Rotkäppchen schrieb:Was die "Authentizität" des Briefes angeht:
Ich wette, das viele True-Crime-Freaks hier in der Lage wären, all diese Fakten, die im Brief genannt werden, zu ermitteln und eine Story drum herum zu erfinden.
Was ist denn deckungsgleich mit den Ermittlungen?
Ablageort etc? - Recherchierbar.
Der Autotyp? Ist nichtmals 100% sicher und so weit nichtmals deckungsgleich mit den Angaben des/der Zeugen.
Wohnort des Beschuldigten? Schwammige Angabe und nicht belegbar, da es keinen TV gibt.
Manipulierte oder defekte Autotür? Sehr gut möglich, aber nicht belegbar.
Nachdem ich nach der Veröffentlichung des kompletten Briefes jetzt dessen Inhalt kenne, muss ich sagen, dass ich fast sicher bin, dass die Polizei bzw. die Komissare im Studio diese Aussagen nur gewählt haben, um den Briefeschreiber zu ermutigen, sich zu melden. Sie konnten nicht 100% sicher sein, ob der Briefeschreiber ehrlich ist und die imBrief geschriebene Geschichte stimmt oder ob das ganze ein Fake ist (aus welcher Motivation heraus aus immer).
Sie sind einfach bestmöglich auf die im Brief genannten Bedenken des Schreibers eingegangen, der ja schrieb, der Grund, warum er keinen Namen nenne und damit auch begründete (zumindest irgendwie indirekt), warum er selbst zunächst anonym bleiben wolle, sei, dass er bedenken habe, jemanden zu Unrecht zu beschuldigen und damit in Schwierigkeiten zu bringen. Deshalb hat man sich bemüht, den Schreiber zu ermutigen und zu bestätigen, in dem man gesagt hat, dass sich der Briefinhalt mit den (nicht öffentlichen) Ermittlungserkenntnissen in Einklang bringen lässt. Ehrlicher wäre wohl gewesen zu sagen: "Es steht nichts im Brief, was unseren Ermittlungen widerspricht.", aber das wäre eben nicht so bestätigend gewesen.
Hätte es der Briefeschreiber ernst gemeint und wären die geäußerten Bedenken tatsächlich der Beweggrund gewesen, nicht Roß und Reiter zu nennen, hätte man annehmen können, dass man diese so vielleicht ausräumen kann.
Wenn man sich aber jetzt den Inhalt des Briefes anschaut, muss man aber ehrlich sagen, dass die Ermittlungsergebnisse natürlich nicht im Widerspruch zum Briefeinhalt stehen, weil im Brief ja nun so gut wie nichts spezifisches benannt ist. Ja, die darin enthaltenen wenigen konkreten Infos zum Fall darin hätte sich jeder halbwegs talentierte TruCrime-Nerd wahrscheinlich im Internet und notfalls in Archiven (wozu wahrscheinlich ein Bibliotheksausweis eine Bibliothek im Großraum Köln Bonn ausreicht) zusammensuchen und dann drumherum eine nette Geschichte wie aus einem Kriminalroman stricken können.
Aber das konnten die Komissare ja schlecht im Stuido erklären: "Hören Sie, Herr/Frau Briefeschreiber, das Wischiwaschi was Sie da zusammenfaseln kann sich jeder ausgedacht haben. Wir wissen echt nicht, ob wir Ihnen die Story abkaufen sollen. Bevor wir Sie ernstnehmen müssen Sie uns schon mal ein bisschen konkrtere Infos geben, dann überlegen wir uns, ob wir da nochmal in diese Richtun ermitteln wollen!"
Ein ehrlicher Briefeschreiber, der eine wahre Geschichte berichtet hätte sich daraufhin bestimmt nicht gemeldet. Und ein unehrlicher, der der Polizei einenBären aufbinden wollte wahrscheinlich auch nicht (höchstens mit einen neuen Anlauf und dem Versuch, den Bären noch ein bisschen größer aufzublasen....).
Insofern hat die Polizei das einzig sinnvolle und logische gesagt, was man sagen konnte, wenn man irgendeine Restchance sieht, dass der Brief authentisch ist und man darin einen sinnvollen Ermittlungsansatz sieht. Deshalb darf man die Worte, die da gewählt wurden, aber auch nicht für bare Münze nehmen. Man muss sehen, was die Polizei erreichen wollte (nämlich dass ein ehrlicher Briefeschreiber, wenn es ihn gibt, motiviert wird, sich wieder zu melden). Mehr kann man daraus meiner Meinung nach nicht ablesen.
brigittsche schrieb:Ich denke, dass hier einige User nicht so genau auf die Begrifflichkeiten schauen: So wie "es deckt sich mit den Ermittlungen" eben nicht heißt, dass in dem Brief Täterwissen enthalten ist. Sondern es heißt erst einmal nur, dass da nicht eine Geschichte erzählt wird, die mit den Fakten in diesem Fall gar nichts zu tun hat.
Und wie gesagt, die präzisere Formulieren wäre wahrscheinlich gewesen: "Der Inhalt des Briefes steht nicht im Widerspruch zu unseren Ermittlungsergebnissen." Aber Ziel der Aussage war es nicht, die breite Öffentlichkeit möglichst präzise darüber zu informieren, was die Polizei wirklich über den Briefeinhalt und den Briefeschreiber denkt, sondern die im Brief genannten Bedenken des Schreibers zu entkräften. Deshalb wurde die Formuliereng ganz bewusst genauso gewählt.
sallomaeander schrieb:Es wurde ja bereits in hier diskutierten Fällen bekannt, dass sich die Polizei auch mit solchen Eingaben befasst - nicht etwa, weil die Polizei an Paranormales glauben würde, sondern weil sie im Einzelfall nicht ausschließen kann, dass derartige Aussagen, zumindest teilweise, auch auf Fakten beruhen, die demjenigen, ganz gewöhnlich, bekannt geworden sind.
Eben. Ein Zeuge, der tatsächlich etwas gesehen, gehört oder erfahren hat, und z.B. nicht preisgeben will, woher er die Infos hat, könnte sich ja theoretische als paranomales Medium ausgeben und sagen, der Geist des ermordeten habe zu ihm gesprochen und ihm mitgeteilt, die Leiche liege am Punkt XY vergraben. Es gibt halt nicht nur wahr oder gelogen, sondern auch halbgelogen oder halbwahr.
Und genauso kann es auch mit dem Brief sein. Von einem Scherzbold, der die Polizei verar....will bis hin zum Täter, der rausfinden will, ob sie DNA haben, kann alles und jeder dahinterstecken. Die Story kann teilweise wahr sein, z.B. nur die geschilderte Personenkonstellation kann nicht stimmen, d.h. es ist kein Verwandter gestorben, sondern diese Person schreibt selber, oder die Ehefrau des verstorbenen hat den Brief geschrieben, etc. etc.
Hinzu kommt noch, dass die Briefestory natürlich auch irgendwie eine interessante Geschichte ist, die für die Presse und die Zuschauer von XY und die Leser der Presse sehr viel aufmerksamkeitserzeugender ist, als wenn man einfach sagt, dass man die Ermittlungen in dem Fall wieder aufgenommen hat. Es ist damit nicht einfach eine 40 Jahre alte Story ohne Auflösung, sondern bekommt einen aktuellen Bezug mit mysteriösem Beigeschmack. Ich denke, das so etwas auch bei der Aktenzeichen_Redaktion ein ausschlaggebender Punkt sein kann, wenn entschieden wird, ob ein Fall in die Sendung kommt oder nicht.
Füchschen schrieb:Die Ermittler wollen schließlich den Briefschreiber nicht gefährden.
Genau das tun sie aber, in dem sie den Brief vollständig veröffentlichen. Jedenfalls wenn man annimmt, dass die darin beschriebene Geschichte wahr ist und dass der Verwandter nicht mnaßlos überreagiert hat. Denk einfach mal drüber nach, was man also aus der Veröffentlichung des Briefes über die Einschätzung der Kripo über die Authentizität des Briefes ablesen kann.
Und dann überdenke Dein letzes Geschreibsel vor dem Ergebnis dieser Überlegung noch mal.