sich bewaffnete und Grundschulkinder für die Verteidigung von Haus, Frau und Kindern rekrutierte, ganz sicher wiedererkennen kann?!
Immerhin lebt die Ehefrau ja (angeblich) noch und die Sorge war ja, dass er es besonders auf diese abgesehen hat.
Würde die Polizei den Schreiber und die Witwe Deiner Meinung nach solchen Gefahren aussetzen?
Füchschen schrieb:Genau!
Und vielleicht dauert es deshalb in diesem Fall vielleicht etwas länger und wir müssen uns gedulden.
Du kannst davon ausgehen, dass das alles bereits vor der Veröffentlichung bei XY passiert ist. Die Polizei arbeitet sehr sorgfältig und gerade weil die Ressourcen begrenzt sind, wird so ein Brief natürlich erst auf Herz und Nieren geprüft, bevor man so einen Aufwand betreibt, wie es eine Vorstellung bei XY und eine Öffentlichkeitsfahndung bedeuten. Es ist zudem wichtig, dass die Polizei insgesamt in der Bevölkerung ernst genommen wird, als sorgfältig und gewissenhaft arbeitend wahrgenommen wird. Die stellen sich doch nichtn ins Fernsehn und wedeln mit dem Brief, wenn sie nicht vorher mit allen ihnen zur Verfühgung stehenden Mitteln versucht haben, herauszufinden, wer ihn geschrieben hat und ob am Inhalt was dran ist.
Lanza schrieb:Grillage schrieb:
Sorry, aber ich verstehe diesen Satz nicht. Was soll das heißen?
"bedürfte es"
Danke für die Erklärung. Der ganze Satz sollte also heißen:
"Aber letztendlich bedürfte es doch Profis da hinterzugehen."Ich denke, dass Du nicht sagen wolltest, dass man "Profis" benötigt, sondern "Spezialisten". Ein Profi ist das Gegenteil von einem Amateur, also jemand der etwas hauptberuflich ausübt im Gegensatz zu jemandem, der es nur als Hobby macht.
Aber wie kommst Du denn auf die Idee, dass die Polizei solche Spezialisten nicht hat? An jedem Landeskriminalamt gibt es forensiche Spezialabteilungen, in denen sehr gut ausgebildete Spezialisten arbeiten, die den lieben langen Tag nichts anderes machen, als genau ihrer Spezialaufgabe nachzugehen. Die haben also nicht nur eine entsprechende Ausbildung sondern in den Abteilungen kommen zusammengenommen auch immer jede Menge Jahre Berufserfahrung zusammen.
Das wird im Fernsehn in Krimis immer wieder vollkommen falsch dargestellt, wo der Rechtsmediziner, der die Obdduktion macht, dann den Komissaren immer gleich auch noch Infos dazu gibt, ob un oft auch wessen DNA an der Kleidung der Leiche gefunden wurde, welche Fasern er daran sichern konnte und welche Bestandteile und Pollen er in der Erdprobe, die an der Hose des Toten klebte, gefunden hat.
Das ist natürlich Quatsch, weil das kein Rechtsmediziner macht, sondern mehrer verschiedene Fachabteilungen im zuständigen Landeskriminalamt, in denen jeweils verschiedene Spezialisten für verschiedene Fragestellungen tätig sind.
Und genauso ist das bei der Analyse so eines Briefes. Neben der technischen forensichen Spurensicherung, die ihn ganz sicher auf Fingerabdrücke und DNA untersucht hat, wurde er sicher auch von Computerspezialisten analysiert, die festgestellt haben, mit welchem Drucker er gedruckt wurde, ob der Defekte hatte, welche Tinte und welches Papier verwendet wurde und außerdem von Spezialisten für sprachliche Besonderheiten.
Das läuft eben nicht so, wie im XY-Filmchen dargestellt, dass sich zwei Komissare in ihrem Brüo sich drüber unterhalten, ob sie subjektiv den Eindruck haben, ob "an dem Brief was dran sein könnte". Sondern er findet eine Spurenkoferenz statt, in der Vertreter der verschiedenen forensichen Diskziplinen festlegen, was an dem Brief untersucht wird, und in der auch gemeinsam dann die später die Ergebnisse besprochen werden.
Lanza schrieb:Und dem Potential des IT Ressourcen Einsatzes der Polizei
Und mit diesem Satz meintest Du dann, dass der ( = ein) IT'ler 6 Monate lang damit beschäftigt war, das Material in einem bestimmten Fall zu sichten.
Auch da ist es genau wie oben beschrieben: das sitzt nicht eine Person dran, sondern ein ganzes Team von Spezialisten und Zuarbeitern. Natürlich bedarf es in solchen Fällen auch einige Personen an "Fußvolk", also Menschen, die einfach nach einer Einweisung, worauf sie achten sollen, Unmengen an Material sichten und Auffälligkeiten dann an die Spezialisten zur Beurteilung melden. Aber gerade eine Suche im Netz nach Übereinstimmungen mit sprachlichen Auffälligkeiten, die vorher von einem Spezialisten für Texte und Sprache identifiziert wurden, läuft zum größten Teil automatisch durch programmierte Skripte ab. Da sitzt nicht einer vor dem Bildschirm und liest sich stundenlang durch abseitige Foren oder Facebook-Seiten. Das wäre viel zu zeit- und personalaufwendig, lückenhaft und fehleranfällig. Sondern Spezialprogramme crawlen durchs Internet und spucken Seiten, Texte oder Bilder aus, die den vorher definierten Parametern entsprechen.
Das funktioniert doch schon für Laien, wenn ich sehen will, wer mein Foto, das ich auf meiner privaten Homepage veröffentlicht habe, alles geklaut hat und verwendet. Die Polizei hat da noch mal um einen sehr deutlichen Faktor effektivere Suchprogramme und eben speziell geschulte Spezialisten zur Verfügung.
Rotkäppchen schrieb:Soweit ich weiß, werden für Cold Cases doch häufig Ermittler hinzugezogen, die bereits im Ruhestand sind, die diese Cold Case Einheiten dann bilden, da wahrscheinlich ansonsten die verfügbaren Ressourcen nicht reichen würden. Mir ist nicht klar, ob das überall und in diesem Fall auch so ist (bezüglich der pensionierten Ermittler), dennoch wurde im Film doch, so weit ich mich erinnere gesagt, dass eben solche Einheiten in Bonn(?) gebildet wurden.
Nein, das war eine Besonderheit in NRW bei der BAO Cold Cases. Dort wurden pensionierte Ermittler befristet wieder eingestellt. Sie hatten die Aufgabe, alle Cold Cases (ab einem gewissen Deliktlevel, also keine Ladendiebstähle etc.) des Landes zu sichten und daraufhin zu kategorisieren, ob sie eine Möglichkeit sehen, dass sich mit modernen forensichen Methoden neue Ermittlungsansätze finden lassen. Zu den Kriterien gehörte z.B. ob es noch Asservate gibt und mit welchen Methoden die schon untersucht wurden bzw. welche Methoden, die es früher noch nicht gab, heute vielleicht neue Erkenntnisse liefern könnten. Aber auch, wie wahrscheinlich es ist, dass der Täter überhaupt noch lebt und ob die Akten noch in einem gebrauchsfähigen Zustand sind.
Die Fälle, die so als "vielversprechend" identifiziert wurden, wurden dann durch die BAO digitalisiert und dann an die zuständigen Komissariate bei den verschiedenen Polizeipräsidien übermittelt, mit Hinweisen, wo sich neue Ansätze ergeben konnten.
Diese "Rentner-Cops" haben also vor allem Verwaltungsarbeit als Vorarbeit im Sinne von Sichten, Ordnen, Kategorisieren und Digitalisieren geleistet und die zuständigen Kommissariate teilweise noch beraten, wenn Rückfragen kamen, aber nicht selber ermittelt.
Quelle:
https://lka.polizei.nrw/artikel/erfolgreiche-tatklaerungen-und-fortschritte-bei-der-bao-cold-cases