@MR_IöSMR_IöS schrieb:hehe, hier muß ich doch einmal schmunzeln.. wenn du wüsstest, welchen akademischen hintergrund ich hätte, würdest du vermutlich laut loslachen, weil du mir ja jegliche fähigkeit zur empathie und - noch besser - jegliche kenntnis von vernehmungspsychologie absprichst.
Ich kann hier nun leider nicht auf theoretisch vorhandene akademische Hintergründe reagieren, sondern nur auf das, was geschrieben wird. Und da halte ich meine Antwort auf Deinen Beitrag nach wie vor für in jeder Hinsicht gerechtfertigt.
MR_IöS schrieb:du hast vermutlich in dem buch (das im übrigen ein standartwerk zum themenbereich darstellt u. mir dementsprechend auch geläufig ist) überlesen, welche schwierigkeiten es bei zeugenaussagen und deren bewertung gibt.
Das habe ich nicht. Diese Schwierigkeiten sind mir wohl bekannt, ich hatte mit ihnen auch schon in der Praxis zu kämpfen. Diese Schwierigkeiten sind aber allen Personen, die in Zeugen- und Vernehmungspsychologie geschult sind, bekannt, auch den Ermittlern im Fall Nelli Graf. Wenn also drei der wesentlichen Ermittler trotz dieser ihnen bekannten Schwierigkeiten sich hinstellen und sagen: die Zeugin ist glaubwürdig, dann ist davon auszugehen, dass das auch so ist.
MR_IöS schrieb:und in meinem knappen beitrag hast du offenbar mißverstanden, dass ich mit den von dir zitierten formulierungen den common sense im psychologischen sinne meine. da du ja suggerierst, etwas von psychologie zu verstehen, brauche ich an dieser stelle ja sicherlich nicht weiter ausführen, was das ist und wozu das in der kommunikation dient.
Ich verstehe etwas von Zeugen- und Vernehmungspsychologie, weil ich mich damit im Rahmen des Referendariats und meiner Zeit bei der StA sowie jetzt wieder in diversen Fortbildungen immer wieder in Theorie und fast täglicher Praxis damit beschäftigt habe und beschäftige. Wenn ich Dich jetzt richtig verstehe (
;) ) beziehst Du Dich auf einen Begriff, den ich persönlich aus der Luhmann'schen Kommunikationstheorie kenne. Wie auch immer Du das gemeint hast, meine Kritik an diesen spezifischen Äußerungen und Wertungen ist damit jedenfalls nicht entkräftet.
MR_IöS schrieb:als letztes hast du offenbar auch meinen letzten absatz komplett überlesen. du verwechselst da offenbar aussagen von mir und anderen usern hier.
Ich wüsste nicht wieso. Dein letzter Absatz:
MR_IöS schrieb:es gibt ja immer wieder das phänomen, dass menschen sich aus gewissen ereignisbausteinen ein eigenes szenario konstruieren. wenn die zeugin also regelmäßig frau graf sah, könnte es gut sein, dass sie diese erinnerten beobachtungen mit den schilderungen in der presse verquickt.. eventuell aus versehen oder auch (teilweise) bewusst, um den eigenen geltungsdrang zu befriedigen...
und nicht zu vergessen: es gibt auch kriminalbeamte, die suggestiv fragen. geschulte zeugenvernehmer der kripo begehen diesen fehler i.d.r. nicht, aber wenn evtl. hundertschaften auch zu anwohnerbefragungen eingesetzt wurden, könnte so etwas natürlich mal vorkommen.. aber hier bin ich nun endgültig im bereich der spekulationen angekommen...
Meine Antwort:
Es ist natürlich richtig, dass sich Personen auch aus "Ereignisbausteinen" ein eigenes Szenario bauen können. Das erscheint mir bei dem konkreten Fall aber schon im vorigen Beitrag aus den angegebenen Gründen eben nicht plausibel. Was die "Hundertschaft" angeht: Entsprechend dem zitierten Artikel führte wohl Kriminalhauptkommissar Ulrich Gargosch das Gespräch mit der Zeugin.
Ich sehe da jetzt nicht, wo meine Antwort Deine Aussagen nicht berücksichtigt hätte. Jene bezieht sich doch recht deutlich auf Deine Behauptungen und Spekulationen.
MR_IöS schrieb:was ich kurios finde: du monierst richterweise, man solle nicht von sich auf andere schliessen (das ist völlig richtig). gleichzeitig scheinst du der völlig falschen annahme zu unterliegen, die ermittler seien quasi unfehlbar, bzw. sie wüssten immer, was sie tun:
Das habe ich an keiner Stelle behauptet. Bitte lies die von Dir zitierte Stelle doch genau:
MR_IöS schrieb:Mir musst Du nicht sagen, dass die Ermittler schon wissen, was sie tun. Ich gehe davon aus, dass das grundsätzlich so ist.
Ich habe "grundsätzlich" geschrieben, was Deinem i.d.R. entspricht. Selbstverständlich können Ermittler Fehler begehen. Das sind auch nur Menschen. Natürlich ist es auch theoretisch möglich, dass das bei dieser Zeugin der Fall gewesen ist. Die Frage ist immer: Wie wahrscheinlich ist das. Und im konkreten Fall halte ich es für sehr unwahrscheinlich - nicht nur aber auch - aus den von der Polizei angegebenen Gründen und weiteren, die ich hier schon mehrfach ausgeführt habe.
MR_IöS schrieb:da muß ich doch mal glatt fragen: hast du das von dir empfohlene buch wirklich KOMPLETT gelesen? und kennst du den state of the art zum themenkomplex psychiatrischer gutachten?
Selbstverständlich habe ich das Buch komplett gelesen. Dazu war ich dienstlich schon verpflichtet. Und auch der "state of the art" zum Thema psychiatrische Gutachter ist mir bekannt.
MR_IöS schrieb:dann kann ich absolut nicht nachvollziehen, wie du zu der überzeugung gelangen kannst, dass ermittler in vernehmungssituationen keine fehler begehen?
Das habe ich ja auch an keiner Stelle behauptet. Ich gehe nur - so wie Du - davon aus, dass eine Person grundsätzlich (= in der Regel) ihren Job, für den sie ausgebildet wurde, auch beherrscht. Und ich kann auch anhand der angegebenen Informationen nachvollziehen, warum gleich drei hochrangige Ermittler die Zeugin als glaubwürdig einstufen.
MR_IöS schrieb:damit will ich NICHT sagen, dass es in diesem fall so ist.
wenn sich die ermittler derart sicher sind, dass die zeugin die wahrheit sagt, dann werden sie anhaltspunkte dafür haben (die wir vermutlich auch nicht alle kennen).
Genau das habe ich in meinen letzten sechs Beiträgen dargestellt. Insofern stimme ich Dir da vollkommen zu.
@meerminmeermin schrieb:Ich bin keine Kriminologin und habe zugegebenermassen auch keine Ahnung von Kriminalpsychologie, aber braucht man die wenn es darum geht ob ein Gargagentore vom Opfer verschlossen wurde oder nicht? Die Psychologie des Garagentores muss wohl noch geschrieben werden.
Von einem Garagentor habe ich nichts geschrieben. Aber auch rein gar nichts. Mir geht es allein um folgendes:
Es wird immer wieder behauptet, dass Nelli Graf doch auf dem Nachhauseweg oder aus dem eigenen Haus hätte entführt werden können. Und das - auch wenn es denn theoretisch möglich ist - ist eben überhaupt nicht plausibel aufgrund der bekannten Fakten, die da wären:
1. Entführung auf dem Nachhauseweg
* enorm hohes Entdeckungrisiko beim Abgreifen von der Straße mitten in der Stadt
* Nelli Grafs Mantel muss in die Wohnung gebracht werden, weil er dort gefunden wurde
* Nelli Grafs Handtasche muss in die Wohnung gebracht werden
* Nelli Graf muss eine andere Jacke angezigen werden, die sich dort in dem Haus befand
* Nelli Grafs Fahrrad muss in das Auto verladen oder von dort weggeradelt werden
* was alles wiederum Zeit kostet und das Entdeckungsrisiko nochmals enorm erhöht
* ganz zu schweigen von der Auffälligkeit des Fahrradtransports
* und es ergibt schließlich überhaupt keinen Sinn
2. Entführung von Zuhause
* immer noch höheres Entdeckungsrisiko als beim Abgreifen im Wald
* Nelli Grafs Fahrrad muss in das Auto verladen oder von dort weggeradelt werden
* was wiederum Zeit kostet und das Entdeckungsrisiko nochmals enorm erhöht
* ganz zu schweigen von der Auffälligkeit des Fahrradtransports
* es ergibt keinen Sinn
* im Haus gibt es
- überhaupt keine Anhaltspunkte (nicht nur "keine", sondern "überhaupt keine")
- zu einem Geschehen (ganz allgemein und im Gegensatz zur Auseinandersetzung, also auch ein Treffen mit sonst einer Person ober überhaupt sonst ein Ereignis irgendwelcher Art), was in Zusammenhang mit dem Verschwinden stehen könnte
- weder Spuren
- noch sonst irgendwelche Indizien oder Hinweise (nicht nur "sonst" sondern "sonst irgendwelche"), was alle erdenklichen Ansätze umfasst
* und schließlich gibt es eben eine glaubwürdige Zeugin die Nelli Graf kurz nach 12.00 Uhr auf dem Fahrrad hat in die Pestalozzistr. abbiegen sehen
@WillyWilly schrieb:Eine Zeugin die sich 5 Monate nicht meldet, angeblich Fr.Graf pers.kannte und das Fahrrad sehr detailliert beschreiben konnte halte ich für suspect.Wahrscheinlich kannte sie das Fahrrad noch besser als die eigene Familie die zeitnah noch nicht mal das Modell kannte.Wer soll das denn glauben ?
Ihr dürfte doch spätesten am Dienstag als die Presse über den Fund des Fahrrades und über den Fall mit Namen berichtete genau gewusst haben um wen es sich handelt.
Einfach nicht nachvollziehbar.
Gut, wenn es für Dich nicht nachvollziehbar ist, kann ich das nicht ändern. Ich habe die Gründe dargelegt, warum ich es ganz allgemein für nachvollziehbar halte und an meiner Haltung diesbezüglich wird sich auch erst etwas ändern, wenn den Ermittlern hier tatsächlich nachweislich ein schwerer Fehler bei der Bewertung der Glaubwürdigkeit der Zeugin unterlaufen ist, was ich im Moment für höchst unwahrscheinlich halte und daher auch nicht weiter in meinen Überlegungen berücksichtigen werde.
Willy schrieb:Es scheint dir auch entgangen zu sein das keiner der spez.ausgebildeten Hunde Spuren von N.G.im Unterholz und in der Hochhowe gefunden wurde.Also kann man ausschliessen das N.G.das Fahrrad dort benutzt oder geführt hat,und von einem Fremden dort abgelegt wurde .
Das ist so völlig unzutreffend. Hunde wurden dort erst am 17.10. eingesetzt. Die Hautschuppen halten sich aber grundsätzlich nicht so lange, wenn sie dort schon am 14.10. war. Tatsächlich ist der Einsatz von Personenspürhunden keine klare und eindeutige Sache. Hier ist ein kritischer Artikel aus dem Spiegel zu dem Thema:
http://www.spiegel.de/spiegel/a-561517.html (Archiv-Version vom 15.06.2013)Ferner benötigen Spürhunde einen sicheren Identifikationsgegenstand, der ausschließlich von der zu suchenden Person berührt und benutzt wurde. Ich kann den Presseartikeln zu der Suche nicht entnehmen, dass das bei den Hunden der Fall war. Soweit ich das verstehe, hat man hier die Hunde nur allgemein nach Personen - oder vermutlich eher Leichen - suchen lassen. Dann waren die Hunde aber auch gar nicht in der Lage festzustellen, ob Nelli Graf vor Ort war oder nicht. Von Mantrailern ist in den mir bekannten Artikeln nicht die Rede. Das hat
@goadude Dir auch schon vor unzähligen Seiten erklärt:
Beitrag von goadude (Seite 632)Beitrag von goadude (Seite 632)Hier ein Artikel der die eingesetzten Hunde als
Leichenspürhunde beschreibt:
http://www.haller-kreisblatt.de/hk-templates/nachrichtendetails/datum/2011/10/20/nelli-graf-bleibt-verschwunden/ Wenn Du also andere Informationen hast, nenne uns doch Deine Quelle. Ein entsprechender Link wäre hilfreich.
Dein Schluss basiert also auf nicht erwiesenen Fakten und ist daher unbrauchbar.
Willy schrieb:Das eine Verwandte sich nicht meldet die N.G.mit oder ohne Mantel im Sprechzimmer kontaktiert hat ist für mich schon wichtig.
Wieso gehst du davon aus, dass sich die Cousine nicht gemeldet hat? Den mir bekannten Artikeln ist das nicht zu entnehmen. Dort wird von Interviews mit der Cousine berichtet.
Willy schrieb:Da das für dich nicht relevant ist zeugt nicht gerade von Kenntnis von polizeilichen Ermittlungsarbeit.
Nochmal: Wo steht, dass sich die Cousine nicht gemeldet hat? Im Übrigen: Meine Kenntnisse polizeilicher Ermittlungsarbeit stammen aus meiner Zeit bei der StA und sind hinreichend gut.
Willy schrieb:Den Ermittlern sollte es schon wichtig gewesen sein was sie zuletzt getragen hat und was ev.zu Hause wieder aufgetaucht wäre.z.B.hätte man ein akt.Fahnungsbild erstellen können aber für dich nicht erkennbar ?
Im konkreten Fall war den Ermittlern leider völlig unbekannt, was sie zuletzt getragen hat. Denn dieses wesentliche Kleidungsstück - der karierte Mantel - hing im Kleiderschrank. Dass sie dieses Kleidungsstück durchweg an diesem Vormittag anhatte ergibt sich nicht nur aus dem Sparkassenfoto, sondern auch aus den Aussagen der Zeugen in der Apotheke:
Zeugen in Apotheke
In der Apotheke am Haller Bahnhof löste Nelli Graf am 14. Oktober um kurz nach 11 Uhr ein Rezept ein, bevor sie wieder nach Hause fuhr. Hier trug sie noch einen Mantel, [...]
Entsprechende konnte die Polizei in der Vermisstenanzeige auch keine Kleidungsbeschreibung herausgeben und war auf Mutmaßungen angewiesen (Lidl-Weste).
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