Mordfall Charlotte Böhringer
30.12.2022 um 12:04Cpt.Germanica schrieb am 03.09.2022:Der Anwalt von BT hat vor wenigen Jahren immerhin etwas bemerkenswertes gesagt, was ihm früher so wohl nicht über die Lippen gekommen wäre. Siehe hier ab ca. 39:28 Minute: "Ich kann doch nicht sagen er war nicht der Täter. Wie denn? Ich weiß es nicht.".Allerdings muss man dazu sagen, dass es auch nicht die Aufgabe eines Anwaltes ist, zu beurteilen, ob sein Mandant schuldig ist oder nicht. Und schon gar nicht ist es seine Aufgabe, seine Meinung oder gar sein Wissen öffentlich kund zu tun.
Die Aufgabe eines Anwaltes ist es, die Interessen seines Mandanten zu vertreten und dafür zu sorgen, dass dessen Rechte gewahrt werden. Das heißt eben nicht, ständig und unermüdlich einfach zu behaupten, der Mandant sei unschuldig.
Viele Anwälte sagen ja sogar, dass sie das gar nicht wissen wollen, ob ihr Mandant eine bestimmte Tat begangen hat. Es ist für eine gute Verteidigung auch gar nicht nötig, dass der Anwalt das weiß. Im Gegenteil, es kann sogar hinderlich sein, denn im Gegensatz zu dem Angeklagten darf ein Anwalt vor Gericht nicht lügen. Es ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft, dem Mandanten die Schuld nachzuweisen und nicht die Aufgabe des Anwaltes, die Unschuld des Mandanten zu beweisen. (Auch wenn das in Krimis und/oder Anwaltsserien gerne anders dargestellt wird....)
outsiderz schrieb:Ja da habt ihr beide recht, aber das hilft mir nicht bei meinem Problem :)Vielleicht helfen Dir ja folgende Überlegungen bei Deinem Problem:#
In der Presse und ganz besonders von den Angehörigen und Unterstützern der angeblichen Justizopfer wird immer wieder gerne und oft der Formulierung "in einem reinen Indizienprozess verurteilt" benutzt. In dem Zusammenhang, in dem diese Formulierung verwendet wird, hat das immer einen mehr als deutlichen Beigeschmack im Sinne von "es gibt gar keine handfesten Beweise" und "der Richter/die Anklage sind zwar von der Schuld überzeugt, aber sicher wissen tun sie das nicht" bis hin zu "das ist alles an den Haaren herbeigezogen" und "die Anklage hat da ein Konstrukt zusammengetragen, nur damit man einen Schuldigen hat".
In der juristischen Realität ist es aber so, dass es sehr selten einen REINEN Indizienprozess gibt, und vor allem, dass es noch viel seltener ein Urteil gibt, das ausschließlich auf BEWEISEN gründet. Meist ist es immer eine Mischung aus beiden, die in der Gesamtheit dazu führen, dass der oder die Richter von der Schuld des Angeklagten überzeugt sind.
Vieles, was wir als Laien immer als "Beweis" bezeichnen, ist eben auch nur ein Indiz. Nicht mal ein Geständnis ist, wie @muscaria oben anmerkte, eine Beweis. Ein Geständnis kann falsch sein, teilweise falsch sein, kann richtig sein, aber vor Gericht nicht verwendet werden dürfen.
Auch der viel zitierter DNA-Beweis ist oft auch nur ein Indiz, denn entscheidend ist immer die Frage, wie die DNA an einen bestimmten Ort oder eine bestimmte Stelle gekommen ist. Und da gibt es in der Regel mehr als eine Möglichkeit. (Egal wie abstrus die Konstellation zwischen Opfer und Täter ist und wie abwegig das in Anbetracht der Tatsituation erscheint, kommt es z.B. in Vergewaltigungsprozessen, in denen am Opfer oder in seiner Kleidung an eindeutiger Stelle DNA des Angeklagten nachgewiesen wurde, oft zu der Behauptung des Angeklagten, der Sexualkontakt sei einvernehmlich gewesen. Man kann das glauben oder eben nicht, aber das zeigt eben auch, dass es durchaus eine alternative Erklärung geben kann, wie das Sperma des Angeklagten in die Unterhose des Opfers gelangt ist. Und so betrachtet ist der Nachweis von Sperma in der Unterhose eben ein Beweis dafür, dass Sperma in der Unterhose gelangt ist. Aber eben nur ein Indiz dafür, dass der Angeklagte das Opfer vergewaltigt hat. Für wie schwerwiegend das Indiz bewertet wird hängt dann von den Gesamtumständen ab.)
Insofern ist dieses ewige Herumreiten auf dem "reinen Indizienprozess" eigentlich nur eine Nebelkerze, die man gründlich hinterfragen muss und die an sich erst mal überhaupt nichts über die Qualität, die Glaubwürdigkeit und Belastbarkeit des Urteils aussagt.
Der zweite Schachzug, der immer wieder genutzt wird, um Zweifel an der Schuld der angeblichen Justizopfer zu säen ist, dass man sich ein einzelnes im Prozess eingebrachtes Indiz herausgreift und zerpflückt. Gerne, in dem man für dieses eine Indiz andere mögliche Täter ins Spiel bringt oder alternative Möglichkeiten aufzeigt, wie eine Spur entstanden sein könnte.
Im Fall Charlotte Böhringer gibt es davon ja mittlerweile eine ganze Reihe von Indizien, von denen die Unterstützer nacheinander oder gleichzeitig versuchen, die zu zerpflücken. Angefangen von der DNA-Spur am Weinglas, die angeblich vom Täter im Fall Ursula Herrmann stammen soll, über den Arzt, der angeblich ebenfalls ein Motiv für einen Mord an CB hatte und einer Person gleichen soll, die im Parkhaus gesehen wurde, bis hin zu den DNA-Spuren und Fingerabdrücken am Opfer und auf dem Testament.
Aber so arbeitet ein Gericht eben nicht, wenn es darum geht, ein Urteil zu fällen. Natürlich wird jedes vorgebrachte Indiz einzeln erörtert und im Hinblick auf Plausibilität und entlastende Momente bewertet. Das Urteil wird dann aber immer im Anbetracht der Gesamtheit der Indizien gefällt. Für jedes einzelne Indiz gibt es einen gewisse Wahrscheinlichkeit, mit der es zutrifft oder eben nicht, diese ist nie 100%, denn sonst wäre es ein Beweis und kein Indiz. Der von den Unterstützern oft strapazierte juristische Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" gilt eben nicht für jedes einzelne Motiv, sondern kommt erst bei der Gesamtschau zum tragen, wenn sich die Richter fragen, wie Wahrscheinlich es im Anbetracht aller vorgelegten Beweise und Indizien für die Schuld UND die Unschuld des Angeklagten ist, dass er der Täter ist. Bleiben da berechtigte Zweifel, dann ist er frei zu sprechen (oder für eine weniger gewichtige Tat schuldig zu sprechen, z.B. für Todschlag, wenn eine Mord nicht bewiesen werden kann).
BT hatte ein Motiv, die Gelegenheit und, um es mal vorsichtig auszudrücken, auch die psychische Konstellation, diese Tat zu begehen. In der Gesamtheit sprechen halt sehr viele Indizien ZUSAMMEN gegen seine Unschuld und für seine Schuld. Und nur weil einzelne dieser Indizien uns weniger wahrscheinlich erscheinen oder weil es für ihr Vorliegen auch alternative Erklärungen gibt, bedeutet das eben nicht, dass dadurch die Gesamtbewertung seiner Schuld anders ausfallen müsste.
Kurzum, ich bin überzeugt, dass das der richtige im Gefängnis sitzt.