@hawo Ok zweierlei.
1.) Beweiswertung
Wir müssen hier zwischen Jurisprudenz und kriminalistischer Lehre unterscheiden:
In der Jurisprudenz entscheidet der Richter völlig frei, was er wie als Beweis wertet. Das ist Ausfluss aus dem § 261 StPO. Was dem dabei im Kopf rumspuckt, wird dem nicht mal selbst immer 100%ig bewusst sein. Da kann natürlich auch mal ein Geständnis einen Sachbeweis "überbieten". Keine Frage.
In der kriminalistischen Lehre hingegen ist das Geständnis weniger wert. Da hat es mit fortschreitender Entwicklung der technischen Möglichkeiten eine immer größere Verschiebung in Richtung Sachbeweis gegeben. Was auch richtig ist. Dogma ist hier: Hypothesen
müssen mit den Sachbeweisen übereinstimmen, sie dürfen aber durchaus Zeugenaussagen (also auch Geständnissen) widersprechen. Die Beweiskraft eines Sachbeweises ist deutlich höher zu gewichten. Liegt ganz einfach daran, dass Sachbeweise im Gegensatz zu Zeugen oder Beschuldigten nicht lügen oder an Wahrnehmungsfehlern /-schwächen leiden.
Hier findet im Vorfeld bereits eine Vorauswahl statt, so dass das eher selten Thema für die Jurisprudenz wird. Widersprechen Sachbeweise einem "Geständnis", so wird der Gestehende im Idealfall schlicht nicht als Beschuldigter geführt und kann so auch nicht zum Angeklagten werden.
Du hast nahezu in jedem medienträchtigen Kriminalfall irgendwelche Spinner, die sich bei der Polizei mit kruden "Geständnissen" melden. Wäre Dein Satz:
hawo schrieb:Gerade ein Geständnis ist im Rechtssystem der stärkste Beweis.
richtig, säßen die alle im Knast.
Und um diesen Satz geht es. Der ist einfach falsch. Ein Geständnis
kann und wird auch oft von einem Gericht schwer gewichtet, kriminalistisch ist aber ein Geständnis gerade nicht die "Königklasse des Beweises".
Es ist wichtig das richtig zu stellen, weil sich sonst immer mehr die Vorstellung vom "geständnisgeilen Vernehmungsbeamten" in die Köpfe der Leute einbrennt!
2.) Verdeckungsabsicht
Wir reden da offensichtlich aneinander vorbei.
Meine Aussage war
LivingElvis schrieb:Ich finde es -allgemein, nicht nur hier- etwas krude, bei der Verdeckungsabsicht derart großzügig zu sein, indem man sagt, es genüge, wenn in der Vorstellung des Täters Repressallien für die vorangegangene Tat folgen können, es müsse sich nicht zwangsnotwendig um eine strafbare Handlung handeln.
Also kurz - Der Täter muss keine Straftat verdecken wollen. Es genügt, wenn er in seiner Vorstellung Repressalien befürchtet.
Das ist absolut deckungsgleich mit
Gleichwohl wurde auf der Grundlage, dass sich "...der Angeklagte nicht der Strafverfolgung, sondern lediglich handfester Konsequenzen seitens des Stiefvaters Peggy Knobolchs entziehen wollte." (Urteil, Seite 124) davon ausgegangen, dass er die Tötungshandlung zur Verdeckung begang. Es ging also in keinster Weise um die Verdeckung einer Straftat.
Du hast da zuvor noch auf Hemmer abgezielt:
hawo schrieb:Verdeckungsabsicht aus Furcht vor Repressalien ist auch in dieser Folgerichtigkeit nicht aus dem Juristischen Repetitorium Hemmer zu entnehmen. Dennoch wurde der Umweg über Ulvis geistige Behinderung und seine persönliche Einordnung von "Strafe" genommen. Bedenklich.
Es ist da völlig wumpe, was Hemmer schreibt oder ob Du es als bedenklich ansiehst, es ist schlicht herrschende Meinung des BGH. Es genügt, wenn der Täter durch die Tötung Nachteile vermeiden will. Sei es nun, dass ihn der Stiefvater verprügelt oder sei es ein Ansehensverlust im Freundeskreis (war ein anderer Fall des BGH). Das LG Hof folgt also lediglich der herrschenden Meinung und der ständigen Rechtsprechung des BGH.
Dogmatisch ist das vielleicht ein Problem, praktisch macht es Sinn.