Da ja sowohl bei Ulvi K. als auch beim jetzigen Tatverdächtigen die Vorwürfe laut werden, die Ermittler bedien(t)en sich da der hinterlistigen und diabolischen Reid-Methode, hier mal einige Ergänzungen zu meinem Beitrag vom 02.10:
Beitrag von margaretha (Seite 4.544) Sorry, wird länger
margaretha schrieb am 02.10.2019:Die von ihm entwickelte Reid-Methode entstand aus der Arbeit mit den Polygraphen. Reid arbeitete in den 30iger Jahren mit Dr. Leonarde Keeler dem Erfinder des modernen Lügendedektorgerätes zusammen und leitete als Nachfolger von Keeler das Polygraphenlabor des Northwestern University’s Scientific Crime Detection Laboratory.
Keeler war war die Miterfinder des Polygraphen, um die brutalen Verhörmethoden und die unter Folter erzwungenen Geständnisse der Polizei zu beenden. 1925 hatte er den Lügendedektor zum Patent angemeldet und 1931 das Patent darauf erhalten. Ab 1930 arbeitete er im o. g. Labor, das er von 1936 -nach anderen Quellen unmittelbar nach seiner Einstellung – bis 1938 leitete. 1938 wurde das Labor vom Chicago Police Department übernommen und der Polizist John E. Reid wurde der Nachfolger von Dr. Keeler.
Reid erkannte den potenziellen Wert von Aussagen über Wahrheit oder Lügen, die ausschließlich auf den Aufzeichnung physiologischer Veränderungen bei einem Verdächtigen beruhen.
Nachdem er mit verschiedenen Fragetechniken experimentiert und die Anwendung mit dem Lügendetektor verbessert hat, entwickelte er entwickelte er das, was man die größte Einzelverbesserung in der Polygraphentechnik nannte - die Kontrollfragetechnik*. Ebenfalls erkannte er wie wichtig es ist, Atmungsaufzeichnungen sowohl aus dem Brust- als auch aus dem Bauchbereich zu erhalten, und ließ ein Gerät patentieren, mit dem Verdächtige, die versuchten, den Polygraphen zu überlisten, zu kontrollieren und unbeobachtete Muskelbewegungen festzustellen. 1945 entwickelte Reid den Reid Polygraph. Dieser neue Polygraph zeichnete auch die Muskelaktivität in den Unterarmen, Oberschenkeln und Füßen auf. Der Reid Polygraph war das erste Instrument, das einen Bewegungssensor verwendete, um die Bewegung des Probanden während der Untersuchung zu erfassen. (* Kontrollfragetechnik = heute das zur Reid-Methode gehörende Benehmens-Analyse-Interview (BAI))
Die Reid-Methode kann in drei Phasen unterteilt werden
Phase I: Benehmens-Analyse-Interview (BAI) / Fact Analysis, followed by the Behavior Analysis Interview Hier geht es noch nicht um den Tatvorwurf. In einem ca. 30 minütigem nicht anklagendem Vorgespräch will der Vernehmende in Erfahrung bringen wie sich der Verdächtige in einem ganz normalen Gespräch verhält. Das Verhalten (körperliche und psychische Reaktionen) des Verdächtigen dient mit als Grundlage für die weitere Vernehmung nach Reid. Im Anschluß daran erfolgen Stress erzeugende Fragen, da man im gesamten BAI mittels eines standardisierten Fragenkatalogs versucht auffällige körperliche und psychische Reaktionen des Verdächtigen durch harmlose und sogenannte verhaltensprovozierende Fragen zu provozieren um die „Nullinie“ des Tatverdächtigen herauszufinden.
Beispiele für Fragen:
- Haben Sie das Opfer jemals geküsst/mit ihm verkehrt?
- „Wer könnte Sie vom Verdacht dieses Delikt befangen zu haben ausschließen?“
- „Wie fühlen Sie sich wenn Sie in dieser Angelegenheit befragt werden?“
Das dabei registrierte Verhalten ist laut Reid bezüglich Auftreten, Einstellung, verbalen und nonverbalen Verhaltens von wahrheitsgemäß aussagenden und lügenden Verdächtigen kategorisiert**, so dass anhand dieser Kriterien der Verdächtige eingeschätzt werden soll, das Basisverhalten ist aus dem „nicht anklagendem“ Beginn des Vorgesprächs bekannt. Im Anschluß an das BAI wird das Verhalten des Tatverdächtigen mit einer 2. Ermittlungsperson analysiert und entschieden ob der Verdächtige als Beschuldigter eingestuft wird. Erst dann wird in Phase zwei übergegangen bzw. der Verdacht zunächst verworfen . Nach den Verfahrensrichtlinien sollten Personen nur dann vernommen werden, wenn die aus dem Interview und den Ermittlungen gewonnenen Informationen darauf hindeuten, dass der Verdächtige an der Begehung der Straftat beteiligt ist.
Phase II: Die Vernehmung / Reid Nine Steps of Interrogation Bei der Reid-Technik handelt es sich bei der Vernehmung um einen Vorwurf, bei dem der Ermittler dem Verdächtigen mitteilt, dass die Ergebnisse der Ermittlungen eindeutig darauf hindeuten, dass er das fragliche Verbrechen begangen hat. Die Befragung erfolgt in Form eines Monologs des Ermittlers und nicht als Frage-Antwort-Format. Das Verhalten des Ermittlers während eines Verhörs ist idealerweise verständnisvoll, geduldig und nicht erniedrigend. Das Ziel des Anwenders der Reid-Technik ist es, den Verdächtigen allmählich in die Lage zu versetzen, die Wahrheit zu sagen. Dies wird erreicht, indem der Ermittler dem Verdächtigen zunächst verschiedene psychologische Konstrukte vorstellt und diese dann als Rechtfertigung für sein Verhalten anbietet .
Die Vernehmung verläuft in in neun Stufen. Im Gegensatz zum nicht anklagenden Interview wird der Verdächtige in dieser Phase auch als solcher behandelt. Der Vernehmende wird eher Phrasen wie „Es besteht absolut kein Zweifel das Sie die Tat begangen haben“ verwenden als „Ich glaube, daß Sie etwas mit der Tat zu tun haben (könnten)“!
1.) Dominante Eröffnung des Tatvorwurfs / direct positive confrontationauch mit der Behauptung es würden belastende (forensische) Beweise und Zeugenaussagen vorliegen
2.) Themenbildung / theme developmentdem Vernommen werden Rechtfertigungen angeboten, ihm wird Gelegenheit gegeben die Tat zu entschuldigen oder zu rechtfertigen (z. B. Es war ein Unfall oder Ich wurde provotiert, etc.)- - - - - - (der Ermittler hält einen etwa zehnminütigen Monolog, in dem die Tat und ihre Begehungsweise gerechtfertigt werden; beispielsweise dadurch, dass einem Vergewaltigungsopfer die Schuld für die Vergewaltigung gegeben wird, weil sie aufreizende Kleidung getragen und „es gewollt habe“)
3.) Umgang mit der Leunung / handling denialsDer Verdächtige soll davon abgehalten werden, seine Schuld zu leugnen. Die Theorie dahinter: Je häufiger der Verdächtige sagt: "Ich war es nicht!", desto mehr verfestigt sich sein Widerstand, und desto schwieriger ist es, ein Geständnis zu erlangen. - - - - - - Das Reid-Handbuch behauptet, dass sich in dieser Phase unschuldige Personen daran erkennen ließen, dass sie sich weigern würden, an der Vernehmung weiter teilzunehmen und vehement auf ihre Darstellung beharren. Schuldige Personen hingegen würden lediglich höflich darum bitten, dass ihnen das Wort erteilt werde.
4.) Überwältigung der Einsprüche / overcoming objectionsDer Verdächtige wird leugnen, der Verhörende soll nun so tun als habe er ohnehin damit gerechnet und den Widerstand des Vernommenen brechen, indem er ihn immer wieder in Richtung Geständnis bringt.
5.)Wiederherstellung der Aufmerksamkeit / procurement and retention of the suspect's attention-In dieser Phase wird der Verdächtige sich innerlich „abkapseln“ und über die Folgen eines Geständnisses nachdenken, dies soll verhindert werden indem der Vernehmende stetig die Aufmerksamkeit auf sich lenkt (z. B. durch kurze Berührungen oder Verringerung der körperl. Distanz)
6.) Handhabung passiver Einstellung / handling the suspect's passive moodPhase des gebrochenen Widerstands beim Tatverdächtigen (nach Reid Anzeichen einer besiegten Körperhaltung) und kurz Zeit für den „guten Cop“. Der Vernehmer soll nun Alternativen anbieten. Falls der Verdächtige weint, soll daraus ein Schuldeingeständnis abgeleitet werden.
7.) Präsentation der alternativen Frage / presenting an alternative questionZwei Alternativen zu Tatabläufen sollen angeboten werden. Der Beamte stellt dem Vernommenen eine Frage, bei der er zwei Antwortalternativen vorgibt. Beide Antworten räumen den Tatvorwurf ein, die eine Antwort allerdings mit einer weniger akzeptablen Begründung, die andere mit einer scheinbar entlastenden, moralisch besser vertretbaren Begründung. Fällt der Vernommene auf die Finte herein und wählt die moralisch vertretbare Begründung, war die Reid-Methode erfolgreich. - - - - - Die „Antwortalternative“ soll möglichst moralisch so verwerflich dargestellt werden, dass die Beschuldigten sich quasi automatisch für die scheinbar akzeptable Begründung für ihre (vermeintliche) Tat entscheiden. Dabei werden die VernehmerInnen in den Reid-Trainings dazu angehalten, keine andere Art der Antwort durch die Beschuldigten zu akzeptieren und darauf zu bestehen, dass die Beschuldigten sich für eine der beiden vorgegebenen Antworten entscheiden.
8.) Das mündliche Geständnis / having the suspect relate details of the offenseJetzt hat der - nun bereits geständige Vernommene - zum ersten Mal die Möglichkeit, den Tatablauf aus seiner Sicht zu schildern.
9.) Erneute Vernehmung / converting an oral confession into a written confessionUmwandlung eines mündlichen Geständnisses in ein schriftliches Geständni
Phase 3: Niederschrift siehe auch Stufe 9 der Vernehmung
eine erneute Wiederholung des Geständnisses vor Zeugen und Unterzeichnung des Tatverdächtigen
Die Methode ist freilich krass und birgt das Risiko einer Falschaussage wenn diese z. B. bei jungen Menschen, geistig Behinderten und Menschen mit geringer Intelligenz angewandt wird. Oder auch falsche Schlussfolgerungen die der Vernehmende aus dem Verhalten des Tatverdächtigen während des BAI zieht, können fatale Folgen haben. Im schlimmsten Fall manifestiert sich gegebenenfalls eine falsche Arbeitshypothese des Vernehmers, welche die weitere Vernehmung beeinflusst. (eigentümliche Charakteristika und Gestiken können von den (weniger gut ausgebildeten)Beamten falsch gedeutet werden ) und weiter:
Solche Vernehmungen gehen über Stunden – oft in den Abend- bis Nachtstunden, um sich die Wirkungen des Schlafentzugs zu Nutze zu machen. Lügen ist anstrengend und erfordert hohe Konzentration. Aussagen müssen zu den bereits gegebenen Antworten passen und dürfen bei dem Gegenüber keine Zweifel wecken. Alles in einer stets aufrecht erhaltenen Stresssituation. Die Folge sind oft eindeutige Verhaltensänderungen; der Beschuldigte verfällt plötzlich in Dialekt, ändert seine Satzstruktur oder wird zappelig, was der Schlußfolgerung aus dem BAI widerspricht.
Wenn sie aber ordentlich von wirklich gut geschulten und empathischen Ermittlern durchgeführt wird, dann erkennen diese bereits in Phase I ob sie mit diesem Tatverdächtigen in die Phase II gehen müssen und in der Phase II würden die am Verhalten und der Reaktion des TV erkennen ob er was verheimlicht.
Der ehemalige Polizist Garry Rodgers schreibt in seinem
Blog**zum kategorisierten
nonverbalen Verhaltens von Verdächtigen
Gestellt werden Fragen, die alle Gehirnareale erreichen sollen -Gedächtnis/einfacher Rückruf -Gedächtnis/Erinnerung -Denken/Kreativität, usw.
When the suspect is remembering something, their eyes often move to the right. This is an outward manifestation of their brain activating the memory center. When they’re thinking about something, the eyes will move upward or to the left, reflecting activation of the cognitive center. A trained, experienced interrogator makes a mental note of the suspect’s eye activity.
Weder in den USA noch in Deutschland existieren nationale Datenbanken darüber wann eine Vernehmung nach Reid erfolgte. Auch darüber ob einem falschen Geständnis die Reid'sche Vernehmung vorausging liegt nichts vor.