Ich möchte nochmal auf den Spur-Spur-Treffer zurückkommen. Da oft etwas schnell irgendwelche Annahmen als Tatsachen kolportiert werden, habe ich ein wenig bei Stellen herumgestöbert, die sich in der Materie wirklich auskennen.
In der „Zeit“, 10/2016 link s.u., erklärt Bernd Brinkmann (Leiter des Instituts für forensische Genetik in Münster, das seit über 30 Jahren Polizei, BKA und LKA unterstützt), dass nur durch die laufenden Fortschritte im Bereich der DNA-Analyse eine Vielzahl von Verbrechen aufgeklärt werden konnte und kann, bei der früher immer Zweifel geblieben wären. Denn: Vorausgesetzt, die technische Analyse ist korrekt durchgeführt, ist ein Irrtum bei einem Treffer ausgeschlossen. Erst der menschliche Faktor kann zu Fehlern führen, Stichwort Verunreinigungen. 2012 wurde hierzu eine Studie durchgeführt: Demnach liegt die Fehlerquote (durch Verwechslung/Verunreinigung/Fehlerquelle Mensch) im Promillebereich, genauer gesagt: bei einem von 1000 bis 3000 Fällen. Da sind dann spektakuläre Fehlschlussfolgerungen möglich, siehe Peggy Knobloch/NSU oder ein Fall in den USA, wo ein Obdachloser unter Mordverdacht geriet - der während der Tatzeit allerdings in einer Klinik im Koma lag. Fehlerursache bei beiden Fällen waren vermutlich Personen, die versehentlich Material übertrugen.
https://www.zeit.de/wissen/2016-10/mordverdacht-uwe-boehnhardt-dna-analyse-peggy-forensik-sicherheit/komplettansichtMan muss sich klarmachen, dass diese Fehler sehr selten sind und dass bei einem Verdacht, dass etwas nicht stimmt, intensiv daran gearbeitet wird, den Fehler zu finden. Bei P.Knobloch gab man nach 6 Monaten bekannt, dass von einem Fehler auszugehen ist, verursacht durch ein übertragenes Stoffstückchen von Uwe B.‘ s Kopfhörer, bei dem USA-Fall fand man nach 5 Monaten die Fehlerquelle (Sauerstoff-Messmanschette d.Sanitäters). Beim Spur-Spur-Treffer CB/UH konnte man seit nunmehr 11 Jahren keinen Fehler finden, obwohl umfangreich DNA-Abgleiche mit allen möglichen Personen gemacht wurden (siehe „kleine Anfrage“ der Abgeordneten Barbara Stamm).
Gerade weil die Fehlerquote sehr gering ist und gerade weil bis heute keine fehlerhaft zugeordnete Quelle gefunden wurde, ist naheliegend, dass der Sp-Sp-Treffer bedeutsam ist. Und was mir hier schon öfter aufgefallen ist: Der P.Knobloch- Fall wird immer wieder in die Diskussion geworfen um die Bedeutungslosigkeit des Sp-Sp-Treffers zu belegen. Tatsächlich verhält es sich ja genau andersrum: dieser spektakuläre Fall zeigt genau wie das „Heilbronner Phantom“ die Seltenheit und erhöhen ja gerade das Bemühen der Behörden, derlei Fehler zu verhindern. Es ist eine sehr verbreitete menschliche Fehlannahme, Wahrscheinlichkeiten von seltenen Ereignissen extrem zu überschätzen, ein gut erforschtes psychologisches Phänomen (weiteres dazu aber OT).
Zum Thema „DNA an Schraube“, hier gab es auch Fehleinschätzungen - DNA wurde an einer von über 200 Schrauben gefunden (im Gewinde einer ins Holz eingedrehten Schraube. Übrigens zur Frage, wie DNA an das Gewinde gekommen sein könnte, im UH-Forum diskutierte man die Möglichkeit, dass das Schraubengewinde durch Speichel gleitfähig gemacht wurde, das wäre eine viel größere Menge DNA als z.B. Hautschüppchen). Das heißt nicht, dass die Schraube bis 2005 herumlag und dann wurde die DNA analysiert. Sondern damals hat man in der Annahme, dass die technologischen Neuerungen in Zukunft bessere Analysen ermöglichen würden, alle gefundenen Materialien (auch die über 200 Schrauben) aufbewahrt. Bei einer so langen Zeit ist nicht mehr viel DNA Material zu finden, daher konnte eben nicht an 50 oder 100, sondern an einer Schraube ausreichend viel gefunden werden. Was nicht heißt, dass sich an keiner anderen Stelle des umfangreichen Kistenmaterials DNA befand, sondern eine ausreichende Menge für eine Genanalyse.
Interessant ist, dass ein Sp-Sp-Treffer ein Beweis ist, außer es wird ein Fehler gefunden (durch menschlichen Faktor, in der Analyse selbst sind Fehler ausgeschlossen). Hier wurde trotz bis heute anhaltender Suche kein Fehler gefunden, die Behörden „schließen Verunreinigungen im Labor aus“. Egal was man nun für eine Meinung vertreten mag, existiert eine Person, deren Genmaterial an zwei Spuren gefunden wurde, die aber weder ausfindig gemacht werden konnte noch sich selbst gemeldet hat. Selbst wenn man nun die DNA an der Schraube außer Acht lässt (trotz Irrtumswahrscheinlichkeit im Promille-Bereich), gibt es unbestritten eine DNA- Spur an zwei Stellen in CB‘s Wohnung, beim Glas zweifelsfrei im zeitlichen Umkreis zur Tat. Wieso ist es nicht möglich, diese Person zuzuordnen und, was noch viel stutziger machen sollte: wieso meldet sich die Person nicht?
Noch grundsätzlich zur forensischen DNA-Analyse laut BKA (
https://www.bka.de/DE/UnsereAufgaben/Ermittlungsunterstuetzung/DNA-Analyse/dna-analyse_node.html):
Seit 1990 gelten Treffer in der DNA-Datenbank, also Spur-Person-Treffer oder Spur-Spur-Treffer als Beweise (laut o.g. Brinkmann ist kaum etwas so ein stichhaltiger Beweis, außer ein HD-Videomitschnitt ;-), und zwar „genetisch informationslose Abschnitte der DNA“. Es ist zwar inzwischen möglich aus der DNA vielfältigste Informationen zu gewinnen von Haarfarbe über ethnischer Herkunft bis hin zu Krankheiten (aber auch Verwandtschaftsgrad von 2 Treffern), aber gemäß unserer Rechtsauffassung ist es bei Ermittlungen nicht erlaubt, diese Informationen zu erheben (was auch gut so ist, denke ich, aber OT).
Zur Info vom BKA veröffentlichte Zahlen zu DNA- Treffer bei strafrechtlich relevanten Taten)
https://www.bka.de/DE/UnsereAufgaben/Ermittlungsunterstuetzung/DNA-Analyse/DNAstatistik/dnaStatistik_node.html (Archiv-Version vom 15.06.2018) :
Seit Errichtung der Datei wurden 278.836 Treffer erzielt (Stand: 30.09.2018).
Hierbei wurde in 59.503 Fällen ein Tatzusammenhang festgestellt (Spur-Spur-Treffer, d. h. derselbe Spurenverursacher an verschiedenen Tatorten).
In 219.333 Fällen wurde eine Tatortspur einer Person, einem Spurenverursacher, zugeordnet und damit ein wesentlicher Beitrag zur Tataufklärung geleistet.
Wer einen Taschenrechner zur Hand hat oder Lust auf Kopfrechnen hat, kann ja mal ausrechnen: einer von 1000-3000 der 59503 Sp-Sp-Treffer ist statistisch gesehen ein Fehler.