orenoa schrieb:der Täter konnte zu dem Zeitpunkt der SMS nicht wissen ob es Zeugen gab die sich mit ihren Beobachtungen bereits nach dem 1. Suchaufruf zur die Polizei gegangen wären.
Dieser 1. Suchaufruf wurde am Freitag veröffentlicht. In ihm wurde erwähnt, dass der letzte Kontakt gegen 1 h aus Nieheim stammte. Gefragt wurde, wer FL seit Dienstagabend (also seit Verlassen des Pubs) gesehen habe.
1.
Die Polizei konnte zwar "ein Verbrechen nicht ausschließen", aber es blieb die (gleichberechtigte) Möglichkeit eines freiwilligen Verschwindens offen.
Diese Möglichkeit eines freiwilligen Verschwindens wäre ohne die 1. SMS deutlich unwahrscheinlicher gewesen: Chris wartete auf sie, ihr Handy-Akku war leer, sie war müde, sie musste am nächsten Morgen früh aufstehen etc. Ohne diese 1. SMS wäre es also viel näherliegend gewesen, dass FL auf dem Nachhauseweg Opfer eines Verbrechens geworden wäre.
Aber durch diese 1. SMS (die durch "Hauptsache nicht gegen England" authentisch wirkte) wurde all das, was für ein Verbrechen auf dem Nachhauseweg (und zunächst überhaupt für ein Verbrechen) sprach, "außer Kraft" gesetzt: ihre Zuverlässigkeit, ihre Müdigkeit, ihre Sorge, Chris nicht warten zu lassen etc. - denn sie hatte sich ja trotz dieser Umstände, so die Schlussfolgerung aus der 1. SMS, freiwillig zu diesem für sie völlig ungewöhnlichen Verhalten entschlossen.
2.
Die Leser des Suchaufrufs erfuhren also von einem zwar unerklärlichen und besorgniserregenden Verschwinden, das aber durchaus auch freiwillig sein konnte.
(Ohne die 1. SMS wäre vermutlich eher die Formulierung: "Die Polizei geht von einem Verbrechen aus" gewählt aus.) Es wurde eben
nicht nur gezielt gefragt, wer FL auf ihrem Nachhauseweg gesehen hätte, sondern allgemeiner: wer sie in den fast 3 Tagen ihres Verschwindens gesehen hätte. (Dieser lange Zeitraum hätte im Fall eines Verbrechens in der Dienstagnacht keine Rolle gespielt.)
Durch die Erwähnung des Kontakts in Nieheim verlor der Nachhauseweg zusätzlich an Relevanz. Zwar wurde dieser Kontakt nicht konkretisiert, aber es war offensichtlich, dass er von der Polizei nicht als Hinweis auf ein Verbrechen eingestuft wurde. (Sonst wäre die Polizei expressis verbis "von einem Verbrechen ausgegangen".)
Zwar wurde in diesem Suchaufruf klar, dass sich FLs Spur seit dem Verlassen des Pubs verliert, aber es gab
keine Fokussierung auf den Nachhauseweg als Ort eines potentiellen Verbrechens (wie das ohne eine SMS sehr wahrscheinlich gewesen wäre).
Zeugen, die auf dem Nachhauseweg etwas beobachtet hätten, was auf irgendeine Gewaltanwendung gegen eine junge Frau hätten schließen lassen, hätten sich durch diesen Suchaufruf sicher angesprochen gefühlt (aber das vermutlich eher sofort gemeldet).
Aber Zeugen, die gegen 22 h einen in der Nähe des Pubs in seinem Wagen sitzenden Mann beobachtet hatten? Wohl kaum - wenn der Nieheimer Kontakt zwei Stunden später von der Polizei offensichtlich nicht als Anhaltspunkt für ein Verbrechen gewertet wurde.
orenoa schrieb:Dann wäre auch in dieser Hypothese die letzte Kontaktperson ab dem Moment im Zentrum der Ermittlung. Egal ob aus PB, Nieheim und egal ob Bekannter oder nicht.
Das stimmt. Aber durch die 1. SMS ging die Polizei von einer Person aus, die FL näher stand. In diesem Fall gab es doch für die Polizei viel lohnendere Ermittlungsansätze: Auswertung der Kontaktdaten, Überprüfung des Freundeskreises etc.
Zudem hätte einem Täter, der irgendwo auf dem Nachhauseweg auf FL wartete, die Zeit in die Hände gespielt. Belanglose Beobachtungen vergißt man sehr schnell; an eine unbekannte Person, die vor einer Woche an irgendeiner Ecke stand, erinnert sich doch kaum jemand.