mlaska schrieb:In diesem Zusammenhang hätte der Täter vll. auf das Prinzip "Einschüchterung" und "Scham" gesetzt. Wir finden dieses Prinzip in vielen bekannten Fällen umgesetzt, obwohl es der persönlichen Intuition eigentlich widerspricht. Speziell geht es um mishandelte Frauen, die ihre Peiniger halt nicht anzeigen, obwohl die Möglichkeit, Notwendigkeit und Erfolgsaussichten einer Anklage/Verurteilung beständen.
Zwar glaube ich, dass sich die Bedrohungsszenarien, die der Täter für die Zeit nach der Freilassung und für den Fall seiner Inhaftierung entwerfen konnte, eher in Grenzen hielten, aber das spielt nach meiner Meinung überhaupt keine Rolle. Ich halte es für äußerst wahrscheinlich, dass Fl alles getan hätte, sich "eingeschüchtert" zu zeigen.
Denn auch wenn sie es nicht gewesen wäre (für die Zeit nach ihrer Freilassung), wäre sie sicher nicht so dumm gewesen, es dem Täter zu zeigen.
Das Motiv der "Scham" halte ich für äußerst problematisch, denn es gibt absolut nichts, von dem man annehmen könnte, dass FL sich dafür hätte schämen können. Deinen Verweis auf mißhandelte Frauen, die davor zurückschrecken, die Täter anzuzeigen, trifft nach meiner Ansicht in keiner Weise auf FL zu.
Aber auch das halte ich für völlig irrelevant, denn ich bin überzeugt, dass FL alles getan und gesagt hätte, um den Täter von ihrer künftigen Verschwiegenheit zu überzeugen. Sie hätte ganz sicher keine Zweifel an ihrer "Zuverlässigkeit" geschürt - ihr Leben stand auf dem Spiel.
Aber wie ich gestern schon ausführte, hätte der Täter sich grundsätzlich niemals sicher sein können, von FL nicht "verraten" zu werden - auch wenn FL diese Absicht nicht gehabt hätte. Seine Macht über sie hätte mit der Freilassung geendet, alles weitere wäre grundsätzlich für ihn unsicher gewesen.
Deshalb kann ich diesen Erklärungsversuch für die dreimaligen Rückkehrankündigen nicht nachvollziehen. Der Täter hätte also nach Deiner Version am Freitagabend glauben müssen, FL vorbehaltlos vertrauen zu können, aber dann hätten Zweifel eingesetzt - doch ein paar Stunden später (am Samstagnachmittag) wäre der Glaube wieder zurückgekehrt. Aber kurz darauf hätten wieder die Zweifel gesiegt. Und bereits einen Tag später hätte er wieder geglaubt, FL freilassen zu können, und wieder hätte er sich kurzfristig anders entschieden.
Und nicht zuletzt, wenn man bedenkt, dass FL kurz darauf starb, kann ich es wirklich nicht für plausibel halten, dass sich bei dem Täter in einer für ihn so existentiell wichtigen Angelegenheit innerhalb kürzester Zeit völliges Vertrauen in FL und Misstrauen gegen sie so schnell abwechselten. Es ging hier ja nicht um Launen, sondern um eine elementare Entscheidung seines Lebens. Wenn er FL vollständig vertraut hätte und dann aber meinte, keinen Grund dafür zu haben, kann ich mir nicht vorstellen, dass sich dieses Vertrauen (mit dem er ihr sein weiteres Leben ausgeliefert hätte) innerhalb weniger Stunden wieder hergestellt hätte - und das Ganze dreimal und in kürzester Zeit.
Und es bleibt auch die Frage: Warum diese Ankündigungen? Es wäre, wie Du ja zu Recht betont hast, um ein Einverständnis allein zwischen dem Täter und FL gegangen - die Ankündigungen ihrer Rückkehr wären in jeder Hinsicht überflüssig gewesen.
Wenn Fl freigelassen und den Täter bzw. die Tat hätte verschweigen sollen, hätte sie ihren Angehörigen, der Polizei und ihren Freunden eine harmlose Erklärung ihres Verschwindens präsentieren müssen: Wäre es dann nicht entschieden im Sinn des Täters gewesen, wenn FL damit bereits in ihren Telefonaten angefangen hätte? Wenn sie noch während der Zeit, in der sie in der Gewalt des Entführers war, sich an die Polizei gewandt und alles zu seinen Gunsten "aufgeklärt" hätte?
Warum in diesen Gesprächen, in denen sie ankündigte, in wenigen Stunden zu Hause zu sein, immer noch diese Formulierungen "Frag nicht … Kann ich Dir nicht sagen … Erkläre ich Dir später". Es hätte im Interesse des Täters liegen sollen, dass FL in wenigen Stunden ihrer Familie und der Polizei alles "erklärte" - aber noch nicht in seiner Gegenwart, d. h. unter seiner Kontrolle?
Das alles passt nach meiner Ansicht einfach überhaupt nicht zusammen.