mlaska schrieb:Man könnte das dreimalige Zugeständnis, gehen zu können, doch genau in diese Richtung deuten. Der Täter hat - in dieser Deutung - mit sich gerungen.
mlaska schrieb:Dass hier eine Abwägung stattgefunden haben könnte, ist meiner Ansicht nach völlig plausibel. Wenn "Mord" nicht sein eigentliches Metier war und er "eigentliche" damit nichts zu tun hatte oder zu tun haben wollte. Aber ebenso war auch klar, dass irgendwann eine Entscheidung getroffen werden musste. Je länger der Täter zögerte, um so mehr sanken die Chancen, dass an eine Freilassung zu denken war.
Dass der Täter angesichts der enormen Tragweite einer solchen Entscheidung (FL freizulassen) mit sich "gerungen" hätte, finde ich durchaus plausibel. Ein permanentes Abwägen von Pro und Contra, mal mehr dafür, mal mehr dagegen - alles nachvollziehbar.
Aber der Täter hat nach Deiner Version nicht einfach mit sich gerungen, sondern innerhalb kürzester Zeit Entscheidungen getroffen, die Chris (und in einem Fall auch FLs Bruder) und damit potentiell auch der Polizei mitgeteilt wurden. Und diese "Entscheidungen" von FLs Rückkehr noch "heute", (also innerhalb weniger Stunden - FL: "Ich komme heute nach Hause, auch nicht zu spät.") wurden jedes Mal in kürzester Zeit revidiert (denn FL kam nicht), aber an den nächsten beiden Tagen wiederholt - und wieder verworfen.
Ein (noch unentschlossenes) Ringen kann ich hier nicht erkennen, denn wenn er sich seines jeweiligen Entschlusses nicht sicher war, warum hat er sich dann durch diese Mitteilungen an Chris (und damit grundsätzlich auch an die Polizei) darauf festgelegt? Er hätte FL auch ohne jede Ankündigung freilassen können; das hätte nicht die geringsten Nachteile für ihn bedeutet, ihm aber bis zur letzten Minute die Möglichkeit einer unkomplizierten Revision seiner Entscheidung erhalten.
Und nachdem er schon einmal seine Entscheidung korrigieren musste, hat er sich an den beiden nächsten Tagen genau so wieder verhalten? Und wieder hat er an diesen beiden nächsten Tagen die jedes mal "offiziell" mitgeteilte Entscheidung verworfen?
Hier ging es ja nicht gerade um Banalitäten, sondern um die Frage, ob er die nächsten Jahre im Gefängnis verbringt und dann irgendwann mal als ein aus der Haft entlassener Schwerverbrecher die Scherben seines früheren Lebens einsammeln darf.
Warum also diese - in Deiner Version - völlig überflüssigen Ankündigungen, die ihn nur unnötig unter Zugzwang setzten?
mlaska schrieb:Für mich ist dieses tragische Ende das Resultat einer Entwicklung in der einen Woche, wo am Anfang noch nicht "Mord" stand, aber aus dem Blickwinkel des Täters Mord wurde, um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Wir dürfen aber heute nicht den Fehler machen, das bekannte Ende (und die bekannten Ereignisse/Telefonate dazwischen) als "zwangsläufig" bezeichnen. Am 21.06.2006 war vll. noch alles offen.
Ich stimme Dir völlig zu, dass man die Möglichkeit einer Entwicklung (und damit auch eines dynamischen Verhältnisses zwischen dem Täter und FL) keinesfalls unterschätzen sollte. Ebenso glaube ich, dass man die einzelnen Schritte des Täters aus dem Vorausgegangenen entwickeln sollte (aber dennoch mit Blick auf das Ende, dem diese "prozessualen" Folgerungen natürlich nicht widersprechen dürfen). Ich glaube auch nicht, dass der Täter einen von Anfang an in allen Details feststehenden Plan abspulte, ohne jede Reaktion auf für ihn nun mal nicht vorhersehbare Ereignisse.
Aber wenn wir uns die Situation des Täters am Freitag (1. Rückkehrankündigung) und an den beiden folgenden Tagen (2. und 3. Rückkehrankündigung) nach Deiner Version vergegenwärtigen:
Er hätte also nach Deiner Annahme jedes Mal die Absicht gehabt, FL freizulassen, weil er glaubte, FL würde ihn nicht "verraten". Dann aber hätte FL irgendeine Geschichte, die ihr spurloses und sehr eigenartiges Verschwinden "erklärte", erfinden müssen.
Glaubst Du nicht, der Täter hätte sich für FLs "Story" interessiert und auch gern einzelne Aspekte mit ihr durchgesprochen? Und vor allem: Wäre es dann nicht sehr viel sinnvoller gewesen, FL hätte diese "Alternative zu den Fakten" auch schon
während der Telefongespräche kommuniziert? Wäre es nicht überzeugender (und für den Täter beruhigender) gewesen, wenn Fl noch in seiner Gewalt ihren Angehörigen ihre Abwesenheit als völlig harmlos erklärt hätte?
Statt dessen sagt Fl aber in den Gesprächen, in denen sie ihre Rückkehr innerhalb weniger Stunden (!) ankündigt, immer wieder: "Frag nicht … Kann ich Dir nicht sagen … Erkläre ich Dir später".
FL hätte dann also nicht nur ein paar Stunden später ihren Angehörigen und womöglich auch der Polizei gegenüber ohne jede Vorbereitung ihre Lügen über ihr vermeintlich harmloses Verschwinden präsentieren müssen, sondern auch noch die Fragen beantworten dürfen, weshalb sie denn in den Telefongesprächen nie etwas davon erwähnte, obwohl sich doch alle solche Sorgen machten.
Man kann wohl konstatieren, dass der Täter mit dieser Strategie FL das, wovon für ihn doch alles abhing, deutlich erschwert hätte.
Wenn es also aus der Perspektive des Täters zwischen ihm und Fl zu einem Einverständnis gekommen wäre: Warum hat sie nicht noch vor ihrer Freilassung bei der Polizei angerufen und alles "aufgeklärt"? Warum hat sie nicht schon zu diesem Zeitpunkt Chris und ihre Eltern über das angeblich Vorgefallene "informiert? Das hätte ihr doch eine Rückkehr unter solchen Umständen (mit der Absicht, alle glaubwürdig zu belügen) wahnsinnig erleichtert.
Statt dessen sollte sie sich einem womöglich geballten Fragenansturm von Familie und Polizei aussetzen? Der Täter hätte, obwohl er es problemlos hätte verhindern können, FL einer derartigen Gefahr aussetzen sollen, dass sie diesem Ansturm nicht standhält und sich verplappert? Bei den enormen Konsequenzen für den Täter?
Risiken hätte der Täter in jedem Fall bei einer Freilassung in Kauf nehmen müssen - aber er soll sie dann auch noch ohne Not derart vergrößert haben?
Das sind derartige Widersprüche, die es für mich ausschließen, dass die Rückkehrankündigungen ernst gemeint waren.