Hallo
@birkensee Mit folgendem Beitrag möchte ich mich auf einige Deiner zuletzt geäußerten Einwände beziehen. Ich hoffe, Du nimmst mir nicht übel, wenn ich dabei ein wenig zuspitze, einfach um die Länge der notwendigen Ausführungen nichts ins Uferlose anwachsen zu lassen. Im Grunde geht es mir im Folgenden darum, zu betonen, dass die (großen) Unterschiede zwischen unseren Argumentationen m.E. maßgeblich
im Detail liegen und es deshalb ganz genau darauf ankommt, auf die entsprechenden Zwischentöne zu achten, wenn man nicht permanent neue Missverständnisse produzieren möchte.
Als Antwort auf den durch Dich zitierten Beitrag von mir, erscheint mir ganz zu forderst folgende Äußerung missverständlich:
birkensee schrieb:auf dieser Fahrt plötzlich beunruhigend verändert
Missverständlich zunächst deshalb, da ich diese Ansicht nicht vertrete. Sie widerspräche der begründeten Interpretation, dass die erste SMS zu einem Zeitpunkt durch F erfolgte, als diese sich noch nicht bedroht fühlte. Dies gilt auch für die von Dir als für diesen Zeitpunkt in Erwägung gezogene
birkensee schrieb:Scheune
Wäre F unmittelbar nachdem sie in den Wagen einstieg, der nachweislich ihr Handy, sehr wahrscheinlich aber auch sie selbst, in den Kreis Nieheim beförderte, bedroht oder noch bevor die erste SMS erfolgte, in eine Scheune verbracht worden, so wäre die unauffällige Heiterkeit dieses ersten Lebenszeichens nach Verlassen des Pubs schwierig zu erklären.
Darauf hinzuweisen ist für unser beider Argumentation bzw. deren Kohärenz m.E. von Bedeutung. Gerade auch deshalb, da Du schreibst:
birkensee schrieb:Für FL muss es nach meiner Ansicht in den Stunden nach Verlassen des Pubs jene Vereindeutigung ihrer Situation als Festgehaltene gegeben haben - es sei denn, man unterstellt, sie habe sich plötzlich entschieden, bei dieser Person zu bleiben und sei dann auch bereit gewesen, spurlos zu verschwinden.
Der erste Hinweis der überhaupt dafür herangezogen werden kann, wann F ihre Situation so oder so eingeschätzt haben würde, liegt erst mit der zweiten SMS vor, die immerhin bis zum späten Abend des Donnerstags auf sich warten ließ. Außerdem sehe ich zwar ein, dass berechtigte Zweifel daran bestehen können (die ich ausdrücklich teile!), dass F diese zweite SMS (völlig) freien Willens und/oder inhaltlich selbst bestimmt verfasst habe. Greifbare Hinweise dafür liegen aber auch nicht vor: Tatsächlich ist es leider so, dass der erste handfeste Hinweis auf Unfreiwilligkeit während des letzten Gesprächs festzumachen ist. Erst hier äußert (!) F also einen (mehr oder minder deutlichen) Hinweis darauf, dass sie ihre Situation selbst als Zwang empfinde. In Bezug auf Deine oben zitierte Feststellung erscheint das deshalb relevant, weil das "in den Stunden nach" ergo zumindest den Zeitraum bis zur zweiten SMS am Donnerstagabend, maximal sogar bis zum letzten Gespräch am folgenden Dienstag, umfassen müsste. Durch diese Konkretisierung wird die Formulierung selbst aber ein wenig uneindeutig und zwar gerade in Bezug auf den Punkt, um den sich die Debatte m.E. gerade dreht:
Wann vereindeutigte sich die Situation zwischen 'Täter' und Opfer? Und mein Argument ist, dass dieser Vereindeutigungsprozess sich vermutlich über einen (möglichst) langen Zeitraum erstreckte (und erstrecken sollte), eine Annahme, die mir durch die Kontakte und ihre Inhalte gedeckt scheint.
Ähnlich unscharf wie "in den Stunden danach" erscheint mir auch die Formulierung "Ihre einzige Mobilität" in dem Satz
birkensee schrieb:Ihre einzige "Mobilität" bestand darin, am späten Abend (mit der einzigen Ausnahme des Samstagnachmittags) in verschiedenen Gewerbegebieten aufzutauchen, um von dort ihre mehr als seltsamen und sehr kurzen Telefonate zu führen (nur das letzte Gespräch war länger).
Es geht mir allerdings gar nicht darum, die Unschärfe als solche zu kritisieren, da meine Formulierungen sicher selbst alles andere als ‚wasserdicht‘ sind. Aber wie im obigen Beispiel (und bereits in meinen vorigen Beiträgen dargestellt), geht es gerade um die (scheinbar) kleinen Unterschiede zwischen Deiner und meiner Argumentation, die mit solchen Formulierungen nivelliert werden: Diese "einzigen" Mobilitätshinweise erfolgten immerhin (sollte ich mich nicht verrechnet haben) an sechs von acht Tagen. Und es ist sicherlich auch mehr als eine Klammer wert, dass einer dieser Kontakte sogar an helllichtem Tage (und offenbar nicht aus einem dunklen Kellerverlies heraus) erfolgte
birkensee schrieb:(mit der einzigen Ausnahme des Samstagnachmittags)
Überraschend finde ich, dass Du wie hier:
birkensee schrieb:Aber welche Gründe sollte FL gehabt haben, ihre Spuren zu verwischen? Warum diese auf wenigste Sätze beschränkten Gespräche (bis auf das letzte), in denen alle Fragen mit "Frag nicht … Kann ich Dir nicht sagen … Erkläre ich Dir später" beantwortet wurden.
auch an mehreren anderen Stellen den Eindruck erweckst, als stünde ich auf dem Standpunkt, F sei es gewesen, von der die Veschleierung ihrer Umstände ausgegangen sei. Obwohl ich das an keiner Stelle geschrieben habe, möchte ich - um der Klarheit Willen - darauf hinweisen, dass dem nicht so ist. Im Gegenteil: Ein Szenario, das F als 'Ausreißerin' hinzustellen versuchte, hielte ich für wenig plausibel. Auch hier geht es m.E. um Zwischentöne. Ebenso hier:
birkensee schrieb:Selbst wenn man annimmt, FL habe für eine Woche - ohne jede Rücksicht auf ihre Familie, ihre Freunde und auf ihre Ausbildungsstelle - spurlos untertauchen wollen (was allem, was wir durch Aussagen ihrer Angehörigen und Freunde über sie wissen, extrem widersprechen würde), widersprechen ihr Verhalten und die Telefonate nach meiner Überzeugung diesem Ziel vollständig.
Hier:
birkensee schrieb:Wenn FL also ein paar Tage hätte untertauchen wollen - dann hätte sie sich ausgerechnet so verhalten, dass die Polizei nach ihr suchte?
Und hier:
birkensee schrieb:Es gibt keinen einzigen Beweis, dass sie selbst die SMS' verfasste und aus eigenem Entschluss diese Telefonate führte.
Ich gehe nicht davon aus, dass F untertauchen
wollte. Interessant scheint mir aber, dass dem zweiten Teil Deiner Aussage "Wenn FL also..." m.E. klar durch die Fakten widersprochen ist (wie Du weißt): Die Polizei stellte die Ermittlungen ein, nachdem F sich wiederholt und schließlich auch telefonisch meldete. Wer auch immer - wollte er durch die Kontakte offizielle Ermittlungen verhindern - hatte sein Ziel erreicht!
In meinen Beiträgen habe ich deutlich machen wollen, dass ich von einer Gemengelage unterschiedlicher Interessen sowie von zahlreichen Interaktions- und Aushandlungsprozessen während der ersten Woche von Fs Verschwinden ausgehe. Ganz einfach deshalb, weil die Spurenlage m.E. keinen Hinweis darauf gibt, dass F (natürlich nicht) oder die mindestens anzunehmende zweite Person (was eigentlich anzunehmen wäre) allein dazu in der Lage (oder: bereit) gewesen wäre, die Situation zu definieren und zu beherrschen. Das heißt aber sicher nicht, dass ich davon ausginge, F sei 'frei' gewesen, zu tun, wie ihr beliebte, sondern lediglich, dass sie m.E. Handlungsspielräume (erkämpft oder erstritten?) hatte, die in den hinterlassenen Spuren objektiviert sind. (Das „Ja, nein, nein“ ist nur der stärkste, aber nicht der einzige Hinweis darauf!)
Auf den Detailgrad kommt es mE auch an weiteren Stellen an, so z.B. hier:
birkensee schrieb:Die Reaktion der Polizei war nicht vorauszusehen
War sie das nicht? Es gab Zeitpunkte, zu denen die Reaktion der Ermittlungsbehörden sehr wohl voraussehbar war. Das zeigt sich zum einen an der allgemeinen Lebenserfahrung, die hier im Forum geradezu einen Gemeinplatz darstellt, nämlich dass man Vermisstenanzeigen bzgl. Erwachsener i.d.R. nur mit gewissen Schwierigkeiten vor Ablauf eines längeren Zeitraums bei den Behörden zu Gehör zu bringen vermag (was hier erstaunlicherweise sogar - anfangs (!) geklappt hatte). Dies gilt, auch das zeigt sich an diesem Fall, insbesondere dann, wenn die 'vermisste' Person nachweislich noch lebt. Zweitens wird die Behauptung, die Reaktion der Polizei sei nicht vorherzusehen gewesen, aber auch durch die Fakten widerlegt, weil - wer auch immer verantwortlich gewesen sein mag, dafür, dass F sich regelmäßig meldete -, offenbar eben mit dieser Einschätzbarkeit der Behörden umgegangen ist, wodurch die Ermittlungen zwischenzeitlich zum Erliegen kamen.
Etwas unklar ist mir außerdem noch die folgende Äußerung:
birkensee schrieb:Noch weitaus beunruhigender als ihr Fernbleiben waren doch diese wenigen, (und wie @Kangoroo schrieb) "wie vorformulierten" Sätze und das Ausbleiben jeglichen Dialogs.
Das scheint mir eine relativ gewagte These: Woher will man denn wissen, ob es für die Angehörigen nicht wesentlich beunruhigender gewesen wäre, wenn F sich nicht gemeldet hätte? Zudem: Spricht nicht die allgemeine Lebenserfahrung eher dafür, dass
kein Lebenszeichen schlechter ist als
ein Lebenszeichen?
Ähnlich ging es mir schließlich auch mit folgendem Satz:
birkensee schrieb:Warum bemühte sich FL in diesen Gesprächen, die Harmlosigkeit vortäuschen sollten, nicht um die geringste Glaubwürdigkeit?
Das wurde von anderen Diskussionsteilnehmern doch schon recht plausibel anders interpretiert: Selbst Aussagen, von denen nicht apriori angenommen werden konnte, dass sie überprüft werden würden oder überhaupt überprüfbar seien, erwiesen sich im Nachhinein als wahr. Das ist doch im Grunde erstaunlich und erweist die Inhalte, die F (vermutlich in Absprache mit einer weiteren Person) kundtat, als glaubwürdig, oder etwa nicht? Vor allem aber die Tatsache, dass F keine Story erzählte, wie Du es für plausibler halten würdest, wären die Anrufe zur Beruhigung gedacht gewesen, spricht für den Anspruch der 'Glaubwürdigkeit' (wobei ich, wie ich bereits zuvor geschrieben habe, die Wortwahl, die nicht von mir stammt, für ungünstig halte): F hat nicht (oder nur wenig) gelogen (bzw. lügen müssen) - übrigens auch da nicht, wo sie ihre Rückkehr ankündigte, diese dann aber nicht erfolgt: Eine unerfüllte Ankündigung ist noch keine Lüge!