Mordfall Charlotte Böhringer

Jamegumb schrieb:Was hättet ihr gern, um "In dubio pro reo" beiseite zu schieben? Ein Tatvideo in Ultra-HD mit Timestamp und am besten noch aus mehreren Perspektiven?

Auch das gab es schon, mir persönlich würde aber vielleicht schon reichen, wenn mir eine glaubhaftere Geschichte zum Tatablauf erzählt würde. Ein Mann erschlägt seine Tante in einem Blutbad, geht ins Büro, zieht die Handschuhe aus um das Testament zu lesen, verschließt den Umschlag akurat und radelt nach Hause. Ich halte diese Story für irrwitzig. Es ist für mich einfach nicht glaubhaft. Eine "konstruierte" Geschichte. Und dann fängt man irgendwann an, am "Geschichtenerzähler" zu zweifeln. ;)

IamSherlocked schrieb:War aber bei Kachelmann z.B. auch fast zu spät.... für sein Ansehen völlig zu spät. Er muss ewig damit leben, dass ihm erst nach so einem Glaubwürdigkeitsteil der angeblich Vergewaltigten, geglaubt wurde! Und dass das erst so spät kam, überhaupt kam, ist nur guten Anwälten zu verdanken.

Definitiv. Kachelmann hatte noch viel Glück. Es hätte auch da alles Anders kommen können.

SirMarvel schrieb:Definitiv. Kachelmann hatte noch viel Glück. Es hätte auch da alles Anders kommen können.

Obwohl zweimal freigesprochen der Tolken bleibt. Das erst recht bei einem porminenten. Überhaupt bei entsprechendem Medienrummel wird die auch in keinem andern Fall weniger.

Mark_Smith schrieb:Für Straubing ist dies sicherlich falsch! Ich meine auch Angehörige. Das ist mindestens 4x pro Monat 1 Stunde bis 1.5 Stunden.

Süddeutsche Zeitung vom 14. August 2016, Haftbedingungen in Deutschland, Haft ist nicht gleich Haft:

"Wie unterschiedlich die Gesetze sind, kann man am kleinen Beispiel der Besuchszeiten gut zeigen: In dem einem Land (in Bayern und Baden-Württemberg) hat der Gefangene nur Anspruch auf eine Stunde Besuch im Monat, in dem anderen (in Brandenburg) auf vier Stunden. In dem einen Land werden die Besuche der Kinder des Gefangenen auf diese Regelbesuchszeit angerechnet, in dem anderen bis zu zwei Stunden nicht. (...) Straftäter sollten also ihren Wohnsitz sorgfältig wählen: Das ist ausschlaggebend dafür, wie in der Haft mit ihnen umgegangen wird - ob die Resozialisierung oberstes Vollzugsziel ist oder die Sicherheit der Allgemeinheit. (...) In Bayern, wo die Sicherheit besonders groß geschrieben wird, liegt der Anteil der Gefangen, die unter Tags außerhalb der Haftanstalt arbeiten dürfen, bei nur sieben Prozent."
Entscheidend ist, dass wenn der Strafgefangene nicht schuldeinsichtig ist, steht nicht die Resozialisierung im Vordergrund, sondern der Schutz der Bevölkerung (zumal in Bayern, aber generell ist das Konsens in der BRD).

panta_rhei schrieb:hat der Gefangene nur Anspruch auf eine Stunde Besuch im Monat

Ich mag jetzt nicht die Korrespondenz mit Bence T. und mir heraussuchen und ev. sogar noch einen Scan anfertigen. Tatsache ist, dass es in Straubing anders ist.

Das gleiche wird auch hier im Film gesagt: ab 41.52

https://www.youtube.com/watch?v=avWfBPQRC8U (Video: Ich war es nicht! Zwei Urteile und viele Zweifel (37 Grad ZDF 26.04.2016))

Und wenn Du es nicht glaubst, dann erkundige Dich doch in der JVA Straubing. Auch die SZ macht mal Fehler bzw. erzählt Unsinn.

@Mark_Smith

Das kann ich bestätigen. Diese Sache mit 1 Stunde ist offenbar ein MUSS, aber längere Besuchzeiten sind möglich. Zumindest in den bayrischen JVAs.

Mark_Smith schrieb:Und bei Bence T.: Seine Familie ist felsenfest davon überzeugt, dass er nicht der Täter ist. Für die Familie würde eine Welt zusammenbrechen. Das weiss der Bence T. auch. Also muss er die Fassade aufrechterhalten. Und nicht vergessen: Bence T. hat immerhin fast 4 Jahre seine Ausbildungslüge durchgehalten, der beisst sich lieber die Zunge ab oder bringt einen Menschen um, damit er dies nicht von sich aus beichten muss. Das sind viele komplizierte psychodynamische und interkationistische Mechanismen, die viel stärker sind als Hafturlaub etc. Da geht es um Selbstwert, Selbstbild, Wertschätzung, Angst vor Verlust der zwischenmenschlichen Beziehungen etc.

Dem stimme ich voll und ganz zu.

Es hört sich an, als ob BT dermaßen unter Druck stand, ihn seine Ausbildungslüge durchzuhalten, enorm belasteten, dem Zeitpunkt entgegenfieberte, dies endlich eingestehen zu können, wenn, ja wenn er dieses Eingeständnis mit dem ihm zugestandenen Erbe durch die Tante auffangen, sprich diese Schmach hätte dadurch abfedern können oder aber so weiterleben - egal für welche Variante er sich entschieden hätte, wäre dann nicht für ihn eine wesentlich heimtückischere Variante anzuwenden, seine Tante zu beseitigen, ohne so in den Fokus zu geraten ?

Wer nach der Tat so ein Schlachtfeld hinterläßt, der macht das doch so, da er in der Regel nichts mehr zu verlieren, mit dem Opfer emotional nicht (mehr) nahe stand, noch eine Rechnung offen hatte, die CB längst geglaubt hatte, sie sei beglichen ? Da wäre es schon wichtig, wie "reibungslos'' die Trennungen mit ihren Exmännern und Stiefkindern verlaufen sind ?

Jamegumb schrieb:Das kann ich bestätigen. Diese Sache mit 1 Stunde ist offenbar ein MUSS, aber längere Besuchzeiten sind möglich. Zumindest in den bayrischen JVAs.

Schön, dass wir wenigstens einmal gleicher Meinung sind! :-)

@Mark_Smith

Ich erinnere keinen Disput.

@bellady
Stiefkinder und Ex-Männer? Abgesehen von der Truppe der BI war weder vom Einen, noch vom Anderen die Rede.
Ich wäre interessiert an näheren Infos dazu. Nur, um diese Lücke zu füllen.

SirMarvel schrieb:Ich sehe den Lügendetektortest nach wie vor als Versuch des Angeklagten sein Unschuldsgefühl zu untermauern. Nicht mehr und nicht weniger.

Die Lüge und ihr Detektor - zur Erinnerung

Täuschung ist möglich

Das typische Szenario: Die Mutter klagt an, der Vater steht unter Verdacht. In mehreren solchen Fällen unterzogen sich beide dem Test. Dreimal ergab das Ergebnis: Beide lügen nicht. Lügt hier dann der Detektor?

Im Internet gibt es sogar Artikel und Videos, in denen ehemalige US-Cops oder Prüfer erklären, wie der Apparat auszutricksen ist. Auf die Zunge beißen, die Pobacken zusammenkneifen, sich gedanklich an einen schönen Ort versetzen: Schon verändert der Körper seine Reaktion, egal, ob jemandem eine Lüge über die Lippen ging oder nicht.

Eine Studie zeigte schon in den Neunzigerjahren: In der Hälfte aller Fälle lagen die Prüfer falsch, wenn die Befragten solche Methoden anwendeten. Und: Die Untersucher erkannten diese Täuschung nur bei jedem Achten.
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/polygrafen-vor-gericht-wenn-der-luegendetektor-luegt-a-1200239.html

Ich möchte mich noch mal wiederholen, habe das vor Jahren schon geschrieben:

Die Zeitungen: Sind für mich ein äußerst starkes Indiz!
Dabei ist es egal ob es dieselben waren, die in Bences Wohnung gefunden wurden.
Für mich absolut entscheidend: Am Tag, an dem Frau Böhringers Leiche im Parkhaus liegt werden erwiesenermaßen die Zeitungen entwendet. Zufall ? Zum selben Zeitpunkt befindet sich Bence Toth in der Parkgarage (nachdem er wochenlang nicht aufgetaucht ist).
Ich sehe drei Möglichkeiten:
- Die Zeitungen wurden zufällig am selben Tag entwendet (unwahrscheinlich).
- Das Verschwinden der Zeitungen hat mit dem Mord zu tun und unbekannte Raubmörder kehren an den Tatort zurück um das Auffinden der Leiche zu verzögern (sehr unwahrscheinlich).
- Bence Toth, der sich im Parkhaus befindet entwendet die Zeitungen um das Auffinden der Leiche Charlotte Böhringers zu verzögern.

Ob das zufällig diesselben Zeitungen waren, die in seiner Wohnung gefunden wurden ist unerheblich, das Indiz steht!

dundee10 schrieb:Die Zeitungen: Sind für mich ein äußerst starkes Indiz!

Das sehe ich ähnlich. Ich habe schon beim ersten Mal, wo ich gelesen habe, dass Zeitungen an der Türe der CB verschwunden sind, mir gedacht: Die Zeitungen sind quasi der Schlüssel zur Täterschaft: weil die Wegnahme der Zeitungen in direktem Zusammenhang mit der Tötung der Charlotte B. zu tun haben muss (Wahrscheinlichkeit von über 99.5%).
Dann gibt es nur noch zwei Varianten:
a) Fremdäter, die nach über 12 Stunden nach dem Mord noch einmal in die Parkgarage zurückkommen oder

b) Täter, der irgendwie mit der Parkgarage in einer engen Verbindung steht, also quasi dort arbeitet.

Mark_Smith

Ja richtig, das habe ich vergessen: Wenn die Zeitungen ein Indiz sind (und das sind sie für mich) verweist das natürlich auf jeden
der (zu diesem Zeitpunkt) in der Parkgarage arbeitet. da gibt es also auch noch mehr Möglichkeiten.

Mark_Smith

Das Blöde für Bence ist halt, dass er Quasi am Tatort war, als die Zeitungen verschwunden sind.... dann fährt er planlos nach Augsburg.

dundee10 schrieb:Das Blöde für Bence ist halt, dass er Quasi am Tatort war, als die Zeitungen verschwunden sind.... dann fährt er planlos nach Augsburg.

Für mich ist es auch ein klares Belastungsindiz gegen Bence T. Irrtumswahrscheinlichkeit kleiner als 5%.

Mark_Smith

Also ich persönlich wäre einfach vorsichtiger mit der Angabe von mathematischen Wahrscheinlichkeiten (Mathematik ist die Allereinzigste exakte Wissenschaft).
Aber im Prinzip gebe ich Dir schon recht.

dundee10 schrieb:Also ich persönlich wäre einfach vorsichtiger mit der Angabe von mathematischen Wahrscheinlichkeiten (Mathematik ist die Allereinzigste exakte Wissenschaft).

Es geht hier aber um Wahrscheinlichkeitsrechnungen also im weitesten Sinne um Statistik. Und da werden ganz komplizierte Verfahren gemacht. Varianz-, Faktoren-, Korrespondenzanalyse also die multivariate Statistik.

Mark_Smith

Was ist mit dem gesunden Menschenverstand? Also ich glaube wir sind einfach beide der Meinung, dass sehr sehr viel für Bence Toth als Täter spricht. Von Stochastik habe ich durchaus eine Ahnung.

dundee10 schrieb:Was ist mit dem gesunden Menschenverstand? Also ich glaube wir sind einfach beide der Meinung, dass sehr sehr viel für Bence Toth als Täter spricht. Von Stochastik habe ich durchaus eine Ahnung.

Das wollte ich nicht abstreiten, dass Du keine Ahnung von Wahrscheinlichkeitsrechnung hast.
Der gesunde Menschenverstand ist mir ein bisschen zu wenig. Ich finde, die Rechtsprechung würde tatsächlich noch verbessert werden können, wenn man vermehrt mit Wahrscheinlichkeiten operiert, also dort, wo es möglich und sinnvoll ist. Weil der gesunde Menschenverstand ist mir fast ein bisschen zu fest mit der nur "gefühlten Wahrheit" in Verbindung stehend.

@Mark_Smith
Ich denke, eine Mischung aus beidem ist keine schlechte Taktik für die Entscheider.
Ganz ohne gesunden Menschenverstand geht es eben nicht. Dann hätten weltfremde Theoretiker die Macht. Das wollen wir auch nicht.
Letztlich gibt es auch Schnittmengen.
Wie wahrscheinlich ist es, dass CB nach einem Hausverbot MIT Schlüsselentzug und der Zeugenaussage, dass es wenige Tage vor dem Mord zu einem Streit in einer Gaststätte oder Biergarten kam, am Sonntag den Neffen zum Geschäftsführer macht UND nächsten Tag tot ist?
Kein Beweis, aber nach gesunden Menschenverstand ist das Nonsense.
Ebenso wie die Story bezüglich des Gewinns von mehreren Tausend Euro oder die hanebüchene Erklärung für die Augsburg-Fahrt....etc etc

Mark_Smith
Also ich habe mir mehrmals das Gerichtsurteil durchgelesen, und Götzl argumentiert tatsächlich eben mit mathematischen Wahrscheinlichkeiten. Für mich ist das Urteil revisionsfest Und da muss ich Dir zustimmen: für mich war diese DNA-Spur (in Verbindung mit der Handschutzspur) auf dem Sackko auch ein Indiz. Man hat eben Bence's DNA auf demselben Platz gefunden, wo auch diese Handschutzspur gefunden wurde. Zufall ?